Dr. Phil. Monika Eichenauer

Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2


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Prozess aufzubringen:

      An einer Straße in Los Angeles ein paar Schritte vom Meer entfernt, sitzt neben einem großen Truck über Stunden ein Mann auf der Bordsteinkante. Ein Strandbesucher beobachtet dies und fragt ihn: „Was machen Sie da eigentlich?“ Der Mann auf der Bordsteinkante antwortet: „Wissen Sie, ich bin von New York bis Los Angeles viele Stunden durchgefahren. Und nun warte ich darauf, dass meine Seele auch hier ankommt!“

      Nach der Zeit der Entwicklung des Schamanismus und anderer bekannter Heilsysteme folgte geschichtlich eine Zeit der medizinischen Entwicklungen, die unter dem Dach der Wissenschaft stand. „Wissenschaft“ ist das Bedürfnis, das, was man nicht kennt und nicht weiß, zu erforschen und in einen Zustand des Nachvollziehbaren und Beweisbaren zu überführen. Dagegen kann niemand etwas haben, wäre zu bemerken. Dieser Ansatz ist jedoch weiter stark durch den jeweiligen Zeitgeist geprägt. Glaube und individuelle Erfahrung sollten durch wissenschaftliches Vorgehen in ein neues Wissen über den Körper und die Nachweisbarkeit von Wirkungen bestimmter Methoden abgelöst werden. Die jeweilige Kultur und der ihr zugehörige Entwicklungsstand zeigen jeweils den Geist der Menschen der betreffenden Zeit an. Dieser Geist manifestierte sich auch an den Merkmalen, wie diese Wissenschaftler das, was sie nicht verstanden und erforschen wollten, auswählten und untersuchten. Die Wissenschaft traf eine Vorauswahl: So wurden nur Aspekte in Erwägung gezogen, von denen sie annahm, dass sie einen Einfluss auf die Heilungsprozesse in Menschen haben könnten. Insofern spielten der Glaube und der Geist eines Wissenschaftlers in der Wissenschaft eine maßgebliche und differenzierende Rolle – trotz aller Wissenschaftlichkeit und Empirismus! Der Geist einer Kultur wurde zunehmend einflussreicher durch die Ökonomie gestaltet wie in nachfolgenden Kapiteln des vorliegenden Buches noch aufgezeigt wird. Diesem Geist folgte die Wissenschaft und perfektioniert sich in der Gegenwart. Behandler haben nichts mehr zu sagen und sollen Heilerfolge mit unwirksamen Mitteln vollbringen – gelingt dies nicht, sind die Behandler schuld.

      Weiter wurden Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften zum Beispiel voneinander getrennt. Der Unterschied besteht seither darin, dass sich ein Teil der Wissenschaftler auf sichtbare Phänomene von Objekten spezialisierte, der andere auf Sachverhalte, die man lediglich an den Wirkungen ablesen konnte, die also geistig waren. Im Zuge der Entwicklung der verschiedenen Richtungen, in welche man in der Welt der sichtbaren Dinge forschen konnte, wurde auch der Körper des Menschen definiert. Den dazugehörigen Fachbereich nannte man „Medizin“ und gliederte ihn in die Naturwissenschaften ein.

      Alles Unsichtbare wurde ausgeklammert. Entsprechend der bekannten Aussage, dass es keine Seele gäbe, weil die wissenschaftliche Medizin sie im Körper nicht finden konnte, definiert die naturwissenschaftlich geordnete Medizin den Menschen auf diese Art und Weise bis heute und behandelt ihn dementsprechend: Was man nicht sieht, gibt es nicht. Was man im Körper nicht finden kann, existiert nicht. Doch vieles, was für Menschen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten selbstverständlich ist, wie Emotionen, Denken, Intuition, Wünsche, Ziele, und Motivation, ist nicht einfach ablesbar im materiellen Körper eines Menschen – äußert sich aber dennoch in Schmerzen und Symptomen, ohne dass es materielle Nachweise in Untersuchungsbefunden gibt. Tatsächlich ist der Schmerz ein akutes Problem – trotz umfänglichen Wissens der Medizin über den Körper und seiner Funktionen, kann Schmerz bis heute nicht hinreichend zufriedenstellend wissenschaftlich erklärt und begründet werden. Mit zig Methoden versucht man ihm beizukommen und/oder ihn zu unterdrücken.

      Die Erkrankungszahlen von Schmerzpatienten belegen, dass die ultimative Behandlung nicht gefunden ist. Eines ist jedoch ganz sicher, nämlich, dass sehr viel Geld in der Pharmazie mit dem neuen Wissen, wie es mittels cartesianischer Wissenschaft definiert wird, verdient wird. Mittels Schamanismus ist jedoch glaubhaft belegt, dass Schmerzen und Symptome plötzlich verschwunden sind, auch wenn man es sich aus heutigem wissenschaftlichem Verständnis heraus nicht erklären kann.

      Aber derjenige, der Schamanismus erlebt hat und in der Folge von Schmerzen und Symptomen befreit leben kann, hat im Unterschied zu klassischen Behandlungsmethoden seine eigenen Gefühle erlebt. Dieses eigene Erleben wird mit Hilfe von Schmerzmitteln unterdrückt oder durch Schmerzbewältigungstechniken zeitweilig gemildert und/oder verschoben – und Patienten klagen weiter über Symptome und Schmerzen. Wissenschaftlich wird auf Untersuchungsergebnisse hingewiesen, die glaubhaft machen sollen, dass man sich mit den pharmazeutischen Mitteln, medizinischen Behandlungsmethoden und entsprechenden Heilungshypothesen auf dem Pfad des Wissens bewegt. Dieser Weg ist deshalb auch aus offizieller Sicht kulturell fortzusetzen, auch dann, wenn er nicht wirkt und Patienten weiter leiden, ihre Krankheiten und Symptome erhalten bleiben. Auf diesem Hintergrund wird von Patienten nur noch eines im Gesundheitswesen erwartet: Sie sollen sich an Krankheit und Symptome anpassen, ihren Alltag entsprechend umstellen und sich passender (meist technischer) Hilfsmittel bedienen. Sie sollten weiter aufhören, gegen die Krankheit anzukämpfen. Besser wäre es, sie anzunehmen und damit klar zu kommen. Sie sollen eben eine realitätsgerechte Haltung einnehmen und aufhören davon zu reden, welches Leben sie, als sie noch gesund waren, hatten und nun verloren haben. Sie sollen tun, was der Doktor (damit sind Mediziner und Ärzte gemeint) sagt und dann würde es schon besser. Diese Patienten bekommen nicht gesagt, dass jeder Mensch über Selbstheilungskräfte verfügt. Ihnen wurde nicht gesagt, dass man sie aktivieren kann.

      Meine PatientInnen wissen, dass ich mitunter zu ungewöhnlichen Maßnahmen in meiner täglichen Arbeit greife. In Bezug auf die Behandlung bei Schmerzpatienten kann ich sagen, dass es wohl keinen Schmerzpatienten gab, bei dem ich keine haarfein auf ihn abgestimmte therapeutische Maßnahme ersonnen habe, die ihn heilte. Gestatten Sie mir die zwei folgenden Beispiele:

      1. Die erste Patientin, die mir einfällt, war ca. 37 Jahre alt, wirkte deutlich vorgealtert, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Sie arbeitete in einem Betrieb, der Handys herstellt. Sie klagte über Dauerschmerzen im Rücken, die durch ärztliche Behandlung bei einem Orthopäden nicht zu mildern waren. Auch Tabletten halfen nur zeitweilig. Ungefähr ein halbes Jahr lang erzählte und klagte sie über ihr Leben: Über die schwierige Beziehung mit ihrem Mann, den Ärger mit den Kindern und die nicht mehr auszuhaltende Arbeit am Fließband. Sie musste täglich acht Stunden mit Lupe und im Rücken gebeugt kleine technische Teilchen einbauen. Jeden Tag aufs Neue wurden die Verspannungen aufgebaut, die sie so gern abgebaut gesehen hätte. Ihr Leben änderte sich nicht, ihre Schmerzen änderten sich nicht, ihre depressive Stimmung änderte sich nicht. Sie sah jeden Tag das Gleiche. Niemals fühlte sie sich fröhlich, gelöst und glücklich. Da sie sich nicht mehr erinnern konnte, jemals glücklich, fröhlich und zuversichtlich gewesen zu sein, unterbreitete ich ihr eines Tages den folgenden Vorschlag: Sie sollte ein Foto von sich anfertigen lassen, auf dem sie lachte und zuversichtlich an Gegenwart und Zukunft dachte. Weiter fragte ich sie, ob sie sich an eine Zeit erinnern könne, in der sie glücklich war und das Gefühl hatte, das Leben schenke ihr alles, was sie sich wünsche und brauche. Und was sie sich denn im Leben gewünscht und ob sich denn etwas erfüllt hätte? Sie schaute mich an, weinte und erzählte aus ihrer Erinnerung heraus, was ihr einfiel. Am Ende der Sitzung lachte sie unter Tränen und sagte, dass sie schon lange nicht mehr gefühlt habe! Und dass sie eine hübsche Frau sei, die positive Dinge erlebt, habe sie schon gar nicht mehr gewagt zu denken! In der nächsten Sitzung brachte sie das Foto mit. Eine um Jahre verjüngte Frau lachte mich zuversichtlich an. Ich fragte die Patientin, ob es einen Ort gäbe, wo sie jeden Tag dieses Bild mit hundertprozentiger Sicherheit sähe. Nach längerem Überlegen sagte sie, dass dieser Platz im Auto sei. Sie befestigte das Bild an einer Stelle, so dass sie es jeden Tag und möglichst oft sah. In den nächsten vier Wochen kam sie immer zuversichtlicher wirkend in die Sitzungen, berichtete von positiven Erlebnissen mit Mann und Kindern, die Arbeit wurde nicht mehr thematisiert, von Schmerzen hörte ich kaum noch etwas und wenn doch dann eher so „....ach, ja ich habe da noch Verspannungen, die sind aber kein Problem!“ Wir konnten die Psychotherapie beenden. Diese Patientin hatte im Stress des Lebens vergessen, wer sie war und dass sie eine lebendige Frau und Mutter ist. Sie hatte sich nur noch wie ein Automat gefühlt. Diese Vorstellung und das zugehörige Lebensgefühl wurden von dem Bild der fröhlichen und lebendigen Frau abgelöst. Wenn sie fühlte, dass der Stress wieder im Begriff war, sie zu übermannen, erinnerte sie sich nun anhand des Bildes im Auto, dass sie auch noch etwas anderes erleben und sein konnte, als der Alltag