Gabriela Hofer

Das Labyrinth der Medea


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Mr. Peterson, ich wusste doch, dass man sich auf Sie verlassen kann. Es ist gut, dass Sie wieder zurück sind, Prof. Prof. Scribble sucht, seit Sie weg sind, seine Hausschuhe. Er braucht sie dringend.“

      „Ach du meine Güte! Das hätte ich mir ja denken können. Dabei stehen sie ja dort, wo sie immer stehen. Ich muss sofort zu meinem Herrn zurück. Steigen Sie bitte alle aus.“

      Schnell öffneten sich die Autotüren und die Kids wurden ziemlich ruppig von unsichtbarer Hand hinausgeschoben. Sie verabschiedeten sich schnell von Mr. Peterson, und dieser erhob sich in die Lüfte. Bald war er nur noch ein kleiner Punkt am Himmel.

      Dr. Dummeros klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit der vier auf sich zu lenken: „Ich bitte Sie, mir zur Registratur zu folgen. In einer guten Stunde fliegt der Bus zur Schule ab. Während der Fahrt haben Sie dann die Möglichkeit, die anderen Erstklässler kennen zu lernen. Also bitte, gehen wir.“ Bevor noch einer der Freunde etwas einwenden konnte, lief sie den Weg, den sie gekommen war, wieder zurück. Abermals hatte sie freie Bahn durch das Marktgetümmel. Die Kinder achteten darauf, dicht bei ihr zu bleiben, sie hatten Angst, sich sonst zu verlieren. Viele interessierte Blicke folgten ihnen. Die Kids waren froh, als sie den Marktplatz hinter sich gelassen hatten. Nun schritt Dr. Dummeros schnellen Schrittes auf der nun vor ihnen liegenden schnurgeraden Straße dahin. Links und rechts der Straße erhoben sich wunderschöne alte Riegelhäuser. Vor einigen hingen schwere gusseiserne Schilder oder Gebilde, die genau darstellten, um welchen Laden es sich hier handelte. Zum Beispiel die Bäckerei: Diese erkannte man an einer großen über dem Eingang aufgehängten Brezel — oder die Metzgerei, dort hing ein Schild in Form eines Schweins. Die großen Laternen vor den Eingängen gaben den Häusern etwas Romantisches. Langsam ging den Kindern die Puste aus. Hoffentlich war es nicht mehr so weit bis zu dieser Registratur. Tatsächlich erschien vor ihnen schon bald ein großes villenähnliches Gebäude. Es war vierstöckig, links und rechts des großen Doppelportals erhoben sich zwei korinthische Säulen. Das Haus war eigenartig asymmetrisch, denn am linken Villenteil war noch eine Art Turm angebaut, der mit einem Kuppeldach endete. „Wow! Sieht krass aus!“ George musste den Kopf in den Nacken legen, um das ganze Gebäude in Augenschein zu nehmen. Auch die anderen waren beeindruckt.

      Dr. Dummeros scheuchte die Kids weiter, die drei Treppen zum Portal hoch. Dieses öffnete sich wie von Geisterhand und sie traten in eine große Halle, die ziemlich düster war.

      Die Freunde mussten zuerst ein paar Mal blinzeln, bevor sie alles deutlich sehen konnten. Auch innen war das Haus sehr imposant. Weit oben hing ein 20-strahliger Kristalllüster. Der Boden zeigte eine Anordnung von Platten in Schachbrettform in den Farben schwarz und rot. Die ganze rechte Seite wurde von einem hohen schwarzen Tresen eingenommen. Alle zwei Meter ragte eine Trennwand bis zur Decke. Hinter jedem Schalter stand eine riesengroße Gestalt. Alles an diesen Wesen schien zu groß geraten zu sein, die Hände, die Ohren, sogar die Nase. Alle hatten lange schwarze Haare und schwarze Augen. Links der Türe führten drei Türen in andere Räume, und ganz hinten schlängelte sich eine Wendeltreppe in die nächste Etage. Vor den Schaltern herrschte ein reges Treiben. Dr. Dummeros stellte sich mit den Kindern beim zweiten Schalter an. Keiner der Freunde sprach bis jetzt ein Wort. Die vielen neuen auf sie einstürzenden Eindrücke mussten zuerst verdaut werden.

      Als Dr. Dummeros endlich an der Reihe war, trat sie dicht an den Tresen und stieg auf eine Art Podest, damit sie überhaupt darüber hinwegsehen konnte. Je nach Größe des Kunden fuhr dieses Ding hinauf oder hinunter, und dies automatisch, ohne dass jemand etwas einstellte oder drückte. „Verrückt!“, dachte George und schloss irritiert einen Augenblick die Augen.

      Die Gestalt hinter dem Tresen lächelte Dr. Dummeros an: „Oh, schön Sie zu sehen, Alexis. Wie geht es in der Schule und Ihrer Schwester?“

      Dr. Dummeros übergab der Frau vier Zettel: „Es geht allen sehr gut, danke, Mrs. Polly. Ich habe hier noch vier Nachzügler. Bitte registrieren Sie sie so schnell wie möglich, denn sie müssen noch mit dem Bus mit. Ich gehe unterdessen schon mal nach oben. Ich hole die Kleider nachher ab, ist das in Ordnung?“ — „Sicher, Alexis, kein Problem. Das rothaarige Mädchen ist bestimmt Professor Pax’ Enkelin.“ Dr. Dummeros nickte mit dem Kopf: „Ja, da haben Sie Recht, Martha.“ Mrs. Polly hatte bereits begonnen alle Angaben einzutragen. Sie meinte: „Sie müssen nicht mehr hier vorbeikommen, denken Sie an Prof. Eifilis. Er beansprucht auch noch etwas von Ihrer kargen Zeit. Ich werde die Kleider in die Schule bringen lassen.“ Dr. Dummeros zeigte sich sehr erfreut über ihr Hilfsangebot. Sie verabschiedete sich un d scheuchte ihre kleine Schar weiter, die Wendeltreppe hoch. Endlich siegte bei Betsy doch die Neugier. Ihr Stimmverlust hatte also nicht lange gehalten: „Dr. Dummeros, werden wir bestimmte Kleider tragen? Also so eine Art Schuluniform?“

      „Ja, Miss McMore, in Hagith wird Uniform getragen: die Girls einen dunkelblauen Faltenrock und eine weiße Bluse, dazu einen schwarzen Umhang, schwarze Strümpfe und bequeme flache braune Schnürschuhe. Bei den jungen Herren sieht es so aus: schwarze lange Hosen, weißes Hemd, schwarzer Umhang und ebenfalls die gleichen Schuhe wie die Mädchen. Es muss also nicht schön, aber funktionell sein.“

      Betsy schluckte laut. Dies klang ja nicht gerade vielversprechend! Sie sah an Hopes Gesichtsausdruck, dass sie dieses Outfit auch nicht sehr sexy fand. Die Jungs schienen mit ihren Uniformen zufrieden zu sein.

      Unterdessen hatten sie die obere Etage erreicht. Verblüfft blieben die Freunde stehen. Mit offenem Mund sahen sie sich um, während Dr. Dummeros unbeirrt weiterging bis zu einem Typen, der beinahe so aussah wie der Busfahrer, nur waren seine Haare gelb! Als er Schritte hörte, drehte er sich um: „Ah, Alexis, es ist schön, Sie mal wieder zu sehen. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Dr. Dummeros lächelte ihm zu: „Ich freue mich auch. Wie Sie sehen, habe ich noch vier neue Schüler, die einen Zauberstab brauchen. Ich würde so gerne mit Ihnen plaudern, leider reicht die Zeit nicht. Der Bus fliegt schon bald ab, und ich muss noch zu Professor Eifilis.“ Er schob schnell die Schublade zu und wandte sich an die Freunde: „Sie wollen also auch Hexen und Zauberer werden? Sie sind also die Neuen aus der Menschenwelt. Dann wollen wir mal sehen, welcher Zauberstab sich zu wem hingezogen fühlt. Sie sehen hier drei Wände mit Regalen bis zur Decke mit vielen Schubladen; in diesen Schubladen liegen Zauberstäbe. Auf der linken Seite finden Sie die leicht zu beherrschenden Stäbe, hier, wo ich jetzt stehe, sind die etwas schwerer zu führenden Zauberstäbe und rechts von mir liegen die ausgesprochen dominanten. Es tritt nun jeder einzeln vor und stellt sich auf das Podest vor der entsprechenden Seite. Wir beginnen immer mit der leichten, also linken Seite. Wenn keine Reaktion von einem der Zauberstäbe erfolgt, geht man eine Stufe weiter. Also, wer möchte beginnen?“ Als niemand reagierte, trat schließlich Betsy nach vorne. Das Beinahe-Skelett nickte ihr aufmunternd zu: „Junge Lady, wie ist Ihr Name?“ Schüchtern — eine Emotion, die Betsy sonst bei sich überhaupt nicht kannte — nannte sie ihn. „Ein hübscher Name für eine hübsche Lady. Bitte steigen Sie auf das Podest.“ Betsy befolgte den Befehl zögernd. Nichts geschah. Sie ging weiter zum nächsten, wieder nichts. Erst beim dritten Podest geschah es. In einer der Schubladen begann es zu rumpeln und rütteln. Ein Blitz zuckte aus der sich öffnenden Lade und ein roter Zauberstab schwebte langsam hinaus direkt zu Betsy hin, die erschrocken den Kopf eingezogen hatte, als der Blitz erschien. Zögernd ergriff sie ihn. Einer nach dem anderen tat es ihr gleich. Erstaunlicherweise bekamen alle einen dominanten Zauberstab, bei Hope war es sogar noch interessanter: Ihrer hatte als Einziger eine goldene Farbe. Mr. Voodux, so hieß der Meister der Zauberstäbe, erklärte ihr wieso. Es war der Stab, der ihrer Mutter gehört hatte. Seit ihrem Tode wurde er nie mehr gebraucht — bis heute.

      Ein Blick zur Uhr veranlasste Dr. Dummeros ihre Schäfchen schon wieder zur Eile anzutreiben. Sie bedankte sich noch einmal bei Mr. Voodux, die Kids winkten ihm zu und schon ging es die Treppe wieder hinunter ins Erdgeschoss. Diesmal jedoch blieben sie auf der Seite, wo die Türen waren. Bei der letzten vor dem Portal blieb Dr. Dummeros stehen.

      „Wohin gehen wir denn jetzt noch?“, fragte diesmal nicht Betsy, sondern Hope. Neugierde schien also doch eher ein weibliches Attribut zu sein. Auch diese Türe schwang wie durch Zauberhand auf. Dr. Dummeros trat hindurch, bevor sie antwortete: „Wir müssen noch die letzte amtliche Stelle aufsuchen. Wir gehen jetzt zur Besenausgabenstelle. Diese befindet sich im von außen zu sehenden runden Anbau. Für das reibungslose