Edgar Wallace

Der Frosch mit der Maske


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da?« Elk schüttelte den Kopf.

      »Ich wollte nur einen freundschaftlichen Besuch machen«, sagte er. »Ich bin gerade aus Ihrem Land gekommen, Herr Broad. Es ist ein schönes Land, aber es gibt dort zu große Entfernungen für mich.« Er studierte noch eine ganze Weile das Teppichmuster, dann sagte er: »Ich hätte Ihren Freund von Herzen gerne kennengelernt. Ist er vielleicht auch Amerikaner?«

      Broad schüttelte den Kopf. Als er Elk hinausbegleitete, sprachen sie beide kein Wort, und es schien fast, als ob Elk ohne guten Tag zu sagen gehen wollte, denn er schritt geistesabwesend weiter. Aber er drehte sich doch in der Tür um und lächelte trüb.

      »Ich würde mich freuen, Sie wiederzusehen, Herr Broad«, sagte er. »Vielleicht treffen wir uns wieder in Whitehall?«

      Seine Blicke hafteten an dem grotesken weißen Frosch an der Tür. Broad wischte mit dem Finger über das Zeichen.

      »Der Abdruck ist noch ganz frisch«, sagte er. »Haben Sie sich schon Ihre Meinung darüber gebildet, Herr Elk?«

      Elk prüfte die Matte vor der Tür. Ein kleiner weißer Fleck war auf ihr sichtbar, zu dem er sich hinabbückte. »Vollkommen frisch. Es muß gerade, bevor ich hierhergekommen bin, geschehen sein.«

      Und hiermit schien sein Interesse an dem Frosch erschöpft.

      »Ich werde jetzt hinübergehen. Guten Tag«, sagte er.

      Lola Bassano saß wartend in ihrem schönen Salon. In einem tiefen Sessel kindhaft eingeschmiegt, viele weiche und farbige Kissen im Rücken, saß sie mit untergeschlagenen Beinen da, eine Zigarette zwischen den Lippen.

      Von Zeit zu Zeit wendete sie den Kopf nach dem Mann, der, die Hände in den Hosentaschen, am Fenster stand und auf die Straße hinaussah. Er war groß, schwer gebaut, klobig und unvornehm. Alle Hilfe, die die Perfektion seines Schneiders und Kammerdieners ihm hatten angedeihen lassen, genügte nicht, um, seinen Ursprung zu verwischen. Er blieb ein recht fett gewordener Boxer. Vor einiger Zeit – vor noch ganz kurzer Zeit – war Lew Brady Schwergewichtsmeister von Europa gewesen, ein schrecklicher Kämpfer, mit gerade jenem Tropfen farbigen Blutes in den Adern, der den Unterschied zwischen Größe und Mittelmäßigkeit im Ring auszumachen pflegt. Ein stärkerer Mann hatte seine Schwäche aufgedeckt, und der Ruhm Lew Bradys welkte mit bemerkenswerter Schnelle dahin. Er hatte einen einzigen Vorteil vor seinen Gefährten, und dieser rettete ihn vor völliger Vergessenheit. Ein Philanthrop hatte ihn einst als Kind in der Gosse gefunden und ihm eine Erziehung angedeihen lassen. Er hatte eine gute Schule besucht und war mit Männern, die ein gutes Englisch sprachen, befreundet. Die Vorteile, die er dieser Freundschaft verdankte, waren nicht verlorengegangen, und seine Sprache war von so merkwürdiger Kultur, daß Leute, die den brutalen Mann zum ersten Male sprechen hörten, mit dem hellsten Erstaunen lauschten.

      »Um wieviel Uhr erwartest du deinen Pagen?« fragte er.

      Lola zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, wann er kommt.«

      Der Mann wendete sich vom Fenster ab und begann langsam im Zimmer auf und nieder zu schreiten. »Ich verstehe nicht, warum sich der Frosch für ihn interessiert«, murrte er. »Lola, ich bin dieses alten Herrn Frosches entschieden überdrüssig.«

      Lola lächelte und sah ihn mit halbgeschlossenen Augen an. »Vielleicht bist du nur der Tatsache überdrüssig, daß du Geld bekommst und nichts dafür zu tun hast«, sagte sie. »Mich selbst wird solch ein Überdruss niemals anwandeln. Und sei sicher, daß der Frosch nicht nach dem jungen Bennett fragen würde, wenn er dessen nicht wert wäre.« Brady zog seine Uhr heraus und blickte auf das juwelengeschmückte Zifferblatt. »Fünf Uhr. Vermutlich weiß der Junge nicht, daß du mit mir verheiratet bist.«

      »Du bist ein Narr!« sagte Lola, sich träge dehnend. »Sollte ich mich dessen auch noch rühmen?«

      Lew Brady ging von neuem hin und her, hin und her. Ein schwaches Glockenzeichen wurde hörbar, und er sah Lola an. Sie nickte, erhob sich, schüttelte die Kissen auf und nahm von neuem ihre frühere Stellung ein.

      »Mach auf!« sagte sie, und der Mann ging gehorsam. Dann kam Ray Bennett herein; er nahm Lolas Hand und küßte sie.

      »Ich komme spät. Der alte Johnson hat mich zurückgehalten, nachdem die anderen schon lange gegangen waren. Oh, ist das aber ein schöner Raum! Ich hatte keine Ahnung, daß du in so großem Stile lebst.«

      »Kennst du Lew Brady?«

      Ray nickte lächelnd. Er sah wie die verkörperte Glückseligkeit aus, und die Gegenwart Bradys hinderte ihn wenig. Er wußte längst, daß Lola mit Brady in irgendeiner Geschäftsverbindung stand.

      »Also, sprechen wir jetzt von deinem wundervollen Plan!«

      sagte er, als er auf ein Zeichen von Lola sich neben sie gesetzt hatte. »Weiß Brady davon?«

      »Es ist Lews Idee«, sagte sie leichthin. »Er späht ja immer nach guten Gelegenheiten aus, allerdings nicht für sich selber, sondern für andere.«

      »Ja, das ist eine meiner Schwächen«, sagte Lew bescheiden.

      »Ich weiß ja nicht, ob Sie mit meinen Plänen einverstanden sein werden. Ich würde die Sache selbst übernehmen, aber ich habe leider im Augenblick zu viel zu tun. Hat Lola Ihnen alles darüber gesagt?«

      Ray nickte. »Ich kann es kaum glauben«, sagte er. »Ich habe immer gemeint, daß so etwas nur in Zeitschriften steht. Lola hat mir von einem Geheimagenten erzählt, den die japanische Regierung in London einsetzen möchte. – Jemanden, den sie desavouieren könnte, wenn es notwendig wäre. Aber worin bestünde denn eigentlich meine Arbeit?«

      »Das weiß ich nicht«, sagte Lew kopfschüttelnd. »Soweit ich informiert bin, haben Sie nichts zu tun, als zu atmen. Vielleicht werden sie Sie brauchen, um Dinge in Erfahrung zu bringen, die in der politischen Welt vor sich gehen. Das, was mir, wie ich ehrlich gestehe, daran nicht gefällt, ist, daß Sie ein Doppelleben führen müssen. Niemand darf erfahren, daß Sie bei Maitland angestellt sind. Sie legen sich einen beliebigen Namen bei und treffen Ihre häuslichen Arrangements so gut Sie es vermögen.«

      »Das wird nicht schwer halten«, unterbrach ihn Ray. »Vater meinte ohnedies, ich müßte ein Zimmer in der Stadt nehmen. Er findet die tägliche Reise von und nach Horsham zu kostspielig. Das habe ich Samstag mit ihm ausgemacht. Zum Wochenende werde ich immer nach Hause fahren; aber was habe ich zu tun und wem muß ich berichten?«

      Lola stand auf und kam langsam auf ihn zu. »Armer Junge«, spottete sie mit ihrem leisen Lachen, »die Aussicht, eine schöne Wohnung zu haben und mich jeden Tag zu sehen, macht ihm solche Sorgen!«

      6

      Die Eldorstraße in Tottenham ist einer der tausend grauen und häßlichen Verkehrswege, die die inneren Vororte Londons durchziehen.

      Um neun Uhr abends ging Elk im strömenden Regen durch die Eldorstraße, die verödet lag. Die meisten Fronten waren nicht erhellt, denn das Leben der Eldorstraße spielt sich zu dieser Zeit in den auf der Hinterseite der Häuser liegenden Küchen ab. Aber aus den Fenstern des Hauses Nr.193 fiel ein Lichtschein.

      Am Morgen jenes Tages hatten die Zeitungen eine Mitteilung über die neue Spekulation der Vereinigten Maitlands gebracht, über ein Geschäft, dessen Gewinn weit mehr als eine Million Pfund betragen hatte. Und das Haupt des Konzerns lebte in solch einem Schmutzwinkel! Während Elk vor dem Haus stand, verlöschte plötzlich das Licht, und er hörte den sich nähernden Schall von Tritten drinnen im Hausflur. Er hatte eben noch Zeit, die Dunkelheit der gegenüberliegenden Straßenseite zu gewinnen, als die Tür sich öffnete und zwei Personen heraustraten. Es waren Maitland und die alte Frau, die Elk schon gesehen hatte. Sie trug eine Tasche aus Netzwerk in der Hand, und anscheinend gingen sie aus, um einzukaufen. Es war Samstagabend, und die Hauptstraße, die Elk eben passiert hatte, war noch von den Einkäufern belebt, die erst spät die Läden von Tottenham zu besuchen pflegten, um die Nahrungsmittel vor Geschäftsschluss zu billigeren Preisen zu erstehen.

      Elk wartete, bis das Paar verschwunden war, ging dann bis zum entgegengesetzten