Edgar Wallace

Der viereckige Smaragd


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      »Glaubst du, daß er ihn noch haßt?«

      »Druze war Everreeds Hausmeister und hatte den Scheck kassiert. Am nächsten Tag trat Peter seinen Erholungsurlaub an – das heißt, in Wirklichkeit stürzte er sich in sein großes Abenteuer. Als er dann zurückkam, wurde er festgenommen. Er leistete tausend Eide, daß er nichts von dem Scheck wisse, klagte auch noch den armen Druze der Fälschung an – aber alle diese Ausflüchte haben ihn nicht vor der Verurteilung geschützt.«

      Jane erwiderte nichts.

      »Es ist ganz erklärlich, daß Peter aufgebracht ist. Wenn er immer noch davon überzeugt ist, daß Druze an allem schuld ist, dann können wir noch allerhand Unannehmlichkeiten erwarten – wir wollen uns darüber nicht täuschen.«

      Anitas Zigarette war ausgegangen. Sie öffnete ihre Handtasche mit einer ungeduldigen Bewegung und suchte etwas.

      »Keine Streichhölzer dabei? Macht auch nichts.«

      Sie fand einen Brief in der Tasche, riß ein Stück davon ab, beugte sich herunter und steckte es am Feuer an.

      »Wer mag bloß Leslie Maughan sein?«

      Anita schaute auf die Unterschrift des Briefes.

      »Leslie Maughan?« fragte Jane Raytham. »Ich kenne ihn nicht. Warum fragst du?«

      Anita knitterte den Brief zusammen.

      »Leslie Maughan will mich in einer persönlichen Angelegenheit sprechen. Wahrscheinlich ist er irgendein Erfinder oder ein Mensch, der in Geldnot ist. Vielleicht will er auch eine Expedition nach den Kokosinseln machen, die ich finanzieren soll. Zum Teufel mit Leslie Maughan!«

      2

      Druze war geräuschlos in das Zimmer getreten und stand mit zusammengefalteten Händen wartend an der Tür. Sein Gesicht war auffallend bleich, und während er sprach, zuckte seine rechte Backe krampfhaft.

      »Was gibt es, Druze?«

      »Mylady, wollen Sie Miss Leslie Maughan empfangen?«

      »Miss!« rief Anita erstaunt, als sich Lady Raytham erhob.

      »Jawohl, Miss Leslie Maughan vom Kriminaldienst, Scotland Yard.«

      Jane griff nach der Stuhllehne. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, aber es kam kein Wort über ihre Lippen. Greta starrte die Prinzessin an, die den blassen Hausmeister beobachtete.

      »Ich will sie empfangen – führen Sie die Dame in den kleinen Salon, Druze ... Bitte entschuldigt mich solange.«

      Sie verließ das Zimmer schnell, behielt aber den Drücker der Tür in der Hand, bis Druze unten auf dem Treppenpodest verschwunden war. Rechts neben ihr lag die Tür zu ihrem Ankleidezimmer. Rasch und geräuschlos schlüpfte sie hinein und machte Licht. Dann starrte sie in den Spiegel – sie sah geisterhaft bleich aus, ihr weißes, eingefallenes Gesicht war ein Schuldbekenntnis für sich. War sie verraten worden? Hatten sie ihre Drohung wahrgemacht?

      Sie zog eine Schublade ihres Toilettentisches auf, kramte eilig darin, fand eine Puderdose und zauberte mit geschickter Hand ein täuschendes Rot auf ihre Wangen.

      Nach einem nochmaligen kurzen Blick in den Spiegel eilte sie die Treppe hinunter. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen, obwohl sie fast verzweifelte.

      Alle Lichter brannten in dem kleinen Salon. Als sie sich ihrer Besucherin gegenübersah, war sie überrascht und erleichtert. Es war ihr vorher nicht bekannt gewesen, daß es weibliche Detektive in Scotland Yard gab, und sie hatte sich eine Frau mit harten Gesichtszügen, mürrischen Mienen und schlechtsitzenden Konfektionskleidern vorgestellt.

      Die junge Dame aber, die neben dem Tisch stand und in einer illustrierten Zeitung blätterte, schien höchstens zweiundzwanzig Jahre alt zu sein. Sie trug einen Nutriamantel, an dessen Kragen ein großer Veilchenstrauß befestigt war. Sie war ebenso groß wie Jane Raytham und sehr schlank. In den seidenen Strümpfen und eleganten Schuhen kamen ihre schönen Fußgelenke zur Geltung. Haar und Augen waren dunkel. Das Gesicht, das unter dem nach oben gebogenen Rand eines kleinen Filzhutes hervorschaute, war das Erstaunlichste von allem. Jane Raytham sah ein Paar tiefdunkler Augen auf sich gerichtet. Die schöngeschwungenen Lippen waren ebenso rot wie die Gretas, ohne daß künstlich nachgeholfen war. Ein festes, rundes Kinn und der Schimmer eines weißen Halses schauten aus dem Pelzkragen hervor. Lady Raytham war etwas verwirrt, als sie alle diese sichtbaren Vorzüge wahrnahm, die die äußere Erscheinung ihres unerwarteten Besuches bot.

      »Sie sind doch nicht Miss Maughan?«

      Leslie Maughan lächelte stets mit Augen und Lippen, und die Grübchen in ihren Wangen ließen sie noch jünger erscheinen als sie wirklich war.

      »Gewiß, das ist mein Name, Lady Raytham. Es tut mir außerordentlich leid, daß ich Sie störe, aber ich habe einen sehr strengen Vorgesetzten.«

      »Sind Sie wirklich eine Detektivin? Ich wußte nicht –«

      »Daß es auch weibliche Beamte in Scotland Yard gibt?« sagte die junge Dame lachend. »Und Sie haben auch ganz recht, denn ich nehme eine außergewöhnliche Stellung ein. Ich bin die Assistentin des Chefinspektors Coldwell. Die anderen höheren Beamten, die eigentlich sehr konservative Herren sind, haben hiergegen keine Einwendungen erhoben. Aber ich glaube, daß ich auch wirklich ein Detektiv bin. Wenigstens stelle ich Nachforschungen an.«

      Sie stand am Tisch. Eine Hand hatte sie leicht auf die Hüfte gelegt, die andere spielte mit den Blättern einer illustrierten Zeitung. Ihr fester Blick ruhte auf Jane Raytham.

      »Ich stelle auch jetzt Nachforschungen an, Lady Raytham«, erklärte sie ruhig. »Ich möchte Sie fragen, warum Sie am vorigen Montag zwanzigtausend Pfund von Ihrer Bank abhoben?«

      Einen Augenblick war Jane bestürzt und verlor die Fassung so weit, daß sie beinahe die Wahrheit verraten hätte. Aber mit äußerster Willensanstrengung zwang sie sich zur Ruhe und schien äußerlich kaum betroffen zu sein. Gleich darauf hatte sie sich wieder in der Gewalt und beherrschte ihre Stimme vollkommen.

      »Seit wann hat denn die Polizei die Befugnis, die Bankkonten von Privatpersonen zu überwachen?« fragte sie in kühlem und gemessenem Ton. »Sie haben eben eine ungewöhnliche Frage an mich gerichtet. Ist es denn ein Vergehen, wenn ich eine Summe von zwanzigtausend Pfund von meinem eigenen Bankguthaben abhebe? Sagen Sie mir bitte, woher Sie das überhaupt wissen?«

      »In meiner Stellung erfährt man allerhand, Lady Raytham.«

      Leslie Maughan war auch kühl, die gespielte oder echte Entrüstung Janes machte keinen Eindruck auf sie.

      »Lady Raytham, Ihrer Meinung nach sind wir unverschämt, Sie finden unser Verhalten unentschuldbar. Und wenn Sie diese Sache in Scotland Yard anzeigten, würde ich mir auch sicher hierdurch einen Verweis zuziehen. Aber darauf sind wir gefaßt.«

      Lady Raytham sah Leslie Maughan erstaunt an.

      »Aber warum kommen Sie dann überhaupt zu mir?«

      Das junge Mädchen atmete tief. Ein schwaches Lächeln spielte um ihre Mundwinkel und verschwand plötzlich wieder.

      »Zwanzigtausend Pfund sind eine große Summe Geldes«, sagte sie sanft, und ihre Stimme klang fast bittend.

      Plötzlich wurde Lady Raytham die Bedeutung dieses Besuches klar. Sie erschrak so sehr, daß sie einen Schrei nicht ganz unterdrücken konnte. Sie wußten es. Die Polizei kannte die Bestimmung des Geldes. Sie atmete schnell und konnte nicht gleich sprechen. Ängstlich schaute sie in Leslies dunkle Augen und versuchte, so gut es ging, ihre Gedanken zu ordnen.

      Dieses hübsche, schlanke junge Mädchen war eine Detektivin! Und sie war vorzüglich gekleidet – der weibliche Instinkt in Lady Raytham nahm dies fast unbewußt wahr. Ihre Handschuhe mußten von Renaud sein ...

      »Wollen Sie mir nicht alles sagen? Es würde Sie wahrscheinlich vor vielen Unannehmlichkeiten bewahren. Es ist unsere Hauptaufgabe in Scotland Yard, die Leute