grinste Jada. „Ich weiß nicht, ob Rubie es dir erzählt hat, aber ich bin ja schon vor drei Wochen zu Adam gezogen. Ich bin immer noch dabei mich an die andere Stadt zu gewöhnen, aber so langsam kenne ich mich aus. Wenn ich sonst Adam besucht hatte, musste ich ja nie viel durch die Stadt, weswegen ich davor wirklich keinen Plan von irgendwas hatte. Und ich sage euch: Mit Adam zusammenzuleben ist so … einfach. Mir war nie bewusst, wie gut unsere Morgenroutinen zusammenpassen oder wie gut uns diese Zweisamkeit tut. Nichts gegen dich Haven, ich liebe dich und Lilac wirklich sehr, aber … Ich bin jetzt bald 28 Jahre alt, es wird Zeit, dass ich mich niederlasse. Und nicht in der Wohnung meines Bruders.“ Ich sah zu meinem Freund, welcher wissend lächelte. Wir beide hatten bereits ein Gespräch über dieses Thema gehabt, in welchem Haven erwähnt hatte, dass er dankbar war, für alle Jahre die Jada bei ihm geblieben war. Und ich war es auch. Jemand hatte ja auf Haven aufpassen und ihm, wenn notwendig, einen Klapps auf den Hinterkopf geben müssen.
„Ich freue mich für dich“, sagte der Lockenkopf ehrlich und beugte sich leicht über den Tisch, um Jadas Schulter zu streichen. Mit meinen Fingern tätschelte ich ebenfalls Havens Bein, um ihm zu zeigen, dass ich bei ihm war. Er sollte wissen, dass er nicht alleine war ohne Jada. Er hatte mich, er hatte Lilac und noch viele Freunde, die ich nicht mal alle kannte.
„Ich mich doch auch für dich.“ Jada deutete erst auf Haven und mich und dann warf sie noch Lilac einen langen Blick zu. Das Mädchen war vollkommen auf ihr Essen konzentriert. Man könnte meinen, sie bekam bei uns sonst nichts. „Ihr könnt euch endlich ein Zuhause erschaffen. So wie ihr es schon immer wolltet. Das habt ihr verdient.“
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg und senkte verlegen den Blick. Die Worte schon immer hallten in meinem Kopf nach. Ja, vielleicht wollte ich schon immer mit Haven ein Leben führen. Allerdings hatte ich als Kind ganz andere Gründe dafür gehabt. Das ließ sich nicht mit heute vergleichen – eigentlich.
„Wo wir schon davon reden“, setzte Nala plötzlich an. In ihren Augen erkannte ich das freche Funkeln, dass sie schon in der Schule bekam, bevor sie irgendetwas vorschlug. Normalerweise hatte dieses irgendetwas uns in Schwierigkeiten gebracht, weswegen ich nun etwas skeptisch war. „Wann hattet ihr beide eigentlich das letzte Mal einen Abend zu zweit?“
Ich atmete erleichtert aus. Es war kein Diebstahl geplant und Nala wollte auch nicht auf das Empire State Building klettern. Vielleicht würde sie ja doch langsam erwachsen werden. Vielleicht aber auch nicht.
„Ich weiß nicht“, antwortete ich letztlich achselzuckend. „Aber ich glaube, wir haben das auch gar nicht so nötig.“ Ich sah fragend zu meinem Freund, welcher zustimmend nickte. Es stimmte schon das wir selten ein Date gehabt hatten, bei dem Lilac nicht dabei gewesen war. Allerdings mochte ich den kleinen Sonnenschein und ihre Anwesenheit störte mich nicht.
„Oh doch“, unterbrach Nala meinen Gedankengang. Ihr strenger Blick konnte wohl eine ganze Horde Kinder still kriegen. „Ihr beide braucht das. Wie wäre es, wenn ich Lilac nächste Woche von der Schule abhole und sie dann bei uns übernachtet?“
„Ich weiß nicht“, sagte Haven zögernd und wir sahen zu seiner Tochter, welche immer noch nur Augen für ihre Spaghetti zu haben schien. Dass man mittlerweile über sie sprach, schien ihr egal zu sein.
Nala stupste Lilac an die Schulter. „Wie fändest du das, Lilac? Eine Übernachtungsparty bei mir und meiner Mitbewohnerin?“
Lilac schien für einige Sekunden zu überlegen, bevor sie enthusiastisch nickte und meiner besten Freundin ein breites Lächeln schenkte. „Schauen wir auch Disney Filme?“
„So viele du willst.“
„Auch König der Löwen? Da heißt ein Löwe wie du.“ Schmunzelnd beobachtete ich, wie Lilacs blaue Augen noch größer wurden, als Nala daraufhin nickte. Plötzlich war ihr Essen gar nicht mehr so interessant und sie wandte sich an ihren Vater. „Darf ich, Daddy? Bitte?“
Lilac schob schmollend ihre Unterlippe vor und blinzelte Haven lieb an. Haven stieß ein tiefes Seufzen aus. Er wusste, er konnte nicht nein sagen.
IV
[5. September, 2016]
Mit einem leisen Klirren ließ ich meine Schlüssel in die grüne Keramikschale auf der Kommode im Flur fallen. Es war still in der Wohnung, was mich nicht sonderlich überraschte. Haven war noch auf Arbeit und Lilac verbrachte die Zeit nach der Schule bei ihrer Freundin, bis Haven sie abholte, weswegen ich noch ein bisschen Zeit für mich hatte. Es war gerade einmal später Nachmittag – ich hatte etwas früher gehen können –, deshalb entschied ich mich für eine Dusche. Manchmal duschte ich schon im Krankenhaus, allerdings waren die Duschen dort so klein und eng, dass selbst ich Klaustrophobie bekam.
Ich stellte also meine Tasche ab und begab mich ins Badezimmer. Ich schlüpfte aus meiner Kleidung, welche ich gleich in den Wäschekorb warf, legte mir ein Handtuch hin, schaltete die Dusche ein und stieg unter das prasselnde Wasser. Es dauerte einen Moment, bevor es die gewünschte Temperatur erreicht hatte, allerdings machte es mir nichts aus, auch mal unter dem kalten Wasser zu stehen. Während mir der Duft von meinem Aprikosen-Shampoo in die Nase stieg, summte ich leise ‚Jingle Bells‘ vor mich hin. Heute war kein zu stressiger Tag gewesen und doch fühlte ich mich trotzdem viel entspannter, als ich einige Minuten später aus der Dusche stieg. Ich trocknete meine Haare spärlich mit dem Handtuch, bevor ich es um meinen Körper wickelte und das Bad verließ.
„Hey, Rubie.“ Ich erschreckte mich so sehr vor Lilac, die plötzlich vor mir stand, dass ich beinahe mein Handtuch fallen ließ. Keuchend krallte ich meine Finger in den Stoff und starrte das kleine Mädchen.
„Mon Dieu, Ly, hast du mich erschreckt“, sagte ich, nachdem ich einen tiefen Atemzug genommen hatte. Mittlerweile umfasste ich mein Handtuch nicht mehr so fest, nur noch so, dass es nicht runterrutschen konnte.
„‘Tschuldigung, Rubie.“ Lächelnd fuhr ich durch Lilacs Haar und tätschelte ihre Wange. „Daddy hat mich früher abgeholt.“
„Habe ich mir schon gedacht“, lachte ich, drückte der Blondine einen Kuss auf den Haarschopf und machte mich wieder auf den Weg ins Schlafzimmer. Dass Haven dort bereits vor seinem Kleiderschrank stand, erschreckte mich nun nicht mehr.
„Hey, Bee“, lächelte er mich sanft an, während er versuchte eine Krawatte zu binden. Er trug selten eine Krawatte zu seinem Anzug, wenn dann hatte er Fliegen lieber. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
„Deine Tochter hat mich gerade so sehr erschreckt, dass mir fast mein Handtuch runtergerutscht ist.“ Lachend drehte ich mich zu meinem eigenen Kleiderschrank und suchte mir neue Unterwäsche raus. Haven stieß hinter mir ein leises Schnauben aus.
„Das hätte ihr weniger ausgemacht als dir, vermute ich“, sprach er meine Gedanken aus. Ich nickte schmunzelnd. Lilac war schließlich ein Kind. „Mir hätte es im Übrigen auch nichts ausgemacht.“ Ich sah über meine Schulter zu ihm, nur um ein Zwinkern von ihm zu erhaschen. Ein Kichern verließ meine Lippen. Mittlerweile hatte ich die Unterwäsche angezogen und wühlte nach einem bequemen Shirt zum Tragen. Ich erschreckte mich nicht, als Haven plötzlich hinter mir stand und meine nackte Schulter küsste. Auf meinen Armen breitete sich eine Gänsehaut aus und ich drehte mich zu ihm, um meine Arme an seinem Nacken zu verschränken.
„Ich muss gleich nochmal los zu einem Kunden“, seufzte er und ich konnte in seinem traurigen Blick erkennen, wie gerne er bei mir und Lilac bleiben würde. Ich lächelte ihn aufmunternd an und fuhr durch die strubbeligen Haare an seinem Hinterkopf. „Kannst du Lilac etwas zum Abendessen machen?“
„Klar“, antwortete ich sofort, damit sich Haven keine weiteren Sorgen machte. „Ich bringe sie dann auch ins Bett, wenn du noch nicht da bist.“
„Okay.“ Haven nickte langsam, löste sich von mir und griff nach seinem Sakko, der auf dem Bett lag. Überraschenderweise war der Sakko schlicht weiß und hatte kein riskantes Muster. Haven war der Meister der Muster. Neben seinen schlichten weißen und schwarzen Shirts lagen im Schrank auch Grüne, Gelbe, Pinke mit