Seine Hand griff plötzlich zu und erfaßte den Arm des Frosches.
»Ich habe eine Pistole«, sagte er zwischen den Zähnen. »Ich bin Inspektor Genter von der Polizeidirektion, und wenn du dich zur Wehr setzt, so töte ich dich.«
Eine Sekunde lang herrschte Totenstille. Dann fühlte Genter, wie die Hand, die die Pistole hielt, mit schraubengleichem Griff umfaßt wurde. Er schlug mit der anderen Faust zu, aber der Mann bückte sich, und der Schlag fuhr in die Luft. Dann wurde die Pistole mit unerträglicher Drehung aus Genters Hand gewunden, und er kam mit seinem Gefangenen in ein Handgemenge. Dabei berührte sein Gesicht das des Frosches. War es eine Maske, die jener trug? Er spürte die kalten Glimmerbrillengläser auf seiner Wange. Dies erklärte die erstickte Stimme. So kräftig Genter auch war, er konnte sich aus den ihn umklammernden Armen doch nicht befreien, und sie schwankten in der furchtbaren Finsternis hin und her. Plötzlich hob der Frosch den Fuß, und um dem vorausgesehenen Stoß zu entgehen, machte Genter eine heftige Wendung. Das Splittern von gebrochenem Glas ward hörbar und ein scharfer, kalter, durchdringender Geruch drang auf den Detektiv ein. Er versuchte tief zu atmen, aber er meinte zu ersticken, und seine Arme fielen schlaff und machtlos herab.
Der Frosch hielt die gebeugte Gestalt eine Minute lang, dann ließ er sie zu Boden fallen.
Am Morgen fand die Londoner Polizeipatrouille Inspektor Genter im Garten eines leeren Hauses liegend und rief die Rettungsgesellschaft an.
Aber ein Mann, der mit konzentrierten Blausäuredämpfen vergiftet worden ist, stirbt schnell. Zehn Minuten, nachdem der Frosch den Glaszylinder, den er für ähnliche Notfälle in der Hütte vorbereitet hielt, zerbrochen hatte, war Genter eine Leiche.
4
Auf der ganzen Welt gab es keinen Detektiv, der weniger nach einem Polizeioffizier, und einem recht klugen Polizeioffizier, aussah, als Elk. Er war groß und hager, und seine etwas krumme Haltung verstärkte noch den Eindruck seiner Kümmerlichkeit. Seine Kleider schienen schlecht zu passen und hingen mehr an ihm herunter, als daß sie ihn kleideten. Winters und sommers trug er einen schmutzigen, rehfarbenen Überzieher, der stets und ständig zugeknöpft blieb, und den gleichen gelbbraunen Anzug trug er seit jedermanns Gedenken. Wenn Regen fiel, dann glänzte sein schwarzer steifer Hut vor Nässe, aber Elk spannte den Regenschirm nicht auf, der schlecht gewickelt und plump an seinem Arm hing. Niemals hatte jemand diesen Gebrauchsgegenstand geöffnet gesehen. Elks leichenblasses Gesicht trug unentwegt den Ausdruck tiefster Düsterheit, und seine Vorgesetzten fanden seinen Einfluß deprimierend, denn seine Zukunftsaussichten wurden durch sein Missgeschick bei der Beförderung beeinträchtigt. Zehnmal hatte er sich zur Prüfung gemeldet und zehnmal hatte er unweigerlich bei demselben Gegenstand: Geschichte, versagt. Dick Gordon, der Elk besser als dessen unmittelbare Vorgesetzte kannte, vermutete, daß dieses Missgeschick ihn gar nicht so sehr bekümmerte, wie man annahm.
»Die armen Sünder haben auf Erden keine Ruhe«, seufzte Elk und nahm auf dem angebotenen Sessel Platz. »Ich dachte, Herr Gordon, ich würde wenigstens nach meiner Reise nach den USA Ferien von Ihnen bekommen.«
»Lieber Elk, ich möchte womöglich alles über Lola Bassano erfahren«, sagte Dick. »Wer ihre Freunde sind, warum sie sich so plötzlich an Ray Bennett angeschlossen hat, der ein kleiner Beamter bei den Vereinigten Maitlands ist. Besonders aber, warum sie ihn gestern nacht an der Ecke von St. James Square abgeholt und nach Horsham gefahren hat. Ich sah sie durch Zufall, als ich aus meinem Klub kam, und folgte ihnen. Sie saßen fast zwei Stunden in ihrem Wagen ungefähr hundert Meter von Bennetts Haus entfernt und sprachen miteinander. Ich stand im Regen hinter dem Wagen und lauschte. Wenn er ihr den Hof gemacht hätte, so hätte ich es verstanden. Aber sie redeten und redeten nur von Geld. Und dabei hat der junge Bennett keinen Pfennig in der Tasche.«
Elk rauchte gedankenvoll. »Bennet hat eine Schwester«, sagte er plötzlich zu Dicks Erstaunen. »Sie ist sehr hübsch, aber der alte Bennett ist bestimmt irgendeine Art von Gauner. Er leistet keine regelmäßige Arbeit, sondern bleibt manchmal tagelang fort und sieht merkwürdig schlecht aus, wenn er zurückkommt.«
»Sie kennen die Familie?«
Elk nickte. »Der alte Bennett interessiert mich. Irgend jemand hat über seinen Lebenswandel schon als verdächtig berichtet. Die Lokalpolizei hat ja nichts zu tun, als Lämmchen zu hüten und sieht natürlich jeden, der kein Lämmchen ist, als verdächtigen Charakter an. Ich habe den alten Bennett beobachtet, bin aber seinen Handlungen nie auf den Grund gekommen. Er hat eine Menge der sonderbarsten Berufe gehabt. Jetzt hat er sich auf Bildaufnahmen geworfen. Ich würde wirklich etwas dafür geben, zu erfahren, was sein wirklicher Beruf ist. Regelmäßig einmal im Monat, manchmal zweimal, manchmal noch öfter, verschwindet er, und man kann ihn nicht auffinden. Ich habe jeden Stromer in London nach ihm gefragt, aber sie sind alle genauso ratlos und verblüfft darüber wie ich. Lew Brady hat sich auch für ihn interessiert. Er haßt Bennett. Vor Jahren machte er sich an den alten Mann heran und versuchte aus ihm herauszubringen, was für ein Spiel er treibt. Aber Bennett hat es ihm heimgezahlt.«
»Der alte Mann?« fragte Dick ungläubig und sah ihn an.
»Jawohl! Er ist stark wie ein Stier ... Also, ich werde Lola besuchen. Sie ist kein schlechtes Mädel, aber mir persönlich sagen Vampire nicht zu. Also, Genter ist tot? Halten Sie den Frosch auch dabei für beteiligt?«
»Ohne Zweifel«, sagte Dick aufstehend. »Und hier, Elk, ist einer der Leute, die ihn umbrachten.«
Er ging ans Fenster und beugte sich hinaus. Der Mann, den er minutenlang beobachtet hatte, war plötzlich verschwunden.
»Wo?« fragte Elk hinter ihm.
»Er ist jetzt eben fort. Ich ...« Im gleichen Moment zerbrach das innere Fenster, und die Glassplitter verletzten sein Gesicht. In der nächsten Sekunde riß ihn Elk heftig zurück.
»Vom Dach der Onslow-Gärten«, sagte Dick ruhig.
»Der Schütze hat ein Dutzend Wege, um zu entwischen, die Feuerleiter nicht ausgenommen. Es geschieht zum zweiten Male, daß sie heute bei hellem Tageslicht hinter mir her sind. Als ich nach Hause zurückkehrte, war es das erste Mal. Ein geradezu genialer Versuch, mich mit einem leichten Auto zu überfahren. Das verdammte Ding erkletterte sogar das Trottoir.«
»Haben Sie sich die Nummer gemerkt?«
»10 L. 19741. – Es gibt keine solche Nummer im Register, und der Fahrer war fort, bevor ich irgend etwas unternehmen konnte, um ihn aufzuhalten.«
Elk kratzte sich am Kinn und betrachtete den jugendlichen Staatsanwalt mit zweifelndem Blick. »Das klingt ja sehr interessant. Ich habe bisher viel zu wenig auf die Frösche geachtet. Heutzutage sind geheime Gesellschaften so üblich, daß jedesmal, wenn mir ein Herr die Hand schüttelt, er mich enttäuscht ansieht, wenn ich nicht mein Ohr zupfe oder mit dem Fuß aufstampfe.
Eine Räuberbande von großem Format habe ich immer als etwas angesehen, wovon man nur in Romanen liest.«
Elk nahm Abschied und ging auf dem größtmöglichen Umweg nach Scotland Yard zurück, anscheinend ein arbeitsloser kleiner Angestellter mit schlechtgerolltem Regenschirm und verbogener Stahlbrille. Er schlenderte nach Trafalgar Square, stand gedankenvoll still und kehrte wieder um. Dem Büro des Staatsanwaltes gegenüber hatte ein langer Straßenverkäufer mit einem kleinen Tragbrett voller Zündhölzchen, Schlüsselringen, Bleistiften und den tausenderlei Kleinigkeiten, die solche Leute verkaufen, Posten gefaßt. Seine Waren waren im Augenblick mit einem regennassen Wachstuch bedeckt.
Elk hatte ihn früher nie bemerkt und wunderte sich, warum der Mann einen so ungünstigen Standpunkt gewählt hatte, denn das Ende der Onslow-Gärten, der windigste Punkt in Whitehall, ist auch an schönen Tagen nicht der Ort, an dem der eilige Fußgänger sich aufhalten würde, um einen Gegenstand zu erstehen. Der Händler trug einen schäbigen Regenmantel, der bis zu den Stiefelabsätzen reichte. Sein weicher Filzhut war tief in die Stirn gezogen, aber Elk sah das Gesicht, das an einen Raubvogel gemahnte, und blieb stehen.
»Guter Verdienst?«
»Nein.«
Elk war