Jörg Götz

20 Lagerfeuer- Geschichten


Скачать книгу

er sich nicht. Plötzlich viel die Tür ins Schloss und der Spuk war wieder zu Ende. Erleichtert atmete der Diener auf.

      Am nächsten Morgen wurden die Vorkehrungen noch verbessert. Nun brachte der Diener gleich 2 zusätzliche Schlösser an seiner Türe an und schob eine alte Diele unter den Türgriff. Trotzdem um Mitternacht das selbe Spiel. Genau um Mitternacht wurde er wieder von einem sich nähernden Tock-Tock-Tock-Geräusch geweckt. Die Schritte kamen näherund näher und blieben genau vor seiner Kammer stehen. Trotz Schlösser und Diele öffnete sich wieder die Türe. Schweißgebadet lag der Diener wieder im Bett, noch weiter unter der Decke verkrochen.

      "Wo ist mein Silberbein ! Wo ist mein Silberbein ?" hörte der den alten Grafen sagen und dabei immer näher kommend. Nun musste er ganz dich an seinem Bett stehen- der Diener hielt den Atem an - - wieder mit tiefer Stimme hörte er: "Wo ist mein Silberbein ! Wo ist mein Silberbein ?".... (kurze Atem - Pause)

      "Daaaaaa ist mein Silberbein !"

      (Regieanweisung: das "Daaaaaa" so laut brüllen, dass die Zuhörer recht zusammenzucken, die zuvor so gespannt auf die Erzählung gehört haben).

      Unheimlich- Die erste Nacht im Zelt

      In einer Gegend, wo sich die Füchse „Gute Nacht" sagen, bauten wir das Zeit auf, weit oben am Hang. Ein Windstoß hätte es davon gepustet, doch wir waren froh, dass es überhaupt stand, und krochen hinein. Der Boden hauchte eine nasse Kälte aus. Es war unsere erste Nacht im Zelt; und weil wir zwölfjährige Knirpse waren, dachten wir, das alles müsste so sein, und heuchelten Begeisterung. Wir lagen Rücken an Rücken wie zwei hochkant stehende Bretter. Die Kälte kroch bis ins Mark; und wir schwiegen endlich, weil wir keinen Satz mehr herausbrachten, ohne dabei mit den Zähnen zu klappern.

      Dann lugte der Mond zwischen den Waldbergen hervor, und in seinem fahlen Licht sah ich den Mann, der auf unser Zeit zukam. Er war noch weit entfernt. Seine Umrisse verschwammen bisweilen in den Nebelschleiern, die über den Boden geisterten. Der Schreck fuhr mir so in die Knochen, dass ich der Erscheinung starr entgegen sah und nicht den kleinen Finger rühren konnte. Der Wind trieb sein Spiel mit den Nebelschwaden und den Gräsern, die im Mondlicht zerrannen und wechselten die Konturen. Bald schien die Gestalt zu einem riesenhaften Berggeist anzuwachsen, der im Begriff war, über das Zelt hinwegzustampfen, dann schrumpfte sie zusammen, schien ein boshaftes Männchen zu sein, das lautlos auf uns zuschlich. „Rolf" - Endlich hatte ich den Namen meines Freundes herausgewürgt. „Ein Mann!" Ich krächzte wie ein Rabe. Rolf, zutiefst entrückt, war der vernünftigen Ansicht, dass mich ein Traum genarrt habe und kostete die Situation weidlich aus. „Wo?" quetschte er darum kurz und trocken hervor. Es klang gekonnt lässig und schläfrig. So reagieren Männer, die bei Wind und Wetter im Freien nächtigen und an umher schleichende Räuber gewöhnt sind. Ein solcher Mann war Rolf. Er wälzte sich herum und warf einen kurzen Blick nach draußen, „ich sehe keinen Mann", murmelte er sichtlich erleichtert.

      Seine Ruhe schien anzustecken. Vielleicht war das Ganze doch nur ein böser Spuk? Gerade da richtete sich der Mann drohend empor und war wieder leibhaftig da, dass ich erneut zusammenfuhr.„Da kommt er! Rolf, siehst du ihn nicht?" wisperte ich. Wir lagen Kopf an Kopf. Rolf spähte aufmerksam in die gleiche Richtung. Ein heftiger Ruck ging durch seinen Körper, und ich merkte daran, dass er den Mann gesehen hatte. „Er kommt hierher!" sagte Rolf mit unterdrückter Stimme, und nun war er es, der wie ein Rabe krächzte. „Sei doch still! Wenn er uns nicht hört, geht er vielleicht vorbei!" Das war ein klägliches Argument. Die Karte biß in die Augen, dass sie tränten. Stundenlang, so schien es uns, stand der Mann wie festgenagelt, um dann zögernd zwei, drei Schritte näher zu kommen.

      Der Mond verblasste. In das trübe Grau mischten sich matte Farbtöne. Das erste verschlafene Gezwitscher der Vögel kam aus dem Tal herauf, und über dem Hang wölbte sich der Himmel in einem milden Licht. - Da bückte sich der Mann, und als er sich mühsam aufrichten wollte, fiel ihm ein großer, schwerer Wassertropfen von der Nase. Wild starrte ich auf den Mann, reckte den Kopf weit hinaus, und meine Hand mit den gespreizten Fingern fuhr wie ein Florettdegen zwischen die Gräser. Wütend riß ich einen Halm samt Wurzel aus der Erde und hob ihn triumphierend in die Höhe.„Hier, Rolf! Hier ist der Mann I" schrie ich laut in den frühen Morgen hinein. Als wir dann den Mann genauer betrachteten, da war es ein Kreuzwurzelstängel. „Wilder Weizen", meinte Rolf sachkundig. Unser Blick fiel auf die durchsonnten Höhen jenseits des Tales; die erste Nacht im Zeit war überstanden!

      Lügen haben kurze Beine

      Eines Nachts – ich muss so um die 20 Jahre alt gewesen sein – ging ich zu Fuß die paar Kilometer zwischen Gevenich und Faid durch den Wald nach Hause. Ich kam von einem Junggesellenfest und hatte schon das ein oder andere Bier zuviel getrunken, war also nicht mehr der sicherste auf den Beinen. Da aber Vollmond war, sah ich noch recht viel und kam auch ganz gut voran. Bis zu diesem Tage machte es mir nichts aus, alleine und noch dazu nachts durch den Wald zu gehen...

      Ich hatte schon mehr als die Hälfte meines Weges zurückgelegt, da hörte ich plötzlich hinter mir schnelle Schritte. Noch bevor ich mich umdrehen konnte, um nach zu sehen, wer da vielleicht noch vom Fest aus durch den Wald nach Hause wankt, sprang mir plötzlich dieser Jemand ins Kreuz, hielt sich an mir fest und blieb "huckepack" auf meinem Rücken hängen.

      Natürlich dachte ich zuerst an einen schlechten Scherz meiner Freunde. Sie hatten mich bestimmt heimlich verfolgt und wollten sich totlachen, wenn ich vor Schreck anfinge zu schreien oder mir in die Hose mache würde! "Na Klasse! Toll gemacht von Euch!",rief ich also in den Wald, noch immer meine Last auf dem Rücken tragend, ohne erkennen zu können, wer es denn nun war. Ich bekam keine Antwort. Da mir mein Gast auf dem Rücken aber nun langsam zu schwer wurde und ich keine Lust hatte, auch noch mit ihm zu stolpern und meine Kleidung zu verdrecken, versuchte ich die Last abzuschütteln.

      Wer immer es auch war,er klammerte sich mit einem unheimlich festen Griff an mir fest und sagte kein einziges Wort. "Na gut, ihr habt mich zu Tode erschreckt. Ich zittere vor Angst. Ihr könnt euch jetzt zeigen!", rief ich erneut in den dunklen Wald, ohne jedoch Antwort zu bekommen. Da mein Passagier immer noch nichts sagte, versuchte ich, ihn zum Reden zu bringen. "Wer bist du? Was soll das?", fuhr ich ihn an. Keine Antwort. Soweit ich mich umdrehen konnte –daran, ihn abzuschütteln war immer noch nicht zu denken– erkannte ich jedoch einen Mann von vielleicht 60 Jahren mit einer Bekleidung, die mehr als nur altmodisch war. Er trug einen weiten Umhang und einen breitkrempigen Hut, der fast sein ganzes Gesicht verdeckte. Er schien mich und meine Anstalten ihn loszuwerden gar nicht zu beachten! Ich war jetzt auf 180! "Sofort los lassen! Jetzt reicht's aber!", rief ich und schüttelte mich wie wild hin und her. Kein Erfolg. Der Kerl saß immer nochfest wie angewachsen und sagte keinen Ton. Von meinen Freunden, die ich ja anfangs hinter der ganzen Sache vermutete, war nichts zu entdecken. So langsam wurde mir das alles unheimlich und ich beschleunigte meinen Schritt trotz der Last, um wenigstens aus dem Wald heraus zu gelangen. Vielleicht war in Faid ja noch jemand so spät unterwegs, der mir helfen könnte – oder die Lichter des Ortes würden den Mann auf meinem Rücken vertreiben!

      Als ich noch nicht ganz aus dem Wald herausgetreten war, war meine Last plötzlich verschwunden. Obwohl ich mich sofort umdrehte, sah ich nichts mehr von meinem unheimlichen Begleiter. Es knackte noch ein paar mal etwas weiter entfernt im Unterholz, dann war Ruhe. Ich setzte meinen Weg nach Hause fort und grübelte darüber nach, ob ich vielleicht so betrunken war, daß ich mir das alles nur eingebildet hatte. 'Nein. So viel hast du nun wirklich nicht getrunken', dachte ich noch, bevor ich dann endlich zu Hause im Bett lag und einschlief.

      Nach ein paar Tagen war ich der festen Überzeugung, mir das alles nur eingebildet zu haben. Eines der Bierchen auf dem Fest war wohl schlecht gewesen... Zwei Wochen später fand in unserem Ort die Kirmes statt. Nach dem Festumzug setzte ich mich mit meinen Freunden in das Festzelt und wir hörten der Blasmusik zu und erzählten uns dies und das. Am Nachbartisch saßen ein paar ältere Männer bei ihrem Bier und unterhielten sich– infolge der Musik und ihrer vereinzelten Schwerhörigkeit – so laut, daß ich fast alles mithörten konnte. "Ja, ja. Lügen haben kurze Beine!",rief einer von ihnen – worüber sie gerade redeten,wußte ich ausgerechnet zu diesem