Magnus Drechshage

Auf Umwegen...


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und schaut mich tief an.

      „Ja, sogar einige Male, um wirklich alles zu verstehen. Wissen sie, es hilft mir eigene Verse zu formulieren, wenn ich perfekte Poesie verinnerlicht habe und…“

      „Gut…das reicht mir schon“, unterbricht mich der junge Mann „sie dürfen gerne meine Geschichte benutzen…es fällt mir nicht leicht, diese aus der Hand zu geben…aber sie scheinen wirklich daran interessiert und eine Leidenschaft zu besitzen, welche ich leider bei den wenigsten Menschen erkennen kann“

      „D-Danke…“, stottere ich atemlos hervor.

      „Und“, fährt Malcolm fort, „das hebt Sie von der Masse ab…Sie sind ein Künstler und einem Künstler vertraue ich…ich vertraue darauf, dass sie die Seele der Arbeiten unverändert lassen und meine Geschichte zum Leben erwecken. Ich wünschte ich hätte mehr Zeit! Wir könnten zusammen was Wundervolles schaffen! Ich vertraue ihnen mein Tagebuch an…behandeln sie es gut!“

      „J-Ja ja…das verspreche ich!“

      „Außerdem werde ich Ihnen eine Mail schicken mit dem Link zu meinem Blog…bitte verwenden und verweben sie die kleinen Erzählungen dort mit den Einträgen im Tagebuch…so hätte ich das Buch geschrieben und so wünsche ich mir, dass Sie es verfassen…ist das okay?“, und er schaut mich mit einem bizarren herausfordernden Blick an, der mir für eine Sekunde die Sprache verschlägt.

      Ich kneife unwillkürlich leicht die Augen zusammen.

      „Okay…das ist super! Das ist fantastisch! Ich bin schon gespannt Ihren Blog zu lesen und vielen Dank!“, vollende ich meinen Satz und bin weiterhin sprachlos.

      Malcolm hat mittlerweile seinen Kopf wieder gesenkt und streichelt ununterbrochen den schnorchelnden Fundi unterm Tisch. Er sieht aus, als wenn er in einer anderen Welt abgetaucht ist. Er grübelt, krault und träumt. Ich kaue wieder auf den Zwiebeln rum und nippe am Kaffee. Mein Hirn läuft heiß. Es braucht eine Auszeit. Es war nicht professionell aufgewärmt, das hatte ich verbockt. Ich schäme mich. Ich hätte schlagfertiger sein müssen. Bin eingeschüchtert von der Person vor mir, welche mich fasziniert, aber mich so klein mit Hut fühlen lässt.

      Malcolm blinzelt gleich doppelt. Er fokussiert mich. Seine Grübchen werden tiefer. Offensichtlich, der junge Mann kann sein Lächeln nicht länger zurückhalten und ein lautes Grinsen entkommt ihm. Ich steige direkt mit ein und muss fast lauthals Lachen. So ein Glück, denke ich mir, die Atmosphäre, die Stimmung ist wieder locker und fröhlich. Mein Nacken entspannt sich, in einem Ruck, das Koffein entfaltet seine volle Wirkung und das Hirn kühlt auf die passende, effizienteste Temperatur runter.

      Die Kellnerin kommt an unseren Tisch und stapelt geschickt die vielen Tellerchen, Schälchen und Tässchen auf ihre grazilen Unterarme. Eine hübsche junge Frau, fährt es durch meinen Kopf, was sie wohl studiert? Lehramt! Ja ganz sicher. Bestimmt Religion, Deutsch und Kunst oder so was. Ihr Bluse ist bis obenhin zugeknöpft. Das ist einfach zu bieder, um etwas Cooleres zu Lehren. Und sie weicht meinem Blick aus, also ganz bestimmt Religion.

      Ach, wie dem auch sei! Bitte etwas mehr Konzentration Herr sogenannter Autor höre ich zu recht aus dem lesenden Publikum!

      Worauf ich eigentlich hinaus wollte: „Herr Dreibuchenhain, wie viel Zeit haben sie noch? Ich würde Ihnen gern ein Mittagessen und ein Bier dazu spendieren, um noch etwas mehr von Ihnen zu erfahren“, Gebe ich locker flockig von mir, als wenn die vorherige Schüchternheit mich nie umklammert hätte.

      „Au ja! Das klingt sehr gut!“

      Ich winke der Religionslehrerin zu, sie soll uns doch bitte schnell zwei Bier bringen und wir überlegen solange, ob wir uns lieber das duzend Weißwürste teilen oder jeder eine zünftige Schweinshaxe verdrücken mag.

      Während wir ein paar weitere Stunden hier verbringen, lerne ich viel über seine Geschichte. Lieber Leser, ich werde sie bald mit Ihnen teilen. Seien Sie gespannt!

      Ich verlasse mein Stamm-Café am späten Nachmittag. Es ist schon dunkeln und dieser dämliche Schnee fällt immer noch. Der Schneeschieber muss aufgegebene haben, denn sein mühselig freigeschobener Fußweg ist mindestens zehn Zentimeter mit frischem Schnee bepudert. Ich stapfe tapfer durch die Wehen und denke unwillkürlich an Kapuschinskis Workuta. Der eisige Wind schneidet messerscharf in die trockene Haut, es ist stockdunkel und eingemummte Gestalten huschen an mir vorbei.

      Malcolm und Aqua sind etwa eine Stunde vor mir aufgebrochen. Ihre Spuren hat der Winter längst gefressen. Wann werde ich sie wiedersehen? Welche Jahreszeit wird dann sein? Wird mich Aqua wiedererkennen? Es fällt mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Endlich erreiche ich die U-Bahn. Ich gehe vorsichtig die Treppe, Stufe um Stufe. Will nicht ausrutschen. Steige in die Bahn, setze mich. Der Zug rollt los. Ins dunkle. In die Zukunft. Ich nicke ein und träume. Sehe Kängurus, Eukalyptus, den Nobelpreis, Aqua, rote Erde und Hoffnung.

      Kapitel 4: Survival of the fittest

      Schnell die Jeans aus und rein in meine Gemütlichkeitsbuxe. Fünf gehäufte Löffel Instantkaffeepulver in die Kanne, mit viel Wasser aufgießen und mit fast genauso viel Milch veredeln. Heute gönne ich mir sogar einen Löffel Zucker. Der Abend wird lang. Das Nickerchen in der Bahn hat gut getan. Ich fühle mich energetisch und motiviert. Kann es kaum erwarten den Blog von Malcolm zu lesen und die ersten Entwürfe für Das, für mein neues Buch zu kreieren.

      Der Computer fährt hoch. Mein Hirn hüpft vor Begeisterung und fühlt sich an, als wenn Usain Bolt innendrin seine Schuhe schnürt, um einen neuen unsagbaren Weltrekord zu laufen. Schnell noch eine Packung Kekse aus der Schublade gekramt und einen ersten in den Kaffee getunkt und saftig in den Mund gesteckt.

      Ich beobachte Onegin vor dem Fenster wie er still und fern zu Boden tanzt. Öffne den Browser. Tippe die Adresse ein. Und es ist soweit! Lieber Leser! Tada! Hier und jetzt, endlich fängt das Buch an! Die Story beginnt. Ich suche den ersten Eintrag, muss ein paar Seiten zurückblättern, um ihn schließlich am Ende der Ersten zu finden. Eingerahmt von Bildern des tropischen Darwin. Gepostet vor ein paar Jahren:

       ...bin nach langem Flug und in einem tropischen Sturm ‚sicher′ in Darwin gelandet...

      Dies wird also der Blog von meiner Reise Down Under und werde versuchen öfter mal Fotos und Neuigkeiten zu posten...

      Meine ersten Eindrücke:

      Wow...wusste gar nicht, dass der menschliche Körper in so kurzer Zeit so viel schwitzen kann...der Wahnsinn!

      Und...welche Sprache sprechen die Menschen hier wohl? Man sagt, es sei Englisch...doch der Beweis steht noch aus...ich verstehe nix!

      Bin dabei die Stadt und das Umland zu erkunden...und das ist echt spannend...

      Papageien fliegen in Schwärmen krächzend über mich hinweg...gewaltige Wolken blitzen am Horizont leuchtend auf...und das Meer ist wunderschön Türkis Blau!

      In seinem Tagebuch finde ich folgende Beschreibung Malcolms erster Eindrücke vom Top End Down Under:

       Tag 1 08 Nov./11

       In Darwin:

       Scheißenerna…wat nen Wetterchen…heiß und schwül…nur am schwitzen…denke die ersten Tage werden schwer für mich…fühle mich etwas allein und verloren hier…aber das wird schon…is kaum zu glauben, dass ich in Australien bin!!! Hier…so weit weg…

       Abends…sitze am Wasser, der Esplanada und bin ziemlich kraftlos…mir fallen die Augen zu…kraft- und energielos…somit beende ich diese Notiz…

       Seine ersten Versuche mit dem Blog und dem Tagebuch. Sie waren noch etwas holprig. Ich verspreche Ihnen, es wird spannender. Ich nehme hier einfach vorweg, dass es später zu unterschiedlichen Darstellungen kommen wird. Der Blog ist für die Öffentlichkeit. Soll gefallen, positiv metaphorisieren. Das Tagebuch ist persönlich, Geheim, ein Schatz, bietet Platz für Wut und Ärger und Träumereien, Fantasien. Sorgen und Gedanken können von der Seele geschrieben werden. Doch schaue selbst, lieber Leser: