Elisa Scheer

Die Erbschaft


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      Alles frei erfunden!

      Imprint Die Erbschaft. Kriminalroman

      Elisa Scheer

       published by: epubli GmbH, Berlin

      www.epubli.de

       Copyright: © 2015 Elisa Scheer

       ISBN 978-3-7375-5517-3

      Kapitel 1

      Mein Leben war genauso, wie es sein sollte, überlegte ich zufrieden, als ich die Buchungsunterlagen zusammenheftete und in dem entsprechenden Ordner ablegte. Schon halb fünf, und heute Abend würde ich für Christian und mich Tagliatelle alla boscaiola kochen. Mein Schreibtisch war perfekt aufgeräumt, alle Zahlungen veranlasst, alle Rechnungen im Ausgabekorb – Christians Steuerberaterbüro lief richtig gut, und das schon nach vier Jahren!

      Allmählich musste er gut genug verdienen, um mir ein etwas höheres Gehalt zu zahlen, fand ich. Immer, wenn ich auf den bescheidenen Lohn hingewiesen hatte, hatte er mich mit dem Hinweis vertröstet, dass das Büro ja schließlich unsere gemeinsame Zukunft darstellte. Und damit hatte er eigentlich Recht, fand ich, als ich den Ordner wieder ins Regal stellte und befriedigt die Reihe sorgfältig beschrifteter Rückenschilder musterte.

      Gemeinsam arbeiteten wir für den wirtschaftlichen Erfolg, gemeinsam würden wir ihn auch haben. Und die gemeinsame Arbeit war auch ideal für die Zukunft, ich konnte mir richtig gut vorstellen, wie ich in einigen Jahren hier vor dem Computer saß, während unser Baby mir von seiner Wippe aus zusah und vergnügt vor sich hin brabbelte.

      Christian schaute aus seinem noblen Büro. Wie gut er aussah, auch nach einem langen Arbeitstag! Die glänzenden braunen Haare waren immer noch akkurat gescheitelt, das cremefarbene Hemd wirkte überhaupt nicht verknittert, die in verschiedenen dezenten Naturtönen gemusterte Krawatte (ein Geschenk von mir zum letzten Geburtstag, Christian war der einzige Mann, der sich wirklich freute, wenn man ihm Krawatten schenkte), der elegante hellbraune Anzug... Seine blauen Augen zwinkerten. „Liegt noch was an, Schatz?“

      „Nein, wir sind für heute fertig. Eigentlich könnten wir nach Hause gehen und uns einen schönen Abend machen.“

      „Liebend gerne, Schatz, aber ich hab noch einen Termin, ich muss einen neuen Klienten besuchen.“

      Mist! Aber in letzter Zeit war er eifrig hinterher, neue Klienten zu gewinnen, und das kam unserem Büro ja nur zugute, also konnte ich ihm kaum böse sein.

      „Schade. Was glaubst du denn, wann du nach Hause kommst – ich meine nur wegen des Essens? Es gibt dein Lieblingsessen, und das wird vom Warmhalten nicht besser“, erklärte ich schnell, um nicht nervend zu wirken.

      Er lächelte nachsichtig und überlegte. „Gegen acht, schätze ich. Es sollte nicht allzu lange dauern.“ Sein Gesicht wurde ernst, fast feierlich. „Ich muss ohnehin mit dir über etwas Wichtiges sprechen.“

      Ich unterdrückte den Drang, zu fragen, worüber – schließlich konnte ich es mir schon denken! So gut, wie alles in letzter Zeit gelaufen war, wollte er mir sicher entweder das Gehalt erhöhen oder – und das wäre natürlich das Allertollste – fragen, ob ich ihn heiraten würde. Zeit war es, wir waren seit fünf Jahren zusammen, und ich wurde auch nicht mehr jünger, jetzt war ich immerhin schon dreißig.

      Ich lächelte ihn voller Liebe an. „Darauf freue ich mich schon.“

      Er lächelte nicht, sondern musterte mich überlegend. Süß, wie feierlich er gestimmt war.

      „Also, dann gehe ich jetzt und kaufe noch ein bisschen ein, okay?“

      „Einverstanden. Nimm die Post mit!“

      Klar doch. Ich stand in der Post fast eine halbe Stunde lang an, bis ich die Briefe los war, dann holte ich unsere eigene Post aus dem Postfach und steckte sie achtlos ein. Was nun? Einige Einkäufe, leider auch Getränke, und dummerweise hatte Christian den Wagen, er musste ja schließlich vor dem Klienten einen soliden Eindruck machen. Zwei Autos wären Blödsinn gewesen, sagte Christian immer, und er hatte auch vollkommen Recht – in der Stadt fand man ja für eins schon nie einen Parkplatz! Außerdem verdiente ich nicht genug, um mir einen Wagen leisten zu können. Ja, wenn er mir jetzt mehr Gehalt zahlen würde! Im Moment verdiente eine Kassiererin bei Aldi noch mehr, und davon ging noch mein Anteil an den Nebenkosten der Wohnung und an der Haushaltsführung ab. Wenn ich im Monat hundert Euro sparen konnte, war das schon viel, denn Christian liebte es ja auch, wenn ich gut gekleidet war. In Jeans und T-Shirt durfte ich nicht im Büro sitzen, er schätzte Kostüme oder Röcke mit eleganten Blusen oder Twinsets, und das Zeug war nicht billig, wenn es gut aussehen sollte. Immerhin hatte ich mir in den letzten vier Jahren dadurch eine recht vorzeigbare, wenn auch bescheidene Garderobe angeschafft, sogar ein Abendkleid besaß ich, goldbrauner Samt, ganz schlicht geschnitten, wunderschön. Darauf hatte ich lange gespart!

      Das glänzend dunkelgraue Cocktailkleid, das im Schrank direkt daneben hing, hatte Christian mir zum letzten Geburtstag geschenkt. Ein traumhaftes Stück – und dazu hatte ich zu Weihnachten eine passende Silberkette mit perfekt geschliffenen Zirkonias bekommen. Sah fast aus wie Weißgold mit Diamanten, und es gab dem Kleid den letzten Kick. Da wir immer häufiger von Klienten eingeladen wurden, war so etwas auch notwendig. Wenn ich wieder etwas zusammengekratzt hatte, musste ich mir passende Schuhe (dunkelgrauer Seidenrips, sie standen bei Shoe´s im Fenster und kosteten ein Schweinegeld) und ein Abendtäschchen kaufen.

      Dieser Wasserkasten war gemein schwer! Ich stellte ihn an der Ecke ab und massierte meine tauben Finger, bevor ich ihn wieder aufnahm und weiterschleppte. Gut, dass wir einen Lift im Haus hatten! Wie immer bewunderte ich die zauberhafte Fassade unseres Hauses – dass Christian damals diese Altbauwohnung aufgetan hatte, war wirklich ein Glücksfall gewesen. Das Haus war komplett in Zartgrün mit Jugendstilranken in Dunkelgrün, Creme und Gold gehalten, der mit schmiedeeisernem Gehäuse geschmückte Aufzug sah zwar sehr authentisch aus, verfügte aber über modernste Technik, und das elegant geschwungene Treppenhaus erfreute mich jeden Tag.

      Und die Wohnung erst! Ich schloss die schwere Holztür auf und trug die Wasserkiste in die Abstellkammer, die ich erst am Wochenende perfekt aufgeräumt hatte. Zwei Flaschen kamen in den Kühlschrank.

      Sechs Uhr, ich hatte noch reichlich Zeit, bis ich mit dem Essen anfangen musste. Zuerst kickte ich mir die Schuhe von den Füßen und lief einmal durch die Wohnung – Kontrollgang, das brauchte ich täglich.

      Die Küche: Groß, hell, mit einer futuristischen Küchenzeile in Edelstahl (man putzte dauernd Fingerabdrücke weg, aber sie sah toll aus) und einer ebenso futuristischen Essecke in Alu und Birke, dazu die Vorratskammer mit den wohl gefüllten Regalen. Das war ja das Schöne an solchen hochherrschaftlichen Wohnungen – es gab jede Menge Nebengelasse und Stauraum, wir hatten zwei Kammern, einen Ankleideraum und insgesamt drei Bäder, abgesehen von Schlafzimmer, Gästezimmer, Wohnzimmer, Esszimmer und Christians Arbeitszimmer. Wirklich perfekt! Eines Tages würden wir aus dem Gästezimmer ein Kinderzimmer machen, da war ich mir sicher.

      Das Wohnzimmer mit den schweren dunklen Möbeln, die Christian von seinen Großeltern geerbt hatte, sah ungemein repräsentativ aus, schließlich luden wir auch ab und zu Klienten ein. Ach nein, Christian wollte ja, dass ich von Mandanten sprach! Das Esszimmer, in denen den Mandanten exzellentes Essen vorgesetzt wurde (ich kochte ziemlich gut), passte genau dazu, ein ausziehbarer Tisch in dunklem, sanft schimmerndem Holz mit – bei Bedarf – zwölf Stühlen, dazu zwei Vitrinen, die zwar modern waren, aber genau dazu passten und mit Christians Nymphenburger und meinem Villeroy & Boch gefüllt waren, das ich Stück für Stück erworben hatte, als ich noch studierte und mit manchen Nebenjobs recht gut verdiente. Dazu goldgelbe Samtvorhänge und zwei Stahlstiche, die dem Raum einen Hauch von Tradition verliehen. Einfach perfekt!

      Ich breitete ein Tischtuch aus – weißes Leinen, sorgfältig gebügelt – und deckte zwei von meinen Tellern, dazu Untersetzer (Silber, natürlich), Sektgläser, Wassergläser, Besteck und den silbernen Brotkorb. Wenn Christian mit mir etwas Wichtiges besprechen wollte, schien mir Sekt angebracht, und eine Flasche lag ohnehin noch im Kühlschrank. Ich holte gleich noch den Sektkühler aus der Anrichte, in der wir Besteck und Tischwäsche aufbewahrten, und platzierte ihn auf einen Untersetzer – sollte er einen feuchten Ring auf dem Tisch hinterlassen, würde