Tobias Fischer

Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 3


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Körper und verschwand im Himmel. Nemesis entkam mit seiner Beute und scherte sich nicht mehr weiter um das Schicksal seiner abscheulichen Krieger, die jetzt zum Großteil bereits tot oder sterbend im Gebüsch lagen. Die Schrate rannten, doch noch immer schwirrten Pfeile aus dem Unterholz, erwischten sie im Rücken und ließen sie zu Boden gehen.

      Endlich zeigten sich die Angreifer. Große Männer und Frauen sprangen aus dem Gebüsch, Köpfe und Gesichter unter dunkelgrünen Kapuzen verborgen, bewaffnet mit Pfeil und Bogen. Einige zogen lange Schwerter und setzten den Schraten zu Fuß nach. Leichtfüßig wie Gazellen sprangen sie durchs Unterholz, jedes Hindernis problemlos überwindend. Die Streiche ihrer Schwerter waren genauso tödlich wie ihre Pfeile. Als Nächstes galoppierten Reiter mit ihren Pferden über den Festungshof, feuerten aus dem Ritt Pfeile auf Schrate und Fenrisse. Die riesigen Bestien heulten, stürzten mit durchbohrten Kehlen tot zur Seite. In nicht einmal zwei Minuten war der Kampf vorüber.

      Die Schrate und der Großteil ihrer unheimlichen Angreifer waren in den Wäldern verschwunden, nur die vielen scheußlichen Leichen auf dem Festungshof kündeten noch von der Schlacht.

      Einer der Reiter kehrte zurück, zusammen mit einer Schar Fußvolk. Er nahm die dunkelgrüne Kapuze ab. Ein schönes, aber strenges, jugendliches Gesicht blickte ihnen entgegen, die Augen eisblau und das dunkle Haar lang und gepflegt. Trotz seiner Jugend wirkte der Reiter stark und erfahren. Sein strenger Blick gebot Ehrfurcht und Respekt. Auf sein Handzeichen hin nahmen auch die anderen fremden Krieger ihre Kapuzen ab und enthüllten ebensolche Antlitze von herber Anmut, aus denen eine ewige Jugend zu leuchten schien.

      »Elben«, entfuhr es Tom begeistert. »Echte, richtige Elben!«

      Der Reiter trieb sein Pferd bis auf einen Meter an die vier Menschen heran. »Seid gegrüßt, Meister Nagamoto. Es ist schön, wieder einem Simanui zu begegnen. Doch gilt dies nicht für Eure Begleiter. Menschen sind im Waldland nicht willkommen!«, rief er in fehlerfreiem Englisch mit einem angenehmen, melodischen Unterton.

      Nagamoto trat vor und deutete eine Verbeugung an. »Ihre Anwesenheit war nicht ihre Entscheidung, Faeringel, Herr der Jäger Ihrer Majestät, der Königin des Volkes der Talarin. Wir sind alle Opfer jenes Hexenmeisters, den Eure Leute soeben verjagt haben.«

      Der Reiter, Faeringel, schien überrascht. Er verbeugte sich knapp. »Verzeiht, Meister Simanui. Als wir Euch in den vergangenen Tagen folgten, gewannen wir den Eindruck, dass einige Eurer Begleiter keine hehren Absichten verfolgten. Es liegt jedoch nicht an mir, über sie zu richten. Die Königin hat befohlen, sie im Palast vorzuführen«, sagte er und schenkte dabei vor allem Tamara einen skeptischen Blick. Danach wandte er sich an seine Leute. »Untersucht die Toten. Vielleicht erhalten wir so Aufschluss, wie die Schrate in diese Wälder gelangen konnten und welch neuartige Bestien sie mitgebracht haben.«

      Die Elbenjäger verbeugten sich und machten sich lautlos in alle Richtungen davon.

      Tamara löste sich von den anderen und humpelte dorthin, wo Dimitri und Xenia Hand in Hand am Boden lagen, ein Lächeln auf den Lippen. Tamara brach in die Knie und begann zu schluchzen. Diesmal kämpfte sie die Tränen nicht wieder fort, sondern weinte einfach drauflos. Veyron, Tom, Nagamoto und ein paar Elben eilten zu ihr.

      »Warum hat es die beiden erwischt und nicht mich? Sie waren noch so jung und naiv. Sie bekamen nie die Chance, ihr Leben zu leben. Ausgerechnet jetzt, wo Xenia endlich jemanden gefunden hatte, dem sie vertrauen konnte. Aber ausgerechnet ich bin übrig geblieben, als Letzte des Roten Sommers. Dabei hätten es diese beiden doch so viel mehr verdient.«

      Faeringel stieg von seinem Pferd. Er trat an die beiden reglosen Körper heran, bückte sich und untersuchte sie.

      Veyron bedachte dagegen Tamara mit prüfenden Blicken. »Sie sind selbst schwer verletzt, Miss Venestra. Zumindest deutet der immer größer werdende Fleck auf Ihrem Hemd darauf hin«, erkannte er.

      Tamara sah an sich herab. Tatsächlich. An ihrer Hüfte breitete sich ein Blutfleck aus. Sie zog das Shirt hoch, eine tiefe, blutende Wunde kam zum Vorschein. Dieser letzte Schrat hatte sie also doch noch mit dem Schwert erwischt. Jetzt, wo ihr diese Verletzung bewusst wurde, sackte sie zusammen. Tom und Nagamoto eilten an ihre Seite.

      Sie spürte den brennenden Schmerz und die Auswirkungen des Blutverlusts. Allmählich begann sie, das Bewusstsein zu verlieren. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich wach halten.

      »Jemand muss ihr helfen«, rief Tom voller Panik, aber Tamara schob ihn grob zurück.

      »Nein, es ist besser, wenn ich jetzt sterbe. Was soll ich hier noch? Alle Menschen, die ich kannte, sind tot. Ich wäre allein in einer Welt voller Feinde«, keuchte sie.

      Nagamoto baute sich vor ihr auf und reichte ihr die Hand. »Noch sind Sie nicht allein, Tamara. Es gibt hier zumindest drei Menschen, die in Ihnen mehr sehen, als Sie selbst in sich zu erkennen glauben. Für heute sind genug Menschen gestorben!«

      Zögerlich ergriff Tamara seine Hand, und er zog sie hoch. Es war fast unmöglich, seinen gebieterischen Worten nicht Folge zu leisten. Zwei Elbenjäger warfen ihr einen Umhang über die Schultern und stützten sie.

      Faeringel erhob sich wieder, musterte Tamara streng und bestimmend. »Wir werden Euch verarzten. Anschließend bringen wir Eure Freunde zum Palast der Königin. Ihr irrt Euch, Lady Tamara. In ihren Leibern steckt noch Leben, doch es bedarf mächtigerer Heilkunst, als wir sie hier besitzen, um sie zu retten. Ich denke, ich vermag die beiden am Leben zu halten, bis wir sie der Königin übergeben können.«

      Eine Schar Elben kam herbei, die Bahren aus Holz mit sich führten. Vorsichtig betteten sie Dimitri und Xenia darauf. Tamara wollte nicht getragen werden. Sie begnügte sich damit, sich die Wunden säubern zu lassen. Die Elben träufelten eine goldene Flüssigkeit darauf, verbanden sie danach mit den Blättern eines wohlriechenden Krauts und einer Stoffbandage. Anschließend gaben ihr die Elben einen dunkelgrünen Umhang, in den sie sich einwickelte.

      Veyron nutzte derweil die Zeit, um sich die zahllosen Schratleichen genauer anzusehen, ihre Waffen zu untersuchen – und auch die toten Fenrisse. Wie ein Kind am Weihnachstabend zwischen seinen Geschenken hin- und hereilte, so hüpfte nun Veyron voller Aufregung mal hierhin, mal dorthin. Er roch an den Leichen, zupfte ihnen die Haare aus, schnitt mit dem Taschenmesser Fetzen aus ihrer Kleidung. Mit seinem Smartphone (es hatte alle Strapazen wundersamerweise unbeschadet überstanden) untersuchte er Haut und Kleidung der toten Ungeheuer (mit einer Vergrößerungsglas-App, wie Tom annahm). Er sah ihm eine Weile interessiert zu und wartete, bis sein Patenonkel zu ihm zurückkam.

      »Sehr aufschlussreich. Ich glaube, ich kann jetzt alle losen Fäden miteinander verknüpfen. Außerdem darf ich sagen, dass aufgrund meiner jüngsten Erkenntnisse Eile angebracht ist. Wenn wir eine vollkommene Katastrophe für Elderwelt – und auch für die Unsrige – abwenden wollen, müssen wir das Juwel des Feuers vor Nemesis finden. Wir haben in diesem Wald viel zu viel Zeit vertrödelt. Lasst uns die Sache jetzt endlich von der richtigen Seite anpacken«, sagte er, erfüllt von neuem Tatendrang.

      Tom wandte sich an Nagamoto, um ihn zu fragen, wo sie nun eigentlich hingingen.

      Der Simanui grinste begeistert. »Nach Fabrillian, ins letzte große Reich der Elben.«

      Nachdem Tamara verarztet war, wurden die Toten bestattet. Said und Carlos legten sie in zwei tiefe Gräber und markierten sie mit großen Felsblöcken. Blitzschnell hatten die Elben auf Nagamotos Geheiß Inschriften in die Felsen gemeißelt, die kurz und knapp Auskunft über die Toten gaben.

      Für Tom war es einer der traurigsten Tage seines Lebens. Eigentlich hatte er geschworen, die ganzen Terroristen für alle Zeit zu hassen, jetzt ging es ihm dennoch irgendwie nahe. Vielleicht lag es an dem langen und letztlich verlorenen Todeskampf, den Carlos durchlitten hatte, vielleicht aber auch an den Tränen, die Tamara vergoss. Ihr Gesicht war kreidebleich, aller Lebensmut schien sie verlassen zu haben. Tom hoffte, dass es nur an den von den Schraten verursachten Verletzungen lag. Wenn sie leiden, sind doch wieder alle Menschen gleich, dachte er trübsinnig.

      »Nun liegen also im Hof von Ferranar zwei weitere Krieger begraben«, sagte Nagamoto nach einer Weile.

      »Den Tod vor