Silvio Z.

Der Schlamp


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fest, aber eben, der Inhalt wollte einfach nicht so schnell gelingen.“

      Leo nickte, sich auf die Fahrt freuend, Silvio zu. „Auf wie viele Geschichten darf ich mich freuen?“, fragte Leo und ich wusste, dass er eigentlich wissen wollte, mit wie vielen Frauen ich etwas hatte.

      „Keine Ahnung, wie viele Geschichten mir in den Sinn kommen, aber wenn du wissen willst, mit wie vielen Frauen ich etwas hatte – ich weiß es nicht und die Zahl ist mir auch nicht wichtig, schon lange nicht mehr.

      Das war in jungen Jahren einmal anders, aber irgendwo so um die zwanzigste Erfahrung habe ich bemerkt, dass die Anzahl nicht wichtig ist für mich, eher für mein Umfeld, in dem ich mich so zwischen meinem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr bewegte.

      Diese Umgebung in den Achtzigerjahren hat mich sicher auch getrieben und geprägt. Ob im Guten oder Schlechten will ich nicht beurteilen, denn alle Erfahrungen haben aus mir das gemacht, was ich heute bin.

      Und ob ich gut oder schlecht bin, sehen einige so und andere anders. Wichtig ist mir heute nur noch, dass ich mit dem, was ich tu, zufrieden bin. Ob es eher gut ist oder schlecht, so nach dem Motto: Wenn es dich nicht mehr kümmert, was andere von dir denken, hast du die höchste Stufe der Freiheit erreicht.“

      „Tönt für die Reise vielversprechend“, verabschiedete sich Leo.

      Silvio ging nach Hause, legte sich Papier und Schreibzeug zurecht und machte sich einige Stichworte, die es vielleicht einmal zu Überschriften in einer kleinen Geschichte bringen würden.

      Sie trafen sich am frühesten Morgen und fuhren los. Silvio setzte sich gleich hinter das Steuer und begann kurz nach der Auffahrt auf die Autobahn bei Baar mit einer seiner Frauen- und Liebeslebensgeschichten.

      „Nun Leo, ich bin nicht mehr so sicher, ob ich nichts vergesse, aber ich versuche, meine Geschichten einigermaßen in der richtigen Reihenfolge zu erzählen und das Unwichtige auszulassen.

      Jedoch habe ich schon beim Notizen machen bemerkt, dass ich manchmal quer durch die Zeit reise, je nachdem, welche Begebenheit mir gerade in den Sinn kam.

      Ich beginne aber gleich mit dem Erlebnis, an welches ich mich vor kurzer Zeit, sozusagen aus aktuellem Anlass, der auch so eine Geschichte war, erinnert hatte.

      Es war während meines Militärdienstes, den ich in Lausanne absolvierte. Ich habe mir ein paar Stichworte gemacht, aber ich fange einfach einmal an.“

      Der Schwur

      „Nie mehr. Ganz bestimmt nie mehr!“

      Ich schwor es mir noch in der selben Woche:

      „Nie mehr eine verheiratete Frau.“

      Was heißt da nie mehr, es war meine erste verheiratete Frau.

      Als ich noch auf der Behandlungsbank des Arztes in Pully bei Lausanne lag, während mich die beiden hübschen Arzthelferinnen erst vom Blut befreiten und der Arzt mir dann mit einigen Stichen die Wunden am Kopf und den Armen so fein wie möglich versorgte, war dies einer meiner vielen Gedanken ….

      Ich hatte es nicht gewusst. Alles fing so harmlos und gut an.

      Aber ich beginne doch noch ein paar Monate vorher mit der Vorgeschichte. Auf die Messerstechergeschichte komme ich danach zurück. Zuerst mal etwas aus dem Abstecher in die Anfänge und in die Psychiatrie – hast du das Wortspiel bemerkt?

      „Aber hallo Abstecher – Messerstecher - ich bin wach“, antwortete Leo vom Beifahrersitz. „Bisher habe ich aber noch nichts Außergewöhnliches gehört.“

      „Stimmt, aber ich muss zuerst auch ein wenig meine Gedanken sortieren und habe beim jetzt dir erzählen bemerkt, dass es für „Nichtmiterlebende“ einfacher ist, wenn sie meine Anfänge auch etwas ausführlicher kennen.

      „Also gut, zuerst ein kleines Vorspiel, aber dann in die Vollen, bitte,“ lächelte Leo.

      Vorspiel

      Ganz langsam, ich komme erst mal zum Vorspiel und steigere dann ganz langsam die Geschichten.

      Ich war knapp zwanzig Jahre alt, hatte eine kaufmännische Lehre hinter mir und wollte nach dem Militärdienst entweder die Matura nachholen, um danach Psychologie zu studieren oder dann im Bereich Marketing arbeiten um, wenn möglich, Karriere und viel Geld zu machen.

      Da nach der besagten Lehre und so kurz vor dem Militärdienst die Übergangsjobsuche in diesen Jahren ziemlich schwierig war, nahm ich gerne das Angebot des Vaters meiner Ex-Freundin an, mir in einer Klinik einen Übergangsjob zu organisieren.

      Ich begann in einer psychiatrischen Klinik als „Springer/Hilfspfleger/Mädchen für alles“ zu arbeiten, um die Verschiedenartigkeit der Menschen, die verschiedenen Berufe innerhalb einer psychiatrischen Klinik besser kennenzulernen und um nicht ohne Einkommen bis nach dem Militärdienst dazustehen.

      Diese Ex-Freundin, meine erste „richtige“ Partnerin, Jimmy genannt, eine Bündnerin, sieben Jahre älter als ich, war eine besondere Erscheinung, sah sie viel jünger als vierundzwanzig Jahre aus und so fiel der Unterschied zu mir als damals siebzehnjährigen Lehrling, der noch nicht viel wusste und konnte, nicht groß auf.

      Das Rüstzeug und Wissen, wie die Frau funktioniert für die spätere „Karriere“ als Liebhaber zahlreicher Frauen holte ich mir wohl bei ihr.

      Den Vorsprung, den ich in Liebesdingen gegenüber meinen gleichaltrigen Kollegen hatte, nutzte ich nach Beendigung dieser Beziehung zu ihr voll aus. Und der Damenwelt gefiel mein Tun, mein Laster und meine Art.

      Und auch das Kochen habe ich bei ihr von der Pike auf gelernt, war sie doch als Köchin im Kantonsspital Chur tätig.

      Die damals angelernten Kochkünste haben später ab und zu ein wohlwollendes „Ja“ zu mir schneller positiv beeinflusst. Ich bin ihr noch heute dafür dankbar – für die Kochkünste und die daraus entstandenen Bekanntschaften.

      „Da du, lieber Leo, auf die Messerstecher-Geschichte wartest, nur noch eine davor und dann komme ich dazu.“

      „Gemein“, antwortete Leo.

      „Nein, nein, nur etwas fies“, lächelte ich zurück.

      „Die Psychigeschichte ist zum Einstieg in all die verschiedensten Erfahrungen wohl nicht allzu schlecht und ein guter, feiner Auftakt, bevor es mit dem Messerstecher richtig gefährlich wird.

      Ich bin überzeugt, dass dir die eine oder andere Geschichte gefallen wird.“

      Psychisch

      Ich begann nach meiner kaufmännischen Lehre in der besagten Klinik.

      Der Klinik angegliedert war ein Haus, unter Insidern „Zwetschgensilo“ genannt, in dem viele jüngere Pflegerinnen oder auch ausländisches Personal jeweils ein Appartementzimmer angemietet hatten.

      Ich hatte ebenfalls innerhalb des Klinikkomplexes im Dachgeschoss in einem Nebenhaus ein eigenes Zimmer. Doch hätte ich in diesem Jahr, in dem ich dort tätig war, eigentlich gar kein Zimmer gebraucht. Meist verbrachte ich die Zeit nach meiner Schicht, ich wurde als Hilfspfleger, als Aufsicht beim Spazieren mit Patienten und als Mädchen für alles eingesetzt, im „Zwetschgensilo“.

      Dazu hatte ich nebenbei das Privileg, bei einer Bekannten des Vaters meiner Ex-Freundin, einer Psychologin, an Sitzungen teilzunehmen, da dies auch ein mögliches Zukunftsszenario für mein Leben gewesen wäre.

      Die Psychologin, Nadine, die ab und zu auch in der Cafeteria in der Klinik auftauchte, war Anfang dreißig, eine hübsche Erscheinung mit tiefblauen Augen und einer makellosen Figur. Mein damals bevorzugter Frauentyp, wenn auch einige Jahre älter als ich.

      Nach einer der ersten Gruppensitzungen, denen ich beiwohnen durfte, fragte sie mich, ob ich Lust hätte, sie zum Nachtessen zu begleiten, was ich natürlich sofort bejate.

      Nach der Trennung von meiner Ex-Freundin hatte ich nur noch ein paar flüchtige Sexbekanntschaften, nicht wenige davon im