Jörg Götz

20 Lagerfeuer- Geschichten


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Runde der alten Männer allmählich auf. Gegen 23 Uhr war nur noch der 72jährige Willi Schmitz übrig, der wohl noch ein wenig der Musik lauschen wollte. Ich bestellte zwei Bier und trat an seinen Tisch. "Darf ich mich zu euch setzten?", sprach ich ihn an und er nickte. Als unsere Gläser gebracht wurden fragte er,wie er denn zu der Ehre käme, eingeladen zu werden. "Ich habe eine Frage an dich, und ich hoffe du kannst sie mir beantworten.", sagte ich ihm geradeheraus. "Aber gerne doch. Wenn ich für jede Frage, die du mir stellst, ein Bier bekomme, können wir noch lange sitzen bleiben!", lachte er. "Ich habe eben zufällig gehört, wie einer an eurem Tisch sagte,daß jemandem der alte Scheffe auf den Buckel springen würde und darauf alle gelacht haben. Was hat es mit diesem Spruch auf sich?", fragte ich Willi Schmitz. "Ach, das ist ein alter Spruch, wenn jemand schwindelt. Den gibt's auch nur in Faid und Gevenich soweit ich weiß. Was ein Scheffe ist, weißt du doch hoffentlich?" Ich nickte. "Scheffe" ist die volkstümliche Bezeichnung für den Bürgermeister und stammt wohl ursprünglich von dem heute noch gebräuchlichen Wort "Schöffe" ab, was aber einen Beisitzer bei Gericht meint. "Nun, das ist eine alte Geschichte vom Ende des 17. Jahrhunderts. Mir hat sie meine Großmutter vor nun bestimmt schon 65 Jahren erzählt. Die meisten älteren Leute im Ort kennen sie noch – aber ihr jungen Leute...""Bitte! Erzähle sie mir!", fast flehte ich ihn an. Jetzt war ich neugierig geworden. Er fuhr fort zu erzählen. Im Jahr 1686 gab es einen Streit zwischen den Gemeinden Faid und Gevenich um ein kleines und eigentlich unbedeutendes Stück Wald, welches auf der Grenze zwischen den beiden Gemarkungen gelegen ist. Der Streit kam auf, als ein Gevenicher Bürger das Geweih eines kapitalen Hirsches in diesem Waldstück fand und mit nach Hause nahm. Es stammte von einem seltenen Zwölfender und sollte über dem Eingang der Gevenicher Amtsstube angebracht werden. Ein Mann aus Faid jedoch hatte dies gesehen. Er forderte das Geweih für seinen Ort ein, da es ja – seiner Ansicht nach – auch im Faider Wald gefunden worden sei.

      Die Bürgermeister und die Pfarrer beider Orte wurden zur Schlichtung herbei gerufen, ohne jedoch, daß es zu einer Einigung kam. Auch in den Unterlagen über die Grenzen und Besitztümer der Gemeinden fand sich nichts, was die Zugehörigkeit des kleinen Waldstückes festlegte. Da aber nun auch keiner der Amtsträger auf die Vergrößerung seines Ortes – und sei es auch nur um diesen kleinen Flecken– verzichten wollte, brach ein regelrechter Streit zwischen den beiden Nachbargemeinden aus, der über Wochen andauerte.

      Als dies nun in der Kreisstadt Cochem bekannt wurde, setzte der Amtsrichter Cornelius einen Ortstermin an dem betreffenden Wäldchen an, an dem die Beteiligten ihre Besitzansprüche vortragen sollten. Nach den vorgebrachten Argumenten, werde er dann entscheiden, zu welchem Ort der Wald gehöre, oder ob er zwischen beiden Orten aufgeteilt werde.

      Zum verabredeten Zeitpunkt trafen sich also Richter Cornelius, die Pfarrer beider Orte, der Faider Bürgermeister Clemen sMühlen und auch viele einfache Leute aus Faid und Gevenich im Wald. Nur Hieronymus Kessler, der Scheffe von Gevenich, war nicht zu sehen. Er hatte sich wohl verspätet und so wartete man noch ein wenig auf sein Eintreffen." "Und dann?", gebannt hing ich an den Lippen von Willi Schmitz. Ich bestellte noch zwei Bier. Der alte Mann trank einen kräftigen Schluck, sah mich zufrieden an und erzählte weiter. Als man gerade ohne Hieronymus Kessler anfangen wollte, die Sachlage zu klären, erschien der Gevenicher Bürgermeister doch noch. Außer einem für diesen Anlass eigentlich unpassenden großen Zylinder und hohen Reitstiefeln trug er ein geradezu unverschämtes Grinsen im Gesicht. Der Amtsrichter begann mit der Befragung der einzelnen Beteiligten. Immer noch wunderten sich alle über den überlegenen Gesichtsausdruck des Scheffen Kessler. Er galt als äußerst gerissener Mann. Was mochte er wohl im Schilde führen? Als nun die Reihe an ihm war, sich zu äußern, trat er in die Mitte der Menge und sah die Umstehenden triumphierend an. Er hob die rechte Hand zum Schwur und sprach mit kräftiger Stimme: "So wahr, wie der Schöpfer über mir ist, so wahrhaftig stehe ich auch hier auf Gevenicher Land!"

      Der Fall war entschieden. Einem Schwur auf Gott den Allmächtigen war nichts entgegenzusetzen und so wurde die Versammlung damit beendet, daß der Protokollführer des Richters ein Schriftstück aufsetzte, in dem das Waldstück der Gemeinde Gevenich zufiel.

      Da der Herr Scheffe Kessler hier vor angesehen Leut sein hochheilig Schwur that, ist die Streitfrag gelöset, welcher der zwei Gemeinden das Stückchen Wald zwischen Faid und Gevenich zusteht. Bis zum jüngsten Gerichte des allmächtigen Herren also soll es zu Gevenich gehören. Im Jahre des Herren 1686, am siebzehntenJuley gezeichnet vor vielerlei Zeugen.

      stand in der Urkunde, die Richter Cornelius sofort aufsetzen und unterzeichnen ließ. Zwei Wochen nach diesem denkwürdigen Tag, erkrankte Hieronymus Kessler schwer. Nur fünf Tagespäter war abzusehen, daß er diese Erkrankung nicht überleben würde, obwohl er eigentlich ein Mann mit einer ungewöhnlich guten Konstitution war. Als der Priester des Ortes zu ihm gerufen wurde, um dem Bürgermeister ein letztes Mal die Beichte abzunehmen und dem Todgeweihten die Sterbesakramente zu geben, machte Kessler diesem ein Geständnis.

      "Ich habe den Herrn geschmäht und verraten mit meinem unheiligen Schwur. Dies ist die Strafe für alles!", schluchzte er."Was meinst du, mein Sohn?", fragte der Pfarrer. "Ihr wart doch dabei, Hochwürden. Der Schwur im Wald. Ich lästerte Gott vor euer aller Augen und Ohren." "Wie das?", fragte der Geistliche, der den Schwur ja selbst erlebt hatte. "Erinnert ihr euch an den Zylinder den ich trug? Unter ihm versteckt hielt ich die Schöpfkelle meiner Frau – das war 'der Schöpfer, der über mir ist',", heulte er auf, "und das 'Gevenicher Landauf dem ich stehe' stammte aus meinem Garten und steckte in meinen Reitstiefeln...!" Der Bürgermeister starb noch am selben Tage. Da der Pfarrer ein geschwätziger Mann war und das Geständnis Kesslers nicht während der Beichte fiel, machte die List des Gevenicher Scheffen schnell die Runde. Obwohl einige Bürger aus Faid diesen nun anfechten wollten, blieb der Rechtsakt über den Wald bis in die heutige Zeitgültig.

      Die Geschichte von dem unheiligen Schwur des Bürgermeisters wäre wohl vergessen worden, wenn ihn nicht einige Leute in den folgenden Jahren in eben diesem Waldstück gesehen haben wollten. Den Aussagen dieser Zeugen nach, versuche sein Geist dieses Stück Wald zu durchqueren, ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen. Er springe dann einfach jemandem auf den Rücken und lasse sich tragen. Daher auch dieser Spruch, mein Junge." Willi Schmitz trank erneut und lachte mich an. Ich bedankte mich bei ihm und ging bald darauf nach Hause. Die Kirmes war jetzt für mich beendet und das Waldstück zwischen Faid und Gevenich habe ich seitdem nie mehr betreten...

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