Jean-Pierre Kermanchec

Blutspur in Locronan


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für Alice Branilec. Er war bis jetzt ein eingefleischter Single gewesen, aber mit dieser Frau konnte er sich durchaus vorstellen, etwas Gemeinsames zu beginnen. Mit seinen 42 Jahren wurde es langsam Zeit, falls er wirklich an eine Familiengründung dachte. Aber natürlich musste er sie erst besser kennenlernen und feststellen, ob auch er ihr sympathisch war.

      „Das können wir gerne machen, ich habe mir heute frei genommen. Normalerweise werden mir die Wochenenddienste angedreht, weil ich ja schließlich keine Familie habe die zu Hause auf mich wartet. Aber an diesem Wochenende habe ich mir frei genommen, um meinen Vater in der Klinik besuchen zu können.“

      „Abgemacht, ich freue mich schon auf das Ende des Spiels!“

      „Aber nur wenn Brest auch gewinnt!“

      Alice Branilec lachte und zeigte dabei ihre makellosen Zähne. Ein Bekannter von Paul hatte so ein gleichmäßiges Gebiss einmal als Hollywood-Gebiss bezeichnet. Paul musste jetzt daran denken.

      Das Spiel entwickelte sich zäh. Niort war drauf und dran ein Tor zu schießen, und Brest schien den Rückwärtsgang eingelegt zu haben, anstelle Angriffe auf das Tor von Niort zu starten. Die erste Halbzeit endete wenigstens mit einem Unentschieden. Keine Seite konnte einen Treffer erzielen. In der zweiten Hälfte kam, in den Trikots von Brest, eine neue Mannschaft auf den Rasen, wenigstens hatte es den Anschein. Jetzt brach ein rechter Sturmlauf über die Mannschaft von Niort herein. Angriff über Angriff rollten auf das gegnerische Tor, und der Torhüter von Niort hatte alle Hände voll zu tun, um den Ball nicht hinter die Torlinie kommen zu lassen. Doch in der sechzigsten Minute war es dann soweit. Brest ging in Führung, und Paul wäre am liebsten seiner schönen Nachbarin in die Arme gefallen. Als das Spiel dann abgepfiffen wurde, konnte Brest den Platz als Sieger verlassen. Mit drei zu Null entschied die Mannschaft das Spiel für sich, und Paul war bester Laune.

      „Dann können wir uns jetzt froh gelaunt auf den Weg machen und uns einen Drink genehmigen“, meinte Paul und sah Alice Branilec mit freudigem Gesichtsausdruck an.

      „Mit einem Drink bin ich vorsichtig, ich muss noch Autofahren, und wir Polizisten sollten beim Thema Alkohol Vorbild sein.“

      Paul ärgerte sich wegen seiner saloppen Ausdrucksweise und korrigierte sich sofort.

      „Da haben Sie absolut Recht, eine Tasse Kaffee wäre bestimmt besser geeignet.“

      Gegenüber des Stadions, in der Rue de Quimper, gab es eine kleine Bar, le Penalty. Nicht unbedingt der schönste Platz, um eine Frau zu einer Tasse Kaffee einzuladen aber die einfachste Möglichkeit, wenn man das Auto stehenlassen wollte. Alice Branilec war mit dem Vorschlag sofort einverstanden, schließlich ging es nur darum, mit einem Kollegen über die tägliche Arbeit auszutauschen. Sie überquerten die Straße und betraten die Bar, eine Bar-Tabac. Hinter der Verkaufstheke stand ein Mann, der gerade dabei war, einem Kunden diverse Zeitschriften zu verkaufen. Paul Chevrier und Alice Branilec gingen an einen freien Tisch und nahmen Platz. Eine junge Bedienung kam sofort an ihren Tisch und Paul gab, nach nochmaliger Rücksprache mit Madame Branilec, die Bestellung von zwei Kaffee und zwei Wasser auf.

      Kapitel 4

      Ewen Kerber stellte den Wagen vor der Garage seines Hauses ab und stieg aus. Er hatte ein mulmiges Gefühl im Magen. Er sollte früher nach Hause kommen, weil es etwas zu feiern gab. Aber es war ihm beim besten Willen nichts eingefallen, was er vergessen haben konnte. Er näherte sich der Eingangstür und zog den Hausschlüssel aus der Hosentasche.

      Die Tür ging auf und Carla stand, strahlend vor Glück, in der Tür, um ihn zu begrüßen, was Ewen noch mehr irritierte.

      „Schön, mein Schatz, dass du es ermöglicht hast, pünktlich nach Hause zu kommen“, begrüßte Carla Ewen und gab ihm einen Kuss.

      „Habe ich doch gerne getan, mein Liebling. Aber mir ist einfach nicht eingefallen, was für ein besonderer Tag heute ist. Ich hoffe, dass du mir meine Vergesslichkeit verzeihen kannst.“

      „Ach, Ewen, du bist doch gar nicht so vergesslich, wenigstens nicht im Beruf. Aber ich kann dich trösten, du hast keinen Gedenktag oder Geburtstag vergessen. Komm doch zuerst ins Haus.“

      Ewen war noch etwas verwirrter. Was wurde denn dann gefeiert?

      Ewen legte sein Sakko ab und hing es an der Garderobe auf. In seinem Haus gab es keinen Besucherstuhl, über den er es hätte hängen können. Dann ging er die drei Stufen hinunter ins Wohnzimmer. Die Terrassentür stand offen und er konnte sehen, dass auf dem Gartentisch bereits Gläser standen. Er ging durch die Tür und erkannte Marie, Carlas Tochter, und ihren Freund Pierre. Pierre Torc´h und Marie waren jetzt schon seit zwei Jahren befreundet, und es schien, dass die beiden Menschen sich gut verstanden.

      „Bonjour Marie“, begrüßte Ewen Carlas Tochter und gab ihr die üblichen zwei Wagenküsse.

      „Bonjour Pierre“, sagte er dann zu ihrem Freund und reichte ihm die Hand. Carla betrat jetzt die Terrasse und hielt eine Flasche Champagner in der Hand.

      „Wärst du so nett uns die Flasche zu öffnen“, fragte sie Ewen und reichte ihm den gut gekühlten Champagner.

      „Selbstverständlich, das mache ich sehr gerne. Aber kann mir einer sagen, was wir heute feiern?“

      „Hab noch etwas Geduld, mein Schatz“, meinte Carla und schob das Tablett mit den Gläsern näher zu Ewen. Ewen füllte die vier Gläser und achtete darauf, dass möglichst kein Glas überlief. Er musste schon sehr achtgeben, Ewen hatte den Hang, den Champagner zu schnell ins Glas zu schütten, so dass beinahe regelmäßig das eine oder andere Glas überlief, und das kostbare Nass verloren ging. Doch heute schaffte er es ohne einen Tropfen auf das Tischtuch geraten zu lassen. Carla verteilte die Gläser, und als jeder sein Glas in Händen hielt, setzte Carla zu einer kleinen Ansprache an.

      „Liebe Marie, lieber Pierre, ich freue mich, dass ihr euch entschlossen habt, zukünftig gemeinsam euer Leben zu gestalten. Ich wünsche euch alles erdenklich Gute für die gemeinsamen Jahre die jetzt vor euch liegen. Ich denke, dass ich auch im Sinne von Ewen spreche, wenn ich sage, dass ich, dass wir uns enorm freuen über diesen Schritt. Santé und auf eure Verlobung!“

      Jetzt war es raus. Marie und Pierre feierten heute ihre Verlobung. Carla hatte es am frühen Nachmittag erfahren und spontan die Einladung zu einem familiären Umtrunk ausgesprochen.

      „Ich gratuliere euch von ganzem Herzen“, sagte der erstaunte Ewen und ging zu Marie und gab ihr zwei Küsse auf die Wagen und reichte Pierre die Hand für die Wünsche.

      „Auf euch!“, sagte er und hob sein Glas.

      „Das ist dir wirklich gelungen, Carla. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Marie und Pierre sich heute verloben.“

      „Hast du mir das nicht zugetraut, Ewen?“, fragte Pierre.

      „Aber natürlich, Pierre, aber ich habe im Moment nicht daran gedacht. Ihr habt in den letzten Wochen keinerlei Andeutungen gemacht.“

      „Es ist auch für mich eine Überraschung gewesen, Ewen“, sagte Marie.

      „Pierre hat mir am Morgen einen Heiratsantrag gemacht und mir diesen Ring geschenkt.“

      Marie streckte ihm die linke Hand entgegen, an der ein Diamantring steckte, der im Licht der Sonne funkelte. Ewen beugte sich zu der Hand und sah sich den großen Stein genau an.

      „So einen ähnlichen Ring habe ich deiner Mutter auch gekauft, als wir uns vor einigen Jahren zur Heirat entschieden haben.“

      Ewen nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas, während Carla den bereits vorbereiteten Teller mit den amuses gueules an Marie, Pierre und Ewen reichte. Sie hatte gefüllte Crêpes vorbereitet, die Ewen so sehr schätzte. Die Füllung aus Frischkäse und geräucherten Lachsscheiben hatte sie dieses Mal mit geräuchertem Lieu jaune gemischt.

      „Das schmeckt ja vorzüglich“, meinte Ewen nach dem Genuss des ersten Häppchens.

      Carla kannte Ewens Geschmack mittlerweile sehr gut und war