Holger Schossig

Sie kommen heute aber spät!


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schüttelt er den Stift und tippt mit dem Finger vorne auf die nicht vorhandene Mine.

      Kunde: „Der schreibt ja gar nicht.“

      Ich: „Bitte noch eine Unterschrift.“

      Kunde: „Vorname oder Nachname?“

      Ich: „Ein Paket für Sie.“

      Kunde: „Von wem kommen Sie denn?“

      Weil die Firmenbezeichnung ja nicht auf meiner Jacke und dem T-Shirt, vorne, hinten und an den Armen steht, außerdem auf Aufklebern auf dem Paket …

      Der Bußgeldkatalog

      Wenn von einem Bußgeldkatalog die Rede ist, dann weiß jeder, dass darin die Strafen für zu schnelles Fahren, für das Fahren ohne Gurt, für das Telefonieren am Steuer und für das Überfahren von Fußgängern … Pardon, von roten Ampeln zu finden sind. Nun hat aber nicht nur Deutschland einen solchen Bußgeldkatalog, sondern auch unser Paketdienst. Dort steht nicht drin, wie viel man zahlen muss, wenn man zu schnell mit dem Lieferauto auf der Straße unterwegs ist, denn das interessiert keinen. Wer erwischt wird, muss die Strafe sowieso selbst zahlen, und wer ein Fahrverbot erhält, der hat halt keinen Job mehr. So einfach ist das. In unserem Bußgeldkatalog sind dafür andere drakonische Strafen verzeichnet, bei denen man schnell arm werden könnte. In erster Linie mal die Subunternehmer, doch wenn der Fahrer Schuld hat (was in den meisten Fällen so ist oder so hingedreht wird), dann wird die Strafe eben auf ihn abgewälzt.

      Besagten Bußgeldkatalog habe ich mir mal von meinem Chef geben lassen. Da stehen Dinge drin, da schlackerst du mit den Ohren. Und die (Geld-)Strafen erst …

      50 Euro – Pakete auf den Boden schmeißen (pro Paket)

      30 Euro – Pakete werfen (pro Paket)

      5 Euro – Nicht mitgenommene Pakete (pro Paket) (zzgl. Kurierkosten)

      20 Euro – Nicht abgegebene Rollkarte am Abend

      40 Euro – Vergessene Pakete im Auto (pro Paket)

      100 Euro – Verlorenes Paket (pro Paket) (zzgl. Entschädigungskosten)

      Kündigung – Pakete öffnen

      Kündigung – Pakete selbst unterschreiben

      25 Euro – Auto extrem verschmutzt

      25 Euro – Rauchen im Auto

      40 Euro – Autotüren beim Paketsortieren am Morgen offen

      40 Euro – Beladenes Auto offen, Paketfahrer nicht am Fahrzeug

      30 Euro – Fehlende Benachrichtigungskarten im Auto

      30 Euro – Fehlende Abwesenheitsaufkleber im Auto

      30 Euro – Fehlender Scannerstift

      30 Euro – Fehlendes Scannerladekabel

      30 Euro – Fehlende Scannertasche

      30 Euro – Fehlende Warnweste

      30 Euro – Fehlender Verbandskasten

      25 Euro – Zu schnelles Fahren auf dem Firmengelände

      25 Euro – Falsches Parken auf dem Firmengelände

      50 Euro – Falsches Parken auf dem Firmengelände mit Behinderung

      50 Euro – Nichttragen der Dienstkleidung

      25 Euro – Verschmutzte/kaputte Dienstkleidung

      25 Euro – Keine Sicherheitsschuhe

      Kündigung – Alkoholkonsum im Dienst

      Das hat doch was, oder? Dann hätte ich als Fahrer aber auch noch so einige Vorschläge für einen Bußgeldkatalog, wenn sich die Mitarbeiter des Depots Böcke leisten, die zu Lasten von uns Fahrern gehen, denn das wird natürlich nicht geahndet. Beispiele gefällig?

      20 Euro – Zu langes Warten auf die Rollkarte

      30 Euro – Zu spät aus dem Depot kommen

      40 Euro – Sich blöd von Servicemitarbeitern anreden lassen müssen

      20 Euro – Zu langes Warten am abendlichen Schalter

      20 Euro – Zu langes Warten bei der Paketrückgabe

      10 Euro – Anrufen während man auf Tour ist (pro Anruf)

      10 Euro – Zusätzliche Kundenwünsche erfüllen (pro Wunsch)

      Das wäre ein schöner Nebenverdienst für uns. Ich könnte noch ein Weilchen so weitermachen, doch das würde den Rahmen sprengen. Aber Paketfahrer sind nun mal das letzte Glied in der Kette – aber eines, ohne das der Service nicht funktionieren würde. Vielleicht sollten sich das die Verantwortlichen mal überlegen.

      Paketdienst-Koalitionen

      Vielleicht fragen Sie sich schon seit ein paar Seiten, bei welchem Paketdienst ich denn nun eigentlich war? Dies möchte ich nicht so offensichtlich preisgeben. Aber ich kann Ihnen selbstverständlich ein paar Hinweise geben, wodurch Sie sicherlich darauf kommen.

      Bei den Paketdiensten ist es fast wie bei den Parteien in unserem Land. Jeder hat eine andere Farbe. Da gibt es die Gelben, die Braunen, die Roten, die Schwarzen, die Orangenen, die Weißen und die Blauen. Das sind die Grundfarben, worauf dann noch die Schrift gesetzt wird, die ebenfalls wieder eine andere Farbe hat. Nämlich Rot, Weiß, Gelb, Blau und Schwarz.

      Drei Buchstaben haben die meisten: DHL, DPD, GLS, TNT, UPS. Nur Hermes macht da eine Ausnahme, wobei die sich wohl intern als HVS (Hermes Versand Service) bezeichnen.

      Nun können Sie gerne kombinieren und überlegen, welcher Paketdienst welche Grundfarbe hat und welche Buchstabenfarbe dort am besten zur Geltung kommt. Ach, fast hätte ich es noch vergessen: Die Kleidung der Paketfahrer hat nicht immer dieselbe Farbkombination wie die Farbe der Lieferwagen, was das Ganze nicht gerade einfacher macht. Denn bei den Fahrzeugen wird Blau plötzlich zu Weiß oder Rot zu Schwarz. Gerne können Sie auch Ampel- oder Jamaika-Koalitionen bilden. Ach halt, das geht ja nicht, denn Grün ist nicht dabei. So ein Mist aber auch …

      Ach ja, kleiner Tipp: Ich war bei den Blauen.

      Sie kommen heute aber spät

      Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das wissen wir alle. Auch ich gehöre dazu. Bei mir muss alles in geregelten Bahnen verlaufen. Wenn plötzlich etwas anders ist, dann dauert es, bis ich mich daran gewöhne. Dass man nicht immer alles so planen kann, dass es zur selben Zeit passiert, ist natürlich klar. So ist das auch bei unserem Paketboten. Er kommt nicht immer um dieselbe Uhrzeit, was logistisch gar nicht möglich ist. Wenn er dann anstatt früh um 8 Uhr erst nachmittags um 16 Uhr kommt, wundert man sich allerdings schon.

      Wie auch immer, meine Kunden sind auch an Zeiten gewöhnt und wundern sich da schon über eine weitaus geringere Differenz. So beginne ich in der Regel meine Tour in Auerbach zwischen 9 Uhr und 9.30 Uhr. Je nachdem, wann ich aus dem Depot komme und ob auf der Autobahn Stau ist oder dergleichen. Neben privaten Kunden habe ich auch viele Geschäfte bzw. Firmen. Darunter in Michelfeld die Firma X-tra in der Hauptstraße. Dies ist meist mein erster Stopp. An einem Montag im November hatte ich einmal vier Pakete für besagte Firma. Dies tat ich allerdings – mir sei es verziehen – zu einer Zeit, zu der man das nicht tut. Zumindest wurde mir das eindringlich mit den Worten „Sie kommen heute aber spät“ nahegelegt. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir: Es war 9.45 Uhr.

      Auch die andere Alternative ist durchaus möglich. Da ich auf meiner Tour nicht immer gleich viel zu tun habe und es somit auch mal schneller geht, kann es sein, dass ich früher als erwartet beim Kunden bin. So geschehen an einem Mittwoch im August (im Sommer ist meist weniger los). In der Regel bin ich bei der Firma Klungert in Betzenstein so gegen 15 Uhr. An diesem Tag war ich allerdings schon um 14 Uhr dort. Hier freute man sich allerdings, dass