Gabriela Hofer

Das Labyrinth der Medea


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„Was hat das alles nur zu bedeuten?“, flüsterte Betsy ängstlich. Keiner konnte darauf eine Antwort geben.

      „Das war ja noch nicht mal alles“, Hope wischte sich über die verheulten Augen, „draußen, als ich angeblich ohnmächtig geworden bin, hat mich doch dieser McMorris berührt. In diesem Moment stürmten schreckliche Bilder auf mich ein. Ich bringe sie einfach nicht aus meinem Kopf!“ Verzweifelt schloss sie die Augen.

      „Um Gottes willen, was denn für Bilder?“ George lehnte sich weiter vor.

      „Es waren so viele, Frauen und Männer, die lebendigen Leibes verbrannt wurden. Ich hörte ihre Schreie und spürte ihren Schmerz! Die schrecklichsten Schmerzen empfand ich aber beim letzten Bild; da stand eine Frau, die irgendwie aussah wie ich Sie rief irgendjemandem etwas zu, ich konnte nur meinen Namen verstehen und dann ... dann stieß sie sich ein Messer in den Bauch! Einfach so! Diese Schmerzen, ich konnte alles fühlen! Danach muss ich wohl in Ohnmacht gefallen sein.“

      Betsy sah sie mit großen erschreckten Augen an: „Du Arme! Kein Wunder, dass du so blass warst. Was geschieht hier bloß? Was haben wir, vor allem du, mit diesem Dorf zu schaffen? Was ist mit diesem Kerl, diesem McMorris? Weshalb vermittelt er dir solche schrecklichen Bilder?“ Gideon stand auf, er war sichtlich erschüttert: „Irgendwie haben wir wohl eine Verbindung zu diesem Hexendorf, die Frage ist nur, welche!“ Keiner der Jugendlichen hatte eine Idee. George strich sich durch seine ohnehin schon strubbeligen Haare: „Vielleicht erfahren wir morgen mehr darüber, beim Museumsbesuch. Hoffentlich herrscht nicht wieder so ein Gefühlschaos!“ Hope schaute ihm in die Augen: „George, vor den Gefühlen habe ich weniger Angst als vor diesem Leiter! Er strömt so viel Böses aus, wie sonst hätte seine Berührung bei mir diese Empfindungen aus- lösen können?“ Auch darauf hatte niemand eine Antwort. „Es ist wohl wirklich besser, wir versuchen für heute das Geschehene ruhen zu lassen. Morgen wird es uns dann wieder mehr als genug beschäftigen. Außerdem ist gleich Essenszeit, und ich zumindest habe einen Riesenhunger. Wie steht es mit euch?“ Der immer realistisch denkende George brachte es wieder einmal auf den Punkt. Es stimmte schon, all dieses Wenn und Wie brachte sie nicht weiter. Morgen hatten sie noch einmal Gelegenheit diesen seltsamen Geschehnissen auf die Spur zu kommen und diesen Typen genauer zu beobachten. Die drei verließen das Zelt. Jetzt, wo sie der Regen nicht mehr so stören würde, hatte es aufgehört. Wenn das mal nicht ein gutes Zeichen war ...

      DIE SCHWESTERN DUMMEROS

      Zwei seltsam gekleidete Frauen saßen auf einem Baum. Sie sahen völlig gleich aus. Es gab also auch Zwillinge im Hexenreich, denn von dort kamen sie. Beide trugen ein bis zum Boden reichendes weites blaues Gewand und einen schwarzen Hexenhut, der keck auf ihren schwarzen kurzen Locken saß. Beide hatten braune Augen und waren zierlich gebaut.

      Bethany, sie war die etwas sanftere von beiden, meinte soeben leise: „Alexis, mir stehen die Haare zu Berge! Hast du ihn auch gesehen? Hat er sie also doch gefunden, und das so kurz vor ihrem 15. Geburtstag! Wir müssen etwas unternehmen, aber was?!“

      Alexis hob beschwichtigend die Hand: „Sicher werden wir etwas unternehmen. Du wirst sofort Prof. Prof. Scribble herbringen. Er weiß, was zu tun ist. Ich werde unterdessen auf das Mädchen aufpassen; also los, Bethany, flieg schnell, denn alles muss vor dem Morgen geregelt sein. Mortoluc hat diese Trennung nur vorgenommen, um die Freunde von Hope von ihr fern zu halten. Sein Ziel ist es, sie bei diesem Museumsbesuch zu schnappen. Dieses Vorhaben werden wir ihm nun gehörig versalzen.“ Bethany nickte, sprang vom Baum und verwandelte sich dabei in eine Krähe. Schnell flog sie davon.

      Alexis seufzte, es würde eine lange Nacht werden heute. Sie betrachtete von oben den Lichtschimmer, der durch die Zeltwand schien. Die Kinder waren also noch wach. Hoffentlich konnten sie Hope von den anderen trennen, sie schienen sich sehr zu mögen.

      Sie fröstelte leicht. Bald würde es den ersten Schnee geben, dann konnte sie wieder ihr Lieblingsspiel spielen, Zaubereisschnelllauf.

      So verging eine Stunde, als sie in der Ferne einen bläulichen Schimmer wahrnahm. Sie richtete sich auf. Da kam Prof. Prof Scribble. Sie atmete erleichtert auf. Nun würde er die Verantwortung übernehmen.

      Tatsächlich erschien Bethany, auf ihrem Rücken eine geschrumpfte Version von Prof. Prof Scribble tragend. Alexis sprang schnell auf den Boden, leise landete Bethany neben ihr.

      Beim Abspringen vom Rücken der Krähe nahm der Professor wieder seine normale Gestalt an. „Bethany hat mir erzählt, dass Mortoluc hier ist, stimmt das, Alexis?“ Diese nickte mit dem Kopf: „Ja, er hat sie entdeckt. Was sollen wir tun? In drei Tagen hat sie Geburtstag, dann würden Hope und ihre Adoptiveltern sowieso alles erfahren. Doch ich glaube, so lange können wir nicht mehr warten. Es wäre zu gefährlich.“ Der Professor nickte bestätigend mit dem Kopf wobei seine großen Elefantenohren lustig hin und her wippten: „Da gebe ich Ihnen völlig Recht, Alexis. Sie muss noch vor dem Morgengrauen von hier weg, das heißt in unsere Welt überwechseln. Doch wie bewerkstelligen wir dies? Sie muss ja zuerst über ihre Herkunft informiert werden!“ Er schaute sich suchend um: „Gibt es hier irgendwo einen Ort, wo ich ungestört mit ihr reden kann?“ Bethany kam die Lichtung etwas weiter hinten in den Sinn. Sie teilte es den beiden mit. Der Professor war einverstanden, und so brachte sie ihn zu dieser Stelle im Wald, während Alexis die Aufgabe zukam, Hope unauffällig dorthin zu schaffen. Dieses Problem löste sie ganz einfach damit, indem sie die Schwebetechnik anwendete. Leise schwebte Hope aus dem Zelt, über das offene Gelände und verschwand im Wald; Alexis folgte ihr. Auf der Lichtung glitt Hope langsam zu Boden. Nur in ihrem Jogginganzug auf dem feuchten Boden liegend, brauchte es nicht lange, bis sie wach wurde, da sie zu frieren begann. Die drei warteten geduldig, bis Hope die Augen aufschlug. Entsetzt sprang sie auf die Füße, wollte schreien. Da legte sich eine Hand auf ihren Mund. Sie wand sich, doch es nützte nichts, die Hand ließ nicht los. Das Schlimme für Hope war, dass diese Hand eigentlich niemandem gehörte, denn da war nichts weiter.

      Nun begann eines dieser seltsamen Wesen zu sprechen: „Miss Hopper, bitte! Wir tun Ihnen nichts. Im Gegenteil, wir sind hier, um Ihnen zu helfen. Wir können Ihnen alles über Ihre wirkliche Herkunft erzählen. Versprechen Sie mir, nicht zu schreien? Dann lässt Sie die Hand los.“ Hope wusste nicht warum, aber die ruhige, freundliche Stimme dieser Kreatur beruhigte sie. Instinktiv merkte sie, dass diese Gestalten ihr wirklich nichts tun wollten. So nickte sie schnell mit dem Kopf. Eine Handbewegung des kleinen Geschöpfs, und die Hand löste sich von ihrem Mund. Erschöpft sank sie wieder auf den nassen Waldboden. „Was, verdammt noch mal, ist hier eigentlich los? Wer sind Sie?“

      Dr. Bethany Dummeros erhob sich zu ihrer vollen Größe: „Bitte keine Schimpfwörter, so was sagt man nicht!“ Prof. Prof. Scribble kicherte leise, dann trat er zu Hope hin, reichte ihr die Hand und meinte: „Guten Abend, Miss Hopper, mein Name ist Prof. Prof. Scribble, diese empörte Dame hier ist Dr. Bethany Dummeros und die andere, gleich aussehende Frau ist Dr. Alexis Dummeros, wir alle sind Lehrer in der Zauberschule Hagith und hier, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie eigentlich eine Hexe sind.“

      Hope sprang entsetzt auf die Füße und wich zurück, die Hände abwehrend ausgestreckt: „Was??!!! Ich soll eine Hexe sein??!!!“, schrie sie völlig ungläubig.

      „Psst! Nicht so laut! Mortoluc darf uns nicht hören!“ Beschwörend wedelte Prof. Prof. Scribble mit den Armen. Hope griff sich an den Kopf: „Wer ist dieser Mortoluc — und wieso bin ich angeblich eine Hexe?! Dieser Tag bringt mich noch um den Verstand. Alle scheinen verrückt geworden zu sein! Und ich werde es auch gleich!“

      Prof. Prof. Scribble setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm und zeigte auf den leeren Platz neben sich: „Bitte setzen Sie sich zu mir. Miss Hopper, und seien Sie nicht so dramatisch. Ich kann Ihnen alles erklären, vorausgesetzt. Sie unterbrechen mich nicht dauernd. Also bitte, setzen Sie sich!“ Zögernd kam Hope dem Befehl nach. Sie verstand wirklich die

      Welt nicht mehr. Zauberer, Hexen? Vielleicht befand sie sich ja in einem Albtraum! Heimlich zwickte sie sich in den Arm. Aua, nein, sie träumte tatsächlich nicht! Diese Gestalten waren echt! Der angebliche Professor begann zu erzählen: „Was Sie jetzt hier erfahren werden, wird Ihr ganzes Leben verändern. Sie sind tatsächlich