wies ihn der Chef scharf zurück. »Nennen Sie es ›Unternehmen‹. Jedenfalls wird also mein Sohn in Graeside wohnen und der glückliche Gewinner des Haupttreffers werden. Jetzt wissen Sie über alles Bescheid, und wenn wir mit unserer Lotterie erfolgreich sind, werden Sie sogar noch mehr als nur tausend Pfund bekommen. Ich bin kein Geizhals und belohne gern treue Arbeit. Wenn wirklich Schweinereien vorkommen sollten und irgendwelche Unzuträglichkeiten entstehen, dürfen Sie nie vergessen, daß Sie stets als der Verantwortliche auftreten. Sie werden bezahlt und müssen eben die Medizin schlucken, wenn sie auch noch so bitter schmeckt.«
Der junge Mann machte sich über diese Frage offensichtlich nicht viel Kopfzerbrechen. Wenn wirklich etwas vorkomme, werde er sich auch nicht umbringen. Mr. Burnstid möge in dieser Hinsicht ganz und gar beruhigt sein.
Die nächsten Wochen brachten Burnstid die Erfüllung aller seiner Wünsche.
Sein Büro in Genf, dem Stevens vorstand, funktionierte tadellos; die Lotterie war gut vorbereitet und propagiert worden, und der Erfolg war dementsprechend. Die Postanweisungen und Banknoten strömten in beinahe unversiegbarer Flut in die Kassen des Unternehmens. So sehr aber auch die Arbeit zunahm, Stevens behielt alles in der Hand und verlor auch im größten Andrang nicht den Kopf. Erst als alles in schönster Ordnung dem Ende zuging, traf Burnstid wie ein Blitz aus heiterem Himmel der erste Schlag.
Eines Tages wurde Stevens dringendst von seinem Chef ins ›Bellevue‹ befohlen. Burnstid lief im eleganten Salon wie ein gefangener Löwe auf und ab.
»So eine Schweinerei«, schimpfte er. »Jemand in England hat herausbekommen, daß Barney mein Sohn ist. Das ist um so schlimmer, als ja Barney mit seiner Frau schon in Graeside wohnt.«
»Donnerwetter, das ist wirklich eine miese Sache«, urteilte Stevens. »Nun ist Ihr schöner Plan ins Wasser gefallen, und Sie können den Haupttreffer Ihrem Sohn nicht mehr zuschanzen.«
Burnstid antwortete nicht. Dann verfluchte er die neugierigen Zeitungsschreiber in allen Tonarten. In alle Dinge, die keinen Menschen etwas angingen, steckten die Reporter ihre Nasen.
»Verdammt noch einmal, zu schlimm«, sagte er endlich. »Wir haben auch gar keine Zeit mehr, einen anderen Strohmann zu finden, der die Rolle meines Sohnes übernehmen könnte.«
»Was soll denn nun werden?« fragte sein Direktor.
Burnstid riß sich gewaltsam zusammen.
»Mein Teilhaber, Mr. Cowan, hat schon ein Plänchen gefaßt«, sagte er. »Ich halte seine Idee für gut. Haben Sie schon einmal etwas vom Preller gehört?«
»Vom Preller?« Stevens lächelte. »Davon gibt es doch sicherlich mehr als einen.«
»Quatsch. Ich meine den wirklichen, den berühmten Preller! Vor einigen Tagen erst stand etwas über ihn in der Zeitung. Er hat einen Ganoven in London um die Früchte seiner Tätigkeit geprellt und ihm sein ganzes Banknotenbündel abgenommen.«
»So was!« rief Stevens verwundert. »Wer ist er denn?«
»Die Zeitungen meinen, er sei ein ehemaliger Offizier, der das Geld leicht verdienen möchte. Seine Opfer sind die Ganoven. Eigentlich ist das sehr moralisch«, setzte er pharisäerhaft hinzu, »Ich halte das Unternehmen dieses Prellers für sehr gut. Wenn jemand stiehlt, dann geschieht ihm ganz recht, wenn er wieder bestohlen wird.«
»Was hat denn der Preller mit unserer Sache zu tun?« erkundigte sich Stevens.
»Setzen Sie sich, und ich werde es Ihnen erzählen.« Nach kurzer Pause fuhr er fort: »Nehmen Sie an, daß Sie und ich das Geld nach der Ziehung persönlich nach London schaffen und daß es zwischen Folkestone und London geklaut wird. Natürlich vom Preller«, fügte er auf den fragenden Blick Stevens' hinzu.
»Sie meinen, es wird gar nicht gestohlen, sondern wir geben nur vor, daß es geschehen sei?«
»Richtig!« Burnstid schlug dem intelligenten Stevens enthusiastisch auf den Rücken: »Verdammt noch mal, Stevens, dumm sind Sie wirklich nicht. Wir sprengen also das Gerücht aus, daß uns der Preller das ganze Gewinngeld geklaut hat. Aber wir, meine Teilhaber und ich, lassen uns dadurch nicht beeinflussen; wir werden die Hälfte der Gewinne, die uns ja gestohlen sind, aus eigener Tasche bezahlen.«
»Eine glänzende Idee«, erklärte der junge Mann voller Bewunderung. »Sie haben aber wirklich die Sache erfaßt.«
»Dazu kommt noch, daß unser Angebot, die halben Gewinne aus eigener Tasche zu bezahlen, obwohl sie uns gestohlen worden sind, eine glänzende Reklame für unsere nächste Lotterie sein wird. Man wird unsere Ehrlichkeit bewundern, während wir doch rund fünfzigtausend Pfund allein an ersparten Prämien in der Tasche haben. Um jedem Verdacht die Spitze abzubrechen, werden wir die Presse einladen, zur Ziehung Berichterstatter zu senden.«
»Ich habe einen Gedanken, Mr. Burnstid«, warf Stevens ein. »Damit alles so echt wie möglich aussieht, schlage ich vor, daß wir uns, während wir das Geld, das uns gestohlen werden soll, nach London überführen, von zwei Detektiven begleiten lassen. Ich kenne einen Mann, der eine Agentur betreibt, und bin sicher, daß er uns ein paar passende Leute besorgen könnte.«
Burnstid war von diesem Vorschlag keineswegs entzückt. Er stimmte ihm erst nach langer Überlegung zu.
Genau, wie sich die beiden die Dinge ausgemalt hatten, spielten sie sich später ab. Die Ziehung fand in Anwesenheit von Presseangehörigen statt. Zwei kräftige junge Londoner Detektive trafen rechtzeitig genug ein, um die beiden Geldtransporte, Burnstid und Stevens von Basel nach Boulogne zu begleiten.
»Wir haben die Detektive kommen lassen«, erklärte Burnstid den Presseleuten, »um die Transportgefahren zu verringern.«
Der Plan, den er mit Stevens vereinbart hatte, war einfach genug. In Folkestone sollte der Sack, der die Geldgewinne enthielt, einem der Teilhaber überreicht werden, der im Austausch hierfür Stevens einen Beutel mit alten Zeitungen einhändigen sollte. Der Teilhaber mit dem wirklichen Geld hatte sich per Auto so schnell wie möglich nach London zu begeben. Das Schiff würde in Folkestone gegen Abend bei Dunkelwerden eintreffen. Im Durcheinander der Landung konnte dann, trotz der Anwesenheit der Detektive, der Sack mit dem Zeitungspapier geraubt werden. Stevens übernahm die Aufgabe, diesen Raub so echt wie möglich zu inszenieren.
Alles verlief programmmäßig, mit einer einzigen Ausnahme. Einer der überwachenden Detektive wurde in Boulogne und auf der Überfahrt nach Folkestone so krank, daß er sofort aussteigen und in der genannten Stadt zurückbleiben mußte. Burnstid setzte deshalb die Fahrt nach London nur mit Stevens und einem der überwachenden Detektive fort.
Bei der Ankunft auf dem Charing-Cross-Bahnhof in London öffnete Burnstid den Geldsack in Gegenwart des begleitenden Detektivs und schrie, als er anstatt des Geldes das Zeitungspapier bemerkte, in gutgespieltem Entsetzen auf.
»Wir sind bestohlen worden, bestohlen! Mein Gott!« Er zog aus dem Beutel einen Briefbogen, der folgende Worte aufwies:
»Mit Gruß und vielem Dank vom Preller.«
»Entsetzlich!« stöhnte Burnstid.
»Fürchterlich!« murmelte Stevens.
Eine Anzahl Zeitungsberichterstatter hatten sich in Charing Cross eingefunden, um die Herren zu erwarten, die hunderttausend Pfund Banknoten zur Auszahlung der Gewinne mit sich führten. Ihnen vertraute Burnstid das schreckliche Ereignis an. Einige der Gewinner waren gleichfalls erschienen. Ihre Gesichter wurden, als sie die Mär vom Diebstahl der Gewinne erfuhren, merklich länger.
»Meine Herren«, wandte sich Burnstid an das Empfangskomitee, und seine Stimme schien vor unterdrückter Rührung zu zittern. »Die Gewinner sollen keinen Schaden erleiden. Ich selbst, ja ich, werde aus meiner Tasche die Hälfte der Prämien bezahlen. Dieses mein Versprechen ist ernst gemeint und mag den Betroffenen als Trost dienen.«
Stevens und Burnstid erreichten das Hotel. Als sie endlich in ihrem gemeinschaftlichen Salon allein waren, lächelten sie sich an.
»Alles in allerbester Butter«, meinte Burnstid. »Sie haben den Köder wie Zucker geschluckt. Wunderbar, die