Gabriela Hofer

Das Labyrinth der Medea


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Schönheit mit weißblonden langen, glatten Haaren, welche wie ein Fächer hin und her schwangen, wenn sie ihren Kopf schüttelte. Eine Bewegung, die bei ihr sehr häufig vorkam, da sie entgegen der allgemeinen Meinung, dass Menschen mit solcher Haarfarbe keinerlei Temperament besäßen, über ein großes Maß davon verfugte. Außerdem war ihre Neugierde sprichwörtlich. Sie musste alles wissen. Nun richtete sie ihre großen blauen Augen auf Hope: „Stell dir vor, heute kommt endlich der neue Junge in die Schule. Wie der wohl aussieht?“ Hope grinste vor sich hin; dies war typisch für Betsy. Sie verging beinahe vor Neugierde: „Gedulde dich noch eine halbe Stunde, dann weißt du es.“

      „Na klar, der ruhigen, besonnenen Hope Hopper ist dies natürlich völlig egal.“ Betsy schlug Hope nicht gerade sanft auf den Rücken. Diese fiel beinahe vornüber. „Sag mal, Betsy, spinnst du? Ich wäre fast hingefallen! Ich habe nun einmal noch kein solches Interesse an Jungs wie du — und übrigens hast du den einzig süßen in der Schule ja schon für dich gepachtet. Na ja, vielleicht ist dieser Gideon ja wenigstens mal kein Kindskopf.“

      Betsy blieb erstaunt stehen: „Du meinst wohl George? Ich soll in George verknallt sein? Ja, er ist nett, irgendwie knuddelig mit seinen immer verwuschelten braunen Haaren und seiner ungeschickten, schlaksigen Gestalt. Ich verstehe seine Unsicherheit nicht, schließlich ist er sehr intelligent, besonders in Computersachen. Schade, dass ihn die anderen Jungs immer piesacken, aber vielleicht sind sie ja nur eifersüchtig, weil George alle Mädchen mögen. Man kann nur hoffen, dass der neue Schüler endlich mal einer ist, der sich nicht so blöde benimmt wie die anderen in der Klasse. Besonders George gegenüber, da sie ja gleich nebeneinander wohnen werden.“

      „Ja; in welches Haus zieht Gideon denn nun ein, in das gelbe oder das rote?“ Hope war im Stillen für das gelbe Haus. Es strahlte so viel Wärme aus. Die verschiedenen Farben der total identischen Häuschen in diesem kleinen Quartier gaben dem Ganzen einen lustigen Aspekt. Es war so, dass der Briefträger nicht nach Nummern suchte, sondern nach Farben.

      Die „Street of Hope“ war ziemlich lang und schnurgerade, bevor man wieder an eine Kreuzung stieß, dort ging man nach rechts und die nächste wieder nach links und schon waren die Kids in der Schule. Wer ganz in der entgegengesetzten Richtung der Schule wohnte, hatte Pech, dieser hatte einen beachtlichen Fußweg vor sich. Hope und Betsy gehörten zu den Glücklichen, ihre Häuser lagen ziemlich am Ende der Straße. George, dessen Haus tatsächlich rosa war, hatte es noch besser, seines lag beinahe bei der Kreuzung.

      Betsy und Hope gingen wieder weiter „Ich habe keine Ahnung, frag doch einfach George! Sieh, er wartet schon. Sag mal, nun fällt mir auf: WIE nennst du den Neuen? Gideon?“ Betsy musste lachen: „Wie kommst du denn darauf? Du hast ihn doch noch nie gesehen.“ Hope erschrak. Tatsächlich — es war ihr schon wieder passiert. Was war nur mit ihr los? Ihre Stimme klang angespannt, als sie nun zu Betsy sagte: „Du bist doch meine beste Freundin, nicht wahr? Du behältst das, was ich dir nun sage, für dich?“ Betsy nickte heftig. „Also gut. Mir passieren in letzter Zeit merkwürdige Dinge.“ Hope fuchtelte mit den Händen herum. Nun absolut neugierig geworden fragte Betsy: „Was für Dinge? Komm, erzähl, bevor wir bei George angekommen sind.“

      „Nun“, fuhr Hope unsicher fort, „ich wusste zum Beispiel schon Namen im Voraus oder was gleich passieren würde. Das Schlimmste war, dass sogar das eingetreten ist, das ich mir gewünscht hatte.“ Hope wurde rot wie eine Tomate.

      „Was meinst du damit?“ Betsy glaubte ihr kein Wort.

      „Vorgestern war ich so sauer auf Nancy Miller und habe mir in meiner Wut gewünscht, dass sie auf die Nase fliegt — und in diesem Moment ist sie tatsächlich gestolpert und hingefallen, obwohl gar nichts da war, worüber sie hätte stolpern können. Dann waren da noch diese Vorhersehungen. Ich wusste, dass sich Mrs. Willow den Arm gebrochen hatte, bevor Papa dies Mama erzählte, ich wusste auch, dass sich das Fernsehprogramm wegen eines Vorfalls in der Politik ändern würde — und ich bin mir sicher, dass der Name des neuen Jungen wirklich Gideon sein wird.“

      Betsy strich ihr beruhigend über den Arm: „Das waren doch alles Zufälle, glaub mir. Mach dir keine Sorgen. Wenn es nämlich keine wären, müsstest du doch eigentlich eine Hexe sein!“ Da mussten beide Mädchen lachen. „Obwohl, Hope, wenn man dein Aussehen mit einbezieht, könnte man schon daran glauben.“ Hope gab ihr einen scheinbar empörten Nasenstüber. Aber es stimmte schon, Hope hatte alle einer Hexe zugeschriebenen Attribute: Sie war rothaarig und hatte grüne, katzenartig schräg stehende Augen. Sie war wirklich sehr hübsch. Ihre Haare fielen in großen Locken bis auf den Po. Sie war weder klein noch groß und bis auf ein paar Pfunde zu viel um die Hüften schlank.

      Nun hatten sie George Parker erreicht, und somit konnte Hope keine Antwort mehr auf diese Hexengeschichte geben. Sie begrüßten ihren Mitschüler und gingen weiter.

      Sie hatten George in die Mitte genommen. „Du, George“, fragte nun Betsy, „hast du den Neuen schon gesehen? In welches Haus zieht er nun ein?“

      George wandte sein Gesicht Betsy zu: „ln das gelbe und nein, ich habe ihn noch nicht gesehen. Nur ein großer Umzugswagen war gestern hier. Dort aber ist kein Junge in unserem Alter mit dabei gewesen.“ Betsy war ein bisschen enttäuscht, aber wenigstens wusste sie nun, welches Haus neue Mieter bekam.

      Sie hatten die Kreuzung erreicht und trafen dort auf weitere Mitschülerinnen. Gemeinsam setzten sie ihren noch kurzen Weg zur Schule fort.

      SELTSAMES GESCHIEHT

      Hope saß auf ihrem Platz in der Schule, geistesabwesend aus dem Fenster starrend. Es war die letzte Stunde heute und sie hatte endlich Zeit über einiges nachzudenken. Gedankenverloren kaute sie auf ihrem Bleistift herum. Irgendetwas stimmte mit ihr eindeutig nicht. Der verwirrte Blick von Betsy, als sie erfuhren, dass der neue Junge tatsächlich Gideon hieß, verfolgte sie immer noch. In der Pause war Betsy dann ziemlich ruhig gewesen. Wenigstens etwas klappte: Gideon hatte den leeren Platz neben George bekommen. Ein schneller Blick dorthin. Sie schienen sich gut zu verstehen. Gideon schaute auf und ihr direkt in die Augen. Schnell sah sie weg. Er sah aber auch verflixt noch mal sehr gut aus: für sein Alter ziemlich groß und muskulös, blonde Haare und die blausten Augen, die sie je gesehen hatte; man konnte direkt darin ertrinken. Außerdem machte es den Eindruck, als müsste er sich nicht dauernd beweisen. Wieder schweiften ihre Gedanken zu den ihr in letzter Zeit passierenden seltsamen Dingen. Wie waren diese nur zu erklären? Waren es wirklich nur Zufälle, wie Betsy meinte? Doch auch sie war sich nicht mehr ganz sicher.

      Am besten wäre es, sie spräche heute Abend mal mit ihren Eltern. Vielleicht hatten sie ja darauf eine Antwort. Ihr Blick streifte die alte Ulme vor dem Fenster, ein kleiner Zaun umlief diese. Auf der kleinen dort angebrachten Tafel stand: Kein Zutritt. Es sollte die Kids davon abhalten auf den Baum zu klettern und sich eventuell zu verletzen. Leider schienen nicht alle lesen zu können ...

      Im Moment aber handelte es sich nicht um ein Kind, das ihre Aufmerksamkeit fesselte, sondern — Hope ließ den Bleistift fallen, rieb sich mit beiden Händen die Augen und erhob sich leicht — es waren tatsächlich eine schwarze Katze und eine Krähe, traulich vereint nebeneinander auf dem Zaun sitzend, wobei die Krähe doch wirklich ihren Kopf an dem der Katze rieb! So etwas hatte sie noch nie gesehen.

      „Hallo, Hope, bist du noch da?“ Betsy flüsterte leise neben

      ihr.

      Hope setzte sich schnell wieder hin und packte Betsy aufgeregt am Arm, so fest, dass diese leise aufschrie vor Schmerz. „Entschuldige bitte, Betsy, aber schau mal aus dem Fenster, siehst du auch, was ich sehe?“ Aufgeregt zeigte Hope zu der Ulme.

      Betsy sah nach draußen; da war nichts Außergewöhnliches zu sehen, nur die alte Ulme.

      „Ich nehme mal an, du siehst auch die alte Ulme. Was soll daran so speziell sein?“

      Nun erst realisierte Hope, dass die beiden Tiere tatsächlich verschwunden waren. „Aber da waren ...“Völlig verwirrt verstummte sie, nur um zu bemerken, dass Betsy schon wieder am Schreiben ihres Aufsatzes war.

      Zur gleichen Zeit, weit weg von Stirling ...

      „Thadeus,