nicht mal, dass Schnee existiert, bevor ich nach New York gezogen bin“, sagte sie lachend und faltete den nun leeren Karton zusammen. Schmunzelnd zog ich den nächsten Karton zu mir, der mit meinem Namen beschriftet war. Ich hatte mich schon längst auf den Boden gesetzt, da der Umzug bis jetzt extrem anstrengend gewesen war – auch wenn ich selten etwas aufbaute. Ich war nur froh, dass es bald zu Ende sein würde und ich anfangen konnte in dieser Wohnung zu leben.
Ich öffnete gerade den neuen Karton, als Haven im Türrahmen erschien.
„Hi“, grinste er und ging neben mir in die Hocke, damit wir auf Augenhöhe waren. Ich beugte mich vor, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, bevor ich mich wieder meiner Aufgabe zuwandte. „Ich wollte nur schauen, ob ihr beiden klarkommt.“
Ich wechselte einen Blick mit Pam aus. „Ja, danke Haven. Wir Mädels kommen auch mal ohne die großen, starken Jungs aus.“ Ich zwinkerte meinem Freund zu. Lachend sah er mir zu, wie ich die Kleidungsstücke aus dem Karton neu faltete und dann in den Schrank räumte.
„Gut. Sag mal, ist das nicht meiner?“ Verdutzt hielt ich inne und sah dann zu dem Pullover, der noch in meinen Händen lag. Ich faltete ihn auseinander und schmunzelte dann, als ich das verwaschene Motiv betrachtete. „Ich dachte, ich hätte ihn irgendwo verloren.“
„Du hast ihn mir ausgeliehen und ich habe ihn mit nach Kanada genommen“, sagte ich leise und stich über den Stoff des Pullovers. Wie oft hatte ich ihn übergezogen, wenn mir kalt war oder ich mich nach meinem Zuhause, nach Haven sehnte. Das Kleidungsstück war mir viel zu groß – wie alles aus Havens Schrank –, jedoch war es genau das, was es so gemütlich machte.
Lächelnd drückte Haven seine Lippen an meine Schläfe. „Behalte ihn. Bestimmt passt er mir nicht mehr.“ Ich wusste, dass dies eine Lüge war. Haven war in meiner Abwesenheit nicht wirklich größer geworden, jedoch hätte ich den Pullover sowieso nicht zurückgegeben. Er gehörte nun mir, ganz allein.
„Zeke sagt, Lilacs Zimmer ist bald fertig.“
„Ach, der Herr hat also seine Höhle verlassen?“, hakte Pam nach, die bereits den Karton mit meinen Hosen gefunden hatte und diese nun einordnete. „Ich liebe Zeke ja wirklich, aber wenn er in seiner Kunstwelt ist, kann ich ihn nicht ausstehen.“
„Ich weiß, was du meinst“, erwiderte ich und verknotete meine Beine zum Schneidersitz. „Wenn Haven seine Kamera in der Hand hat, entwickelt er diesen Tunnel-Blick und alles außer seinem Motiv ist ihm egal. Letzte Woche wäre Ly beinahe in einen Teich gefallen, aber Haven hat sich nur für diese Blume interessiert.“
„Es war eine schöne Blume“, protestierte Haven, doch ich schüttelte bloß lachend meinen Kopf. Er würde es wohl nie schaffen, mich für die Fotografie zu begeistern. Klar war es toll, hin und wieder ein Foto von schönen Momenten zu machen. Aber mehr auch nicht. „Ich sehe, diese Konversation wendet sich gegen mich, also gehe ich lieber.“ Haven machte Anstalten sich aufrecht hinzustellen, doch bevor er dies tun konnte, tippte ich auf meine rechte Wange. Lachend küsste mein Freund die Stelle und verließ dann den Raum. Dass Pam mich lächelnd betrachtete, bemerkte ich erst wenige Sekunden später, als ich bereits wieder meine Kleidung zusammenfaltete.
„Was ist?“
Pam schmunzelte. „Man kann gar nicht glauben, dass ihr erst zwei Monate zusammen seid. Ihr seid so … vertraut. Zeke und ich waren zu der Zeit dauernd nervös und haben uns gegenseitig aus Versehen getreten.“ Ein Lachen entwich meiner Kehle, als ich versuchte mir diese Szenarien vorzustellen. Zeke und nervös? Er war zwar eher ein ruhiger Mensch, soweit ich das mitbekam, aber er war weder schüchtern, noch unsicher.
„Pam, ich kenne Haven seit ich vier Jahre alt war. Ich weiß, dass mir bei ihm nichts peinlich sein muss … naja fast.“ Grinsend schüttelte ich meinen Kopf. Haven und ich hatten nur wenige Tage gebraucht, um die ganze ‚Beziehungs-Kiste‘ ins Rollen zu bringen. Es wurde natürlich, ihm einen Abschiedskuss zu geben oder nach seiner Hand zu greifen. Es wurde auch natürlich, Lilac die Haare zu flechten und Haven beim Kochen zu helfen. Es wurde natürlich, Haven zu lieben.
II
[21. August, 2016]
Nala stieß einen leisen Pfiff aus, nachdem sie sich staunend umgesehen hatte. Ich konnte es ihr nicht verdenken, schließlich war dies auch meine erste Reaktion gewesen.
„Das ist … schön“, sagte sie schließlich und steckte ihre Hände in ihre Hosentaschen. „Ich mag die Farben und die schwimmenden Einhörner sind auch ziemlich toll.“ Zeke hatte Lilacs Zimmer in eine Unterwasserwelt verwandelt. Man kam sich vor wie im tiefsten Meer und um einen herum schwammen jegliche Meereskreaturen, die man sich vorstellen konnte. Delfine, Fische, Wale, Kraken und sogar das Loch Ness Monster hatte seinen Platz gleich am Türrahmen.
„Das sind keine Einhörner“, protestierte Lilac sofort, die bis gerade eben ihre Kuscheltiere geordnet hatte, während ich meiner besten Freundin Zekes Malerei zeigte. „Das sind Hippocampi aus der griechischen Mythologie. Vorne Pferd, hinten Fisch und kein Horn.“ Lilac bedachte Nala mit einem strengen Blick und ich musste mir ein Lachen verkneifen, da es schon sehr amüsant war, wie Nala dann genervt mit den Augen rollte.
„Das Kind hat Fantasie“, murmelte sie beim Verlassen des Zimmers. „Meerjungpferde und was kommt als nächstes? Werpferde oder Vampferde?“
Dieses Mal konnte ich mein Lachen nicht zurückhalten. „Wie wäre es mit Pferdefeen? TinkerBell, verstehst du? Da gibt es doch diese Rasse -“
„Jetzt ist es nicht mehr lustig, Roo“, sagte Nala kopfschüttelnd und ging zurück ins Wohnzimmer, wo Haven und Cam bereits Kisten auspackten. Ein Seufzen entwich meiner Kehle. Mir kam es vor, als hätte ich in den letzten Stunden nichts anderes gemacht, als Kisten auszupacken – was ja auch die Wahrheit war. Ich konnte wetten, jemand hatte über Nacht weitere 20 Kisten dazu gestellt. Ich würde wohl für den Rest meines Lebens Kartons auspacken.
„Erde an Rubie?“, riss mich Haven aus meinen Gedanken und ich sah ihn ertappt mit gehobenen Augenbrauen an. Schmunzelnd strich der Braunhaarige über meine Wange, bevor er sich zu mir herunterbeugte und seine Lippen auf meine legte. Auch wenn seine Küsse Gewohnheit für mich wurden, hieß das nicht, dass ich nicht jedes Mal zu einem schmelzenden Marshmallow mutierte. Ich war so in meinen Glücksgefühlen versunken, dass ich gar nicht bemerkte, wie Haven seine Lippen von meinen löste. „Na komm, sonst frisst uns Nala noch auf.“
„Das tue ich wirklich“, stimmte Nala ihm nickend zu und deutete auf jede Person im Raum. „Seht euch vor.“ Cam, welcher direkt hinter ihr stand, rollte nur lächelnd mit den Augen. Er hob den Karton vor sich hoch und warf Haven und mir einen fragenden Blick zu.
„Wo sollen die Handtücher hin?“
„Blauer Schrank im Bad“, antworteten wir unisono und tauschten daraufhin einen belustigten Blick aus. Cam verschwand mit unseren Handtüchern, während Nala ebenfalls Gefallen an ihrem eigenen Karton fand. Schnell wurde mir auch bewusst warum. Sie hatte die Kiste mit den ganzen Fotoalben abbekommen.
„Haven als Baby, seht euch das mal an“, stieß sie verzückt aus und setzte sich mit dem geöffneten Buch auf unser Sofa, das heute Morgen erst geliefert wurde. Mein Freund seufzte tief, doch ich hatte mich bereits neben Nala fallen lassen.
„Oh, wie süß“, lachte ich. Einige der Fotos hatte ich bereits gesehen – Marie, Havens Mutter, liebte es Haven in Verlegenheit zu bringen. Und dies gelang ihr am besten, indem sie seinen Freunden Fotos zeigte, auf denen er als Dalmatiner verkleidet war.
„Damals noch mit Pausbäckchen, Stupsnase und fehlenden Zähnen.“ Grinsend nahm meine beste Freundin eines der Fotos in ihre Hand und hielt es dann neben Havens Gesicht. „Und jetzt? Jetzt besteht er nur noch aus einem umwerfenden Kieferknochen, Grübchen, Locken und diesen Augen.“ Amüsiert beobachtete ich wie meine Freundin ihr Gesicht verzog, als Cam genau in diesem Moment den Raum betrat.
„Ich habe nichts gehört“, sagte der Blondhaarige, während Haven und ich uns ein Lachen verkneifen mussten. Havens Grübchen bohrten sich in seine