Ole R. Börgdahl

Zwischen meinen Inseln


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von Australien genommen. Ich decke die Städtenamen ab und Tom muss zeigen, wo Sydney oder Perth oder gar Darwin liegt. Bei diesem Spiel ist Tom besonders gut und es macht ihm auch die größte Freude. Er sitzt oft lange über der Karte und schaut sich alles genau an. Er fragt mich dann, ob ich wüsste, wo Charleville oder Cunnamulla liegen. Ich weiß es natürlich nicht, ich habe von diesen und anderen Orten noch nie gehört. Wir schauen es uns dann gemeinsam an. Die Orte in Australiens Innerstem liegen wirklich sehr einsam.

      Brisbane, 2. Oktober 1917

      Mein Schlafzimmer wird mir langsam zu klein. Ich bräuchte auch noch ein Bücherregal, aber es passt nichts mehr hinein. Ich habe die meisten meiner Bücher im Wohnzimmer stehen und nehme nur die mit an meinen Schreibtisch, die ich gerade für eine Übersetzung brauche. Ich bin jetzt schon recht gut ausgestattet. In diesem Jahr habe ich wirklich viel Geld für Wörterbücher ausgegeben, aber es sind eben meine Arbeitsgeräte.

      Brisbane, 19. Oktober 1917

      Die französischen Bücher, die Vater oder ich im Hause haben, sind für Tom noch nicht das Richtige. Ich möchte aber, dass er nicht nur englische, sondern auch französische Texte liest. In meiner Bibliothek auf dem College habe ich mich daher nach geeigneten Büchern umgesehen. Es gibt dort vieles auch auf Französisch. Es stammt aus Spenden oder wurde von Flohmärkten aufgekauft. Ich habe ein Tom-Sawyer-Buch auf Französisch gefunden, das ganz hübsch ist, weil es auch Bilder enthält. Tom soll es versuchen. Die Geschichten werden ihm sicherlich gefallen.

      Brisbane, 10. November 1917

      Ich habe Post aus Argentinien bekommen. Eine Anwaltskanzlei bittet mich um Übersetzungen. Ich sei empfohlen worden, sie schreiben aber nicht von wem. Ich soll eine Korrespondenz überwachen und Briefe übersetzen. Ich habe mich gefragt, ob es dafür keine Übersetzer in Argentinien gibt. Ich werde zurückschreiben. Vater meint, ich sollte mein Honorar möglichst hoch ansetzen, dann würden wir ja sehen, was ihnen meine Mitarbeit wert ist.

      Brisbane, 30. November 1917

      Die Anwaltskanzlei aus Argentinien, genauer gesagt aus Neuquén, hat sich wieder gemeldet. Sie akzeptieren meine Honorarforderungen ich muss aber ein Dokument unterschreiben, in dem ich mich zum Stillschweigen über alles verpflichte, was ich zu lesen oder zu übersetzen bekomme. Ich habe das Dokument gleich unterschrieben und zurückgesendet, schließlich sind solche Vereinbarungen auch bei den Anwälten hier in Brisbane üblich. Vater und ich haben nachgesehen, wo dieses Neuquén eigentlich liegt. Wir haben es in unserem Atlas erst gar nicht gefunden. Es liegt mitten im südamerikanischen Kontinent, weit von jeder Küste entfernt.

      Brisbane, 11. Dezember 1917

      Vor ein paar Tagen haben wir uns abends Vorträge über die Schulen in Brisbane angehört. Den Eltern wurden dabei die privaten Schulen vorgestellt, in denen Schulgeld bezahlt werden muss. Es klingt wohl verlockend. Es ist auch gar nicht so teuer, zumindest findet Vater, dass es nicht sehr teuer ist. Tom würde auch den ganzen Tag betreut und dies ist es, was ich eigentlich nicht mag. Es ist für meine Arbeit schon ganz gut, dass Tom an den Vormittagen betreut ist, aber dass ich ihn den ganzen Tag nicht sehen soll. Noch schlimmer ist ein Internat. Es waren auch Vertreter eines Internats bei den Vorträgen. Tom würde dann nur alle vier Wochen zu Hause sein, weil das Internat oben bei Landsborough liegt. Ich denke, Tom wird nächstes Jahr wohl auf eine staatliche Schule gehen. In New Farm, gleich in der Nachbarschaft, gibt es eine Grundschule und in Spring Hill sogar zwei, die auch nicht so weit entfernt sind.

      Brisbane, 22. Dezember 1917

      Über Weihnachten werde ich ein wenig arbeiten müssen. Die Anwaltskanzlei aus Neuquén hat mir einige Akten geschickt, die ich jetzt bearbeiten muss. Ich habe schon hineingeschaut, es wird nicht besonders schwer, es sind aber sehr viele, engbedruckte Seiten. Ich hoffe, ich werde bis zum Januar damit fertig. Die Sachen sollen nämlich bis Ende Januar wieder in Argentinien sein.

      1918

      Brisbane, 7. Januar 1918

      Australische Truppen werden jetzt auch in Frankreich eingesetzt. Es berührt mich, dass jemand, den ich kenne, mein französisches Vaterland verteidigt. Ich sitze hier, so weit weg und jemand, der Frankreich nichts schuldig ist, gibt sein Blut für meine Nation.

      Brisbane, 28. Januar 1918

      Vater hat sich vor zwei Tagen auf den Weg nach Mackay gemacht und sich jetzt von dort gemeldet. Der Sturm hat große Schäden angerichtet. Mackay war seit dem 21. Januar für mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten und niemand wusste von der Lage dort. Vater berichtet von abgedeckten Dächern und überfluteten Straßen. Für all dies ist kein einfacher Sturm verantwortlich, sondern ein Zyklon, der sehr starke Winde und Regenfälle gebracht hat.

      Brisbane, 5. Februar 1918

      Vater ist jetzt auf dem Rückweg nach Brisbane in einem Ort namens Rockhamton angekommen. Die Unwetter der letzten zwei Wochen haben auch dort zu schlimmen Überflutungen geführt, obwohl Rockhampton nicht direkt an der Küste liegt. Der Fitzroy River hat die Wassermassen vom Meer her mitgebracht. Der Fluss soll einen Höchststand von über dreißig Fuß erreicht haben. Vater erwähnt noch die Orte Yeppoon und Mount Morgan in der Nähe von Rockhampton, in denen es ebenfalls große Schäden gegeben hat. Ich habe wie immer meinen Atlas zur Hand und schaue mir die Orte auf der Landkarte an.

      Brisbane, 7. Februar 1918

      Tom kann sich auf ewig daran erinnern, dass er an einem Donnerstag eingeschult wurde. Er hat im ersten Jahr eine Lehrerin, wo er sich doch so sehr einen Lehrer gewünscht hat. In der Vorschule waren auch nur Lehrerinnen. Einige Kinder aus Toms Vorschule gehen in seine Klasse. Wir haben auch gleich Jimmy, Keith und Paul mit ihren Eltern getroffen. Es gab heute nur eine Stunde. Die Mütter und Väter durften im Klassenraum bleiben. Mrs. Lovegrove hat uns begleitet und sie war auch ganz stolz. Es wurde heute nicht gleich unterrichtet. Die Lehrerin hat sich vorgestellt und dann musste jedes Kind ein Namensschild basteln. Die Namen wurden dann von der Lehrerin darauf geschrieben. Tom konnte seinen Namen natürlich selbst schreiben und mit ihm noch drei oder vier andere Jungen.

      Brisbane, 12. Februar 1918

      Ich bin froh, dass Vater noch rechtzeitig wieder von seiner Reise zurück ist. Wir feiern heute schließlich seinen sechzigsten Geburtstag und ich habe einiges vorbereitet. Heute Abend kommen Gäste, Onkel Louis und Tante Maggie, einige Kollegen von der Zeitung und ich habe auch Helen und Olga und die beiden Johns eingeladen. Wir sind zu zwölft und Vater weiß noch von gar nichts davon, es soll eine Überraschung werden. Ich muss mein Büchlein gleich verstecken, dass er am Ende nicht noch liest, was ich mir ausgedacht habe. Das ist natürlich Unsinn, Vater würde niemals in meinem Tagebuch lesen. Es ist jetzt kurz nach vier. In einer Stunde geht Vater mit Tom in die Stadt zum Eisessen, dann habe ich Zeit alles heimlich vorzubereiten. Ich werde zusammen mit Onkel Louis kochen. Ich freue mich schon so auf die Überraschung.

      Brisbane, 27. März 1918

      In Frankreich, bei einer Stadt namens Amiens sollen australische Truppen sehr tapfer und erfolgreich gegen den Feind gekämpft haben. Dann noch die Nachricht, dass Paris bombardiert wurde. Es ist so schwer, sich ein Bild von den Schlachten zu machen. Vater und ich haben den Atlas und ein Stück Transparentpapier genommen und die Orte eingezeichnet, an denen von Kampfhandlungen berichtet wird. Amiens und Picardie liegen ganz im Nordwesten Frankreichs, nicht weit von Belgien entfernt. Verdun wiederum liegt östlicher und südlicher. Zwischen Amiens und Verdun liegen geschätzte hundertundfünfzig Meilen, von Amiens nach Paris sind es wohl weit weniger als hundert Meilen. Mir scheint, es kann schnell passieren, dass Paris von den Deutschen überrannt wird, nicht jedoch, wenn Australier und Neuseeländer weiterhin so tapfer