Honora Holler

Das Törtchen-Team


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wurde, dass Frau Allington die Klassenarbeit von gestern korrigiert hatte. Eine Vier in Englisch, wieder mal. Verdammt, dachte sie bei sich und ließ ihre Finger knacken, was ihr einen tadelnden Blick von Lulu eintrug, die vor ihr saß. Englisch war Lulus Glanzfach. Kein Wunder, wenn man seine Sommerferien auf einer Sprachschule verbrachte, dachte Sophie säuerlich. Der restliche Englischunterricht schleppte sich mit der Korrektur der Klassenarbeit dahin. Als der Gong zur Mittagspause erklang, war Sophie richtig erleichtert. Anschließend noch drei Stunden Sportunterricht und danach war für diese Woche Schluss. Denn Freitags gab es glücklicherweise keine Lerngruppe.

      Im gesamten Sportunterricht überlegte Sophie, in welchem Fach sie starten sollte: Physik, Chemie oder doch Biologie? „Sophie pass auf!“ Hörte sie noch, als ein Volleyball sie unsanft aus ihren Überlegungen riss. „Aua“, schrie sie und rieb sich mit ihrer Hand am Kopf, wo der Ball sie getroffen hatte. „Alles in Ordnung? Setz dich besser für den Rest der Stunde auf die Bank“, sagte Frau Löffel, die junge Sportlehrerin besorgt. Dankbar setzte sich Sophie an den Rand.

      Während sie ihre Mitschülerinnen beobachtete, die leicht und schlagkräftig den Volleyball über das Netz spielten, wanderten Sophies Gedanken wieder zu dem Stipendium und ihrem Notendurchschnitt.

      Neben Englisch war ihr zweites schlechtes Fach: Sport. Warum legte man in dieser Schule nur so viel Wert auf Sport, sinnierte sie missmutig. Dreimal die Woche je drei Stunden Sport. Sophie fand das viel zu viel. Mehr Naturwissenschaft hätte sie besser gefunden. Sie brauchte ein kleines Wunder um ihren Notendurchschnitt auf Kurs zu bringen. Mit einem Seufzer stand sie auf, die Sportstunde war zu Ende und ein halbes Jahr blieb ihr ja noch. Mit der Prüfung am Ende des Schuljahres konnte sie ja noch viel ausgleichen, aber eben auch viel verlieren. „Es ist zum verrückt werden“, haderte Sophie. Warum musste Frau Sommer auch nur schwanger werden. Mit ihr als Englischlehrerin hatte es so gut geklappt. Nur Zweier, mündlich sogar eine Eins und jetzt abgerutscht auf eine Vier - schriftlich wie mündlich.

      Als letzte zog sich Sophie an und verließ dick eingepackt die Umkleidekabine. Seit Weihnachten hatte es immer wieder geschneit und jetzt Mitte Januar zeigte sich der Winter von seiner schönsten Seite. Sie lächelte als sie im dämmrigen Rest des Tageslichts durch den Schulpark stapft. Der Schnee knirschte bei jedem Schritt. Sie sog die kalte Luft ein. Mit einer kindlichen Freude atmete sie große Dampfwolken aus. Wie eine Lokomotive stapfte sie an den Schulgärten mit seinen Raureif überzogenen Grünkohlpflanzen und den Streuobstbäume, mit ihren leuchtenden Äpfeln, vorbei. Die Außensportanlagen ließ sie mit einem innerlichen Frösteln hinter sich. Glockengeläut hallte durch die Luft. Sie musste schneller gehen, wollte sie ihren Bus zur Frau Hummel erwischen. Sie kürzte den Weg ab, indem sie über den zugefrorenen Teich lief. Die Fassade der Friedrich-Stein-Schule hob sich hinter ihr, wie ein Scherenschnitt von der weißen Winterpracht, ab.

      Onta, Irland - Ein guter Tag

      Der Bus fuhr auf den Parkplatz, öffnete seine Türen und entließ unter Gelächter und Gekreische eine rot gemusterte Schülerinnenschar. „Onta, Onta! Schau mal die von der Lough Neagh-Schule sind auch schon da“, rief Megan und deutete auf eine Gruppe Mädchen, in blauer Schuluniform, die gerade die Tür des Antrim Schwimmbads passierten. Sind die groß, dachte Onta. „Keine Sorge Mädchen, die schlagen wir“, versuchte Frau Ellroy ihre Schützlingen zu beschwichtigen: Dreißig Mädchen in der roten Schuluniform der Mourne Wall-Schule. Das dreißigköpfige Schwimmteam mit seinen Fans und der Sportlehrerin Frau Ellroy.

      Onta, war aufgeregt, es kribbelte in ihrem Bauch. Dies war ihr dritter Schwimmwettkampf. Sie sog die chlorgeschwängerte Luft des Schwimmbads tief ein. In den ersten beiden Wettkämpfen hatte sie nur einen Fünften und Vierten Platz belegen können, doch diesmal wollte sie siegen. Wie jede ihrer Teamkolleginnen hatte sie in den letzten Wochen jede freie Minute im Schwimmbecken der Mourne Wall-Schule verbracht und trainiert. Hundert Meter Freistil war ihre Disziplin. Das Kribbeln und die Übelkeit nahmen zu, je näher sie der eigentlichen Schwimmhalle kam. Wie in Trance zog sie ihren Badanzug an, das Kichern und Gerede der anderen Schwimmerinnen rauscht einfach an ihr vorüber. Du musst dich auf deine Atmung konzentrieren, wiederholte Onta immer wieder innerlich, als sie die Tür zur Halle durchschritt. Sie blickte sich kurz um.

      Die Tribüne war ein bunter Teppich aus Rot-, Blau- und Grüntönen. Alles Farben der unterschiedlichsten Schulen, die an diesem Wettkampf teilnehmen würden. „Los, Mädchen auf zum Einschwimmen“, forderte Frau Ellroy sie auf. Nacheinander ließen sich Rebekka, Abby, Isabelle und auch Onta in das Wasser gleiten. Ihre Altersstufe war zuerst dran. Das kühle Nass und die gewohnten Bewegungen beruhigten Ontas Nerven ein bisschen und das lähmende Gefühl der Übelkeit verschwand Zusehens.

      Zwanzig Minuten später begann der Wettkampf. Zuerst war Abby dran: Kurzstrecke fünfzig Meter Schmetterlingsschwimmen, danach Onta. Sie sah sich um, die anderen Schwimmerinnen machten sich bereit. Die Mädchen der Lough Neagh-Schule, waren die Favoritinnen: groß, schlank, durchtrainiert. Es hieß sie verbrachten mehr Zeit im Wasser als in den eigentlichen Schulräumen. Dann gab es da noch, die Mädchen der Armagh-Schule mit ihren grün-goldenen Badeanzügen, die grauen Giants-Schülerinnen, die blauen Glens und die schwarzen Falcon-Mädchen.

      Alles gute Schwimmerinnen, die hier um den Einzug in das Landesfinale kämpften. Onta atmete tief durch. „Trii!“, das Startsignal, ertönte. Abby sprang mit den anderen zeitgleich ab. Kein Fehlstart, dachte Onta erleichtert. Abby tauchte ein und durchbrach nach zehn Meter wieder die Wasseroberfläche. Der Lärmpegel schwoll an, das Neagh-Mädchen setzte sich bereits ab, dicht gefolgt von Abby und der Glenschwimmerin. Abby holte auf, doch wie ein grauer Blitz zog die Giants-Schwimmerin an ihr vorbei und auch das Glenmädchen, setzte an Abby zu überholen. Sie waren gleichauf. „Du schaffst es Abby“, schrie das Schwimmteam, Frau Ellroy und die Mädchen von der Tribüne. Das Ende der Bahn näherte sich. Das Neagh-Mädchen schlug als erste an, gefolgt von der Giants-Schwimmerin und – Onta kniff ihre Augen zusammen um besser sehen zu können: Ja! Abby hatte es geschafft! Das Schwimmteam jubelte und die Mädchen auf der Tribüne, schwenkten wie wild ihre Wimpel. Das war schon mal ein guter Anfang, dachte Onta.

      Dann war sie an der Reihe. Nochmals nass machen, auf den Startblock gehen, tief durchatmen. „Trii!“ Onta taucht ein und hörte einen doppelten Pfeifton. Fehlstart. Verdammt! Alle kletterten mit verärgerten Gesichtern aus dem Wasser. Das rothaarige Giantsmädchen, war zu früh gesprungen. Also noch mal, nimm all deine Konzentration zusammen, sagte sich Onta, als sie sich wieder auf den Startblock stellte. Ihre Zehen krallten sich um den Startblock. „Trii!“ Das Startsignal, abspringen, eintauchen und los. Kein Fehlstart. Alle kraulten wie besessen los. Noch war Onta gleichauf mit der Neagh-Schwimmerin neben ihr. Doch auf der anderen Seite - zwei Bahnen weiter - sah sie beim Luftholen, dass das Mädchen im rot-grünen Badeanzug bereits die Führung übernahm. Schneller Onta, feuerte sie sich selbst an und erhöhte das Tempo. Die Wende. Der Lärmpegel in der Halle schwoll an. Onta hatte die Ausreißerin schon fast wieder eingeholt. Diese hatte nur noch einen halbe Armlänge Vorsprung. Das schaffst du, sagte sich Onta immer wieder und holte tief Luft. Kraul durch, nicht mehr Luftholen und du hast sie geschlagen. „Onta, Onta“, hörte sie Frau Ellroy noch schreien, bevor die Anfeuerungsschreie zu einem murmelnden Klangteppich unter dem Wasser verschmolzen. Das Neagh-Mädchen wurde langsamer, und fiel zurück. Jetzt hatte sie die Armagh-Schwimmerin eingeholt. Onta durchpflügte die Wasseroberfläche, das Wasser schäumte, silbrige Luftblasen stiegen auf, sie sah das Ende der Bahn. Anschlag. Geschafft!

      Sie tauchte auf und holte tief Luft. Das Blut hämmerte in ihren Adern, die Sicht wurde nach und nach wieder klarer und sie hörte, wie der Hallensprecher verkündete: „Erste: Rose Abigall von der Armagh-Schule, Zweite: Onta Namara von der Mourne Wall-Schule und Dritte: Chloe Fitzpatrick von der Lough Neagh-Schule.“ Zweite, ich bin Zweite, Jiphiie! Jubelte Onta und riss sich die Badekappe vom Kopf. Sie strahlte Rose an, die ebenso von einem Ohr zum anderen grinste. „Gratuliere ihr beiden“, presste Chloe zwischen ihren Zähnen hervor, als sie das Wasser verließ. Mit einem „Toll, gemacht Mädchen“, umarmte sie Frau Ellroy bevor sich Abby, Isabelle, Rebekka und die anderen jubelnd auf sie stürzten.

      Onta atmete tief durch, nachdem sich alle wieder beruhigt hatten.

      Rebekka war jetzt am Startblock: