Olaf Kolbrück

Keine feine Gesellschaft


Скачать книгу

ein Schneider-Stunt? Immobilientricks, Geldwäsche, Spekulationen mit Geld der Firma? Nie im Leben. Fondsmanagement ist eine Vertrauensposition. Und Lücker war einer unserer Besten. Da setzt man niemanden hin, der auch nur falsch parken würde.« Das Lachen war Eva eine Spur zu laut. Auch die Art, wie er sie nun unverhohlen musterte, gefiel ihr nicht. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.

      »War er sehr ehrgeizig?«

      Aßmann prustete wie ein Luftballon, dem die Luft ausgeht.

      »Wenn es danach geht, müsste ich eigentlich derjenige sein, der ermordet wurde. Er war nicht damit zufrieden, nur die Nummer 2 zu sein. Wenn wir zu Machiavellis Zeiten gelebt hätten, dann hätte er mich sicher vergiften lassen. So blieb ihm nur die Arbeit und die Hoffnung, mit besseren Zahlen zu überzeugen. Meist hat er sich deshalb zusätzliche Großprojekte herangezogen, die gar nicht zu seinen Kernaufgaben gehörten.«

      Aßmann stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und beugte sich verschwörerisch zu Eva vor. »Das muss man ihm lassen. Er hat mit diesen Finanzpaketen jongliert wie ein junger Gott. Obendrein hat er sich wohl noch das eine oder andere lokale Projekt aufgehalst. Bei den Summen, um die es da ging, war es aber wohl mehr ein Zeitvertreib. Ein echter Workaholic eben. Lücker machte nicht einmal Urlaub. Er hatte wohl Angst, das würde seine Bilanz versauen.«

      »Wer übernimmt die Projekte nun?«

      »Ich werde das wohl selbst machen. Es sind extrem wichtige Investitionen dabei, komplexe Finanzprodukte, die man nicht allzu lange aus den Augen lassen darf. Gerade jetzt nicht, wo die Märkte so unruhig sind.«

      »Was für Geschäfte sind das?«

      Aßmann drehte sich in seinem Sessel nach links und rechts, starrte kurz aus dem Fenster und sah dann Eva Ritter an wie eine Schülerin in der mündlichen Prüfung, die mit einer falschen Frage soeben ihre gute Benotung gefährdet hatte.

      »Wir reden hier über laufende Investitionen und Verhandlungen. Ich darf Ihnen dazu nichts sagen. Sie brauchten schon ein handfestes Mandat eines Kunden. Selbst der Polizei würde ich dazu nur dann etwas sagen, wenn das die Staatsanwaltschaft befiehlt. Sonst könnte ich wegen Verdachts auf Insider-Geschäfte schnell in Teufels Küche kommen. Es geht also nicht. Selbst wenn ich wollte. Sie wissen das. Es geht nicht, Eva. Bitte glauben Sie mir, das geht alles mit rechten Dingen zu. Auch auf Seiten der Kunden. Sicher sind das keine Geschäftspartner, für die Mord Teil des Businessplans ist. Sie wissen doch, unsere tödlichen Waffen entfalten nur an der Börse ihre Wirkung.« Er lachte kurz.

      »Und Lücker? Trauen Sie ihm krumme Geschäfte zu?«

      »Glauben Sie mir, Lücker war niemand, der mit dem Geld der Firma auch nur seine Golfstunden bezahlt hätte. Obwohl so etwas häufig genug vorkommt. Er hatte seine Hände ganz bestimmt nicht in dreckigen Geschäften. In riskanten Geschäften, das ja. Wie wir alle. No guts, no glory.«

      Es klang wie ein Rauswurf. Eva hatte auch so genug gehört. Sie stemmte sich an den Aluminium-Lehnen des Charles Eames-Stuhles hoch und bedankte sich für das Gespräch. Das Angebot, sie zum Aufzug zu begleiten, lehnte sie dankend ab. Man musste es mit den Höflichkeitsritualen nicht übertreiben, wenn man gerade angelogen worden war.

      5. Kapitel

      Auf dem Parkplatz vor Eurobest konnte man das Rauschen des Verkehrs auf der Autobahn hören. Wenn man sich darauf einlässt, klingt es ein wenig wie das Meer, dachte Eva Ritter. Das schleppender werdende Brummen erinnerte sie daran, dass nun die Rushhour einsetzte. All die kleinen Angestellten im mittleren Management mit ihren Stechuhr-Jobs und ihren zweieinhalb Zimmer-Wohnungen in Frankfurt und Umgebung drängten heim. Bei den Bankern würde es wie immer später werden. Der Geldkreislauf kannte keinen Feierabend. Doch angesichts des Verkehrs überlegte sie nur kurz, ob sie der Geliebten von Lücker bei Devest einen Besuch abstatten sollte. Rund um die Stadt war nun Parkplatztempo angesagt. Eine Quälerei. Mit ungewissem Ausgang. Sie wusste nicht einmal, ob Heidi Münzer sie empfangen würde. Ein Anruf per Handy schien ihr etwas pietätlos. Was sollte sie sagen: ›Hallo, hier spricht Eva Ritter, ihr Geliebter ist ermordet worden, wie erklären Sie sich das?‹ Keine gute Idee.

      Außerdem musste sie noch bei ihrem Hausarzt vorbeischauen. Wenn sie sich jetzt ins Bankenviertel quälte, würde nichts mehr daraus. Sie griff zum Handy, um sich bei ihm anzukündigen. Sie gab die Nummer ein und legte noch vor dem ersten Klingeln wieder auf. Das konnte noch warten. Sie wollte in diesem Fall so schnell wie möglich vorankommen. Stattdessen wählte sie die Nummer ihrer Freundin Doris Unbehaun.

      Doris Unbehaun war das, was man eine etwas überdrehte, lustige Witwe nennen konnte. Mit Anfang 50 und einem satten finanziellen Polster, das sie auch mit Hilfe der aktuellsten Prada-Kollektion nur bedingt dezimieren konnte, hatte sie auch allen Grund fröhlich zu sein. Vor allem aber war Doris in jenen gesellschaftlichen Kreisen zu Hause, die die Schritte von ihresgleichen genauer beobachteten, als ein Abt die Verfehlungen seiner Klosterschüler. Und sie war Mitglied im Kronberger Reitclub Hohenstein. Das konnte nützlich sein. Eurobest war einer der Hauptsponsoren des Clubs. Lücker dürfte damit als Nummer 2 in der Bank gewissermaßen zum Inventar gehören. Schließlich gehörte es zu den Gepflogenheiten in diesen Kreisen, nicht nur das Geld zu verteilen, sondern sich auch möglichst häufig persönlich zu zeigen.

      Sie war sicher, dass Doris ihn kannte. Und selbst wenn nicht, würde sie jemanden kennen, der mit Informationen weiterhelfen konnte. Für die Freundin war der Wallach im Stall nämlich auch nur ein Vorwand, um ihren gesellschaftlichen Status zu halten und nicht vom Klatsch abgeschnitten zu werden. Eva hatte den Verdacht, dass auch die dortigen Reitlehrer ein wichtiges Motiv waren. Aber Doris schwieg darüber und Eva fragte nicht weiter nach. So neugierig Doris auch sonst war, bei halbseidenen privaten Themen waren ihre Lippen wie versiegelt. Es sei denn, es ging um andere.

      Abgesehen von ihrer Lästerzunge war sie eine Freundin, deren Art erfrischend geradeaus war.

      »Rollstuhl. Schalte bitte mal dein Kopfkino auf ein anderes Programm, Liebelein«, hatte sie abgewinkt, als Eva ihr halb im Scherz ihre schlimmsten Ängste angedeutet hatte. »Wenn du nicht mehr laufen kannst, dann kaufen wir dir eine Sänfte. Du sollst mal sehen, wie schick das aussieht.«

      »Mit Trägern?«

      »Selbstverständlich mit Trägern. Natürlich muss ich dafür Opfer bringen. Die eine oder andere Saison eine Handtasche von Prada weniger kaufen.«

      »Du könntest ja auch mal eine Handtasche länger als ein halbes Jahr tragen.«

      »Eine Tasche aus der letzten Saison spazieren führen?« Sie tat entsetzt. »Liebelein, wo denkst du hin. Ich bin zu Opfern bereit. Ich habe auch Schwächen, das gebe ich zu. Aber bitte verlange so etwas nicht von mir. Es gibt Grenzen.«

      Sie meinte das ernst. Dann hatte sie Eva nur prüfend angesehen und genickt. Eva waren diese Gespräche mehr wert, als jeder noch so mitfühlende Blick. Doris half ihr, sich selbst nicht so ernst zu nehmen.

      Sie hob bereits nach dem zweiten Klingeln ab.

      »Hallo Doris. Eva hier.«

      »Liebelein, was kann ich für dich tun? Hast du irgendwelche Insidertipps für mich von deinen Kollegen? Wo soll ich investieren? Ich brauche dringend mehr Cashflow.«

      »Wenn du Geld brauchst, dann steckt Deutschland wirklich in der Krise.«

      »Die Modebranche verlangt nach meiner Unterstützung. Und die Kosten für meine Kosmetikerin fressen mich auf. Das ist ein Fass ohne Boden. Die Kreditzinsen der Staatsverschuldung sind dagegen Kleingeld.«

      »Keine Aktientipps heute, höchstens der Rat alle Geschäfte mit Eurobest einer dringenden Prüfung zu unterziehen. Aber ich habe etwas anderes Spannendes, über das ich mit dir reden möchte. Können wir uns in einer halben Stunde im Reitclub treffen? Es wäre die passende Umgebung dafür.«

      »Oh. Jetzt machst du es aber geheimnisvoll.«

      Eva konnte förmlich sehen, wie Doris am anderen Ende der Leitung große Augen bekam.

      »Ich komme gerne, aber ich bin noch nicht präsentabel genug.«

      »Wie