zu verdienen! Es wird wie geschmiert gehen!«
Simmy lachte verächtlich.
»Du scheinst immer noch an Wunder zu glauben«, brummte er.
Und das Wunder ereignete sich.
Die ›Sieben Federn‹ nahmen das Erdgeschoß und das erste Stockwerk eines Hauses in Soho ein. Pony hatte sich mit seiner Gesellschaft in einem Zimmer zu ebener Erde niedergelassen, weil er hier die Möglichkeit ungestörter Beobachtung aller Ein- und Ausgehenden hatte. Sein Tisch stand in einer Art Alkoven, der vom übrigen Lokal durch einen Vorhang getrennt war und nur noch zwei anderen Tischen Platz bot. Im Hauptteil des Zimmers befand sich eine Bar, deren Cocktails in Kennerkreisen den besten Ruf genossen. Vom Zimmer aus führten drei Ausgänge ins Freie, ein weiterer Grund, warum Pony gerade das Erdgeschoß als Festraum benutzte. Von seinem Platz aus konnte er durch eine kleine Öffnung im Vorhang das Hauptlokal ungestört beobachten, und während Simmy seine ironischen Bemerkungen machte, hatte Pony zwei junge Leute das Lokal betreten sehen, die sich schwankend ihren Weg zur Bar suchten. Auch wenn er sie nicht gesehen hätte, würde er sie doch gehört haben; denn einer von ihnen sorgte dafür durch lautes Grölen. Gespannt erhob sich Pony und blickte durch die Öffnung des Vorhangs ins Nebengemach. Er wußte, daß das Wunder, von dem Simmy so ironisch gesprochen hatte, eingetreten war. Stille heischend, hob er die Rechte, aber seine Warnung war überflüssig, denn die Teilnehmer am Festmahl hatten den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Führers schon richtig gedeutet.
Der Gröler an der Bar war mit dem Mixer anscheinend in Streit geraten. Er und sein Begleiter gehörten unstreitig der Jeunesse dorée an, die infolge der wundervollen Cocktails der ›Sieben Federn‹ öfters einmal das Lokal beglückte. Die jungen Leute befanden sich in tadellosen Abendanzügen; jeder hielt einen Spazierstock mit Goldgriff unter den Arm geklemmt, und aus der Westentasche des einen baumelte eine schwergoldene Uhrkette. Der jüngere der beiden hielt eine reich mit Edelsteinen besetzte Uhr in der Hand und schwenkte sie vor dem Gesicht des protestierenden Barkeepers aufgeregt hin und her. Der andere war ruhiger, anscheinend aber ebenso betrunken wie sein Begleiter.
»Wartet!« flüsterte Pony seinen Gästen zu und schlich sich hinaus. Er war, wie seine Gäste, im Frack und trug ihn so gut, daß niemand ihn für einen der zahlreichen Kellner gehalten hätte. Er schlenderte der Bar zu, die Hände tief in die Hosentaschen vergraben, eine Zigarre im Mund, und nahm neben den beiden Angeheiterten Platz. Kaum hatte er sich gesetzt, als der jüngere ihm leutselig eine Hand auf die Schulter legte.
»Kommen Sie – hick – alter Freund – hick – und trinken Sie einen mit uns«, lud er Pony ein. »Wir – hick – haben viel Geld – hick -, und ›die Nacht ist ja so jung‹«, fügte er singend hinzu.
Pony lächelte.
»Im allgemeinen pflege ich mit Fremden nicht zu trinken«, machte er den anderen aufmerksam.
»Quatsch, alter Genosse«, meinte der Betrunkene, »ich habe Geburtstag.«
»Ja, so ist es«, mischte sich sein Freund ein. »Man muß die Feste feiern, wie sie fallen.«
Pony schien noch ein wenig zu zögern, nahm dann jedoch die Einladung an. Nach gegenseitigem Zutrinken griff das Geburtstagskind in die Tasche, zog eine dicke Rolle Banknoten hervor und warf sie nachlässig auf den Tisch. Mit einem raschen Blick versicherte sich Pony, daß es lauter Zwanzig-Pfund-Noten waren. Sein Plan war fertig und rollte programmgemäß ab. Die Unterhaltung wurde lebhaft, und als nun der eine der beiden jungen Leute ein gemütliches Spielchen vorschlug, herrschte bei den drei Zechern bald eitel Gemütlichkeit. Man spielte ›Gerade oder Ungerade‹. Eine Banknote wurde so gefaltet auf den Tisch gelegt, daß man die Nummer nicht sehen konnte. Der Mitspieler hatte zu raten, ob die Endziffer der laufenden Seriennummer gerade oder ungerade war. Pony ließ die beiden bei ihrer interessanten Beschäftigung und begab sich zu seinen Gästen zurück.
»Das Wunder ist geschehen, Simmy«, verkündete er seinem pessimistischen Freund. Dann wandte er sich dem jungen Mädchen zu: »Dich brauche ich heute Abend noch, May«, teilte er ihr lächelnd mit. »Ist deine Wohnung in der Albany Street bereit, Gäste aufzunehmen?«
Sie schien von dieser Frage wenig entzückt.
»Du willst die beiden doch nicht etwa in meine Wohnung schleppen, Pony?« – Der Chef nickte.
»Mein Anteil aus der Kiste wird genau hundert Pfund betragen«, gab er zurück. »Die beiden haben aber mindestens tausend bei sich.«
Diese Aussicht überzeugte auch die Zögernde.
»Das ändert natürlich die Sache«, sagte sie. »Was soll ich tun?«
In kurzen Worten teilte ihr Pony seinen Plan mit und ging dann zu den noch immer Spielenden zurück.
»Ich muß weg, Kinder«, sagte er zu ihnen, und das Bedauern drückte sich unmißverständlich in seiner Stimme aus. »Ich muß zu einer Dame, die mich zum Essen eingeladen hat. Sie ist eine richtige Spielratte, und wenn sie wüßte, daß ihr euch hier so gut amüsiert, ließe sie euch überhaupt nicht mehr aus den Händen.«
»Das ist die richtige Sorte«, gab der Schreier zurück, aber Pony schüttelte abwehrend den Kopf. Er schwieg einen Augenblick und schlug dann beiden Angeheiterten leutselig auf die Schulter.
»Ich will euch einen Vorschlag machen«, sagte er, »ich werde sie euch vorstellen, und wir fahren mit ihr in ihre Wohnung. Sie ist eine Schönheit.«
Der Vorschlag wurde enthusiastisch angenommen. Pony verschwand und kam nach wenigen Augenblicken mit May wieder, die scheinbar keinen anderen Wunsch hegte, als so schnell wie möglich nach Hause zu fahren.
Die beiden jungen Leute hatten sich Pony bisher nicht vorgestellt, und er trug auch gar kein Verlangen, ihre Namen kennenzulernen. Er rief ein Taxi und fuhr mit May und den neu hinzugekommenen Gästen in die Albany Street.
»Pony ist leichtsinnig geworden, Kinder«, meinte Simmy bedeutsam. »Wer weiß, ob die beiden nicht zur Polente gehören.«
»Unsinn«, entgegnete ein anderer. »Ich weiß, wie die von der Polente aussehen. Die beiden sind ganz gewöhnliche Hühnchen, die nur darauf warten, gerupft zu werden.«
Die Fahrt in die Albany Street verlief programmmäßig. Als das Taxi sich der Wohnung Mays näherte, ließ sie es halten.
»Wir wollen noch ein Stück zu Fuß laufen«, bat sie die anderen. Es war besser, die beiden ›Opfer‹ wußten am Morgen nicht, in welchem Haus sie die Federn hatten lassen müssen. Sie würden wegen ihres Rausches wohl kaum wissen, wo sie hingebracht worden waren, aber der Chauffeur könnte es, wenn Nachforschungen einsetzten, verraten. Die beiden jungen Leute hatten gegen einen kurzen Spaziergang nichts einzuwenden, und so schritten die vier nebeneinander der Wohnung Mays zu. Die Besucher sahen sich in einem elegant möblierten Empfangszimmer, schienen aber in der wirklichen Eleganz der Einrichtung nichts Außergewöhnliches zu finden. Pony nahm May beiseite und flüsterte ihr einige Verhaltensmaßregeln zu. Dann wandte er sich an die Angeheiterten.
»Miss Johnston bittet Sie, erst ein Glas zu trinken, ehe Sie wieder aufbrechen«, teilte er ihnen mit, »aber ich glaube, Sie werden beide genug haben, meine Herren, nicht wahr?«
»Nichts zu machen«, gab der eine der beiden zurück. »Wir nehmen an.«
Immer noch zögerte Pony.
»Spielen Sie Bakkarat?« fragte er. »Miss Johnston liebt das Spiel. Ich möchte Ihnen aber davon abraten, denn sie hat unverschämtes Glück mit den Karten.«
»Bakkarat?« Der Gefragte ließ einen Jauchzer los. »Mein Lieblingsspiel!« Er schlug Pony auf den Rücken, daß es klatschte. »Los, die Karten her! Aber ein bißchen rasch!«
»Ich spiele ungern!« warf der also Aufgeforderte ein.
Endlich mußte er den Bemühungen der beiden jungen Leute nachgeben. May brachte die Karten, und das Spiel begann.
Erst wendete sich das Spiel zugunsten der Gäste, bald aber kehrte ihnen Fortuna den Rücken. Ohne mit der Wimper zu zucken, bezahlten sie die immer größer werdenden Verluste, und