Janine Zachariae

Das magische Armband


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Ich wollte nicht, dass sie sich falsche Hoffnungen macht. Das sagte ich ihr auch. Ich bot ihr meine Freundschaft an.

      Eins kann ich allerdings mit Gewissheit sagen, wenn ich auf Frauen stünde, hätte ich sie nicht in den Bus steigen lassen. Jede Frau kann sich glücklich schätzen sie zu haben.« Ich hielt inne, um seine Reaktion zu studieren. Sie waren offen und herzlich. »War das falsch von mir?« Ich brauchte seinen Rat. Es war verwirrend.

      »Damit ich das richtig verstehe: Sie küsst dich, du weichst zurück. Fühlst dich schlecht deshalb, weil es ihr erster Kuss war. Du stehst auf Männer, bist in jemanden verliebt und hast ein schlechtes Gewissen, weil du so reagiert hast. Du küsst sie, stellst aber sicher, es war nur eine Art Gefälligkeit?«

      »Sie würden es als Gefälligkeit bezeichnen?« Das machte mich traurig.

      »Als was denn sonst?« Ich zuckte mit den Schultern und lehnte mich auf meinen Stuhl zurück.

      »Ich hab ihr meine Handynummer gegeben. Sie soll sich melden, wenn sie ankommt und sie weiß, wie es weiter geht.« Er nickte.

      »Sie hatte heute deine Bluse an«, stellte er fest.

      »Ihre Kleidung war zerrissen, schmutzig. Sie verbrachte die ganze Nacht in diesem komischen Raum. Unheimlich. Sie war fertig.«

      »Sie sah frisch aus.«

      »Ich hab sie etwas bearbeitet. Ich gab ihr meine Bluse, die ein wenig eng saß, und hab ihr T-Shirt irgendwie so drapiert, dass es einigermaßen passend wirkte. Ich hatte Make-up dabei und das half. Wir sind dann in unsere«, ich stockte und fragte, ob ich ›unsere Wohnung‹ sagen darf. »Klingt das nicht aufdringlich oder seltsam?«

      »Du wohnst bei mir. Also ist es unsere Wohnung.«

      »Wir sind also in unsere Wohnung gegangen. Sie sollte erst einmal duschen. Sie stank nicht oder so. Aber - so geht es mir jedenfalls - man fühlt sich hinterher immer besser. Ich suchte ihr ein paar Jeans und ein T-Shirt raus und gab es ihr. Zufällig hatte ich noch was in ihrer Größe da gehabt. Anschließend sind wir in ein Café gegangen.« Ich erzählte Jacob, wie es weiter ging und er hörte zu. »Ihre Mutter war bei Ihnen, oder?«, fragte ich, nachdem ich alles losgeworden bin.

      »Ja, war sie und sie zog über dich her.« Ich lächelte und schnappte mir das letzte Stück Sushi.

      »Oh ja, ich weiß. Ich bin ein unglaublich schlechter Umgang.« Er nickte. »Und«, fügte ich hinzu und beugte mich über den Tisch und flüsterte: »Sie betitelte mich als Schlampe.«

      »Im Ernst?«

      »Ja, wegen meiner Kleidung und weil ich mich so für Marie einsetze.«

      »So etwas sagte sie auch. Ich empfahl ihnen, einen Elternkurs zu absolvieren und zum Familientherapeuten zu gehen.«

      »Noch Nachtisch?«, fragte ich Jacob und wechselte das Thema, für den Moment.

      »Such du was aus.« Die Kellnerin nahm meine Bestellung entgegen und verschwand wieder.

      »Interessant.«

      »Sie werden es mögen«, sagte ich vielversprechend.

      »Wieso glaubst du das?«

      »Vertrauen Sie mir.«

      »Das tue ich.« Eigentlich war es auf das Essen gerichtet, aber so wie er es sagte, verallgemeinerte er es. »Verrätst du mir, in wen du verliebt bist?«

      »Das muss ich nicht.« Er zog seine Augenbrauen hoch, schwieg aber. Als wir unseren Nachtisch hatten, sah er skeptisch auf seinen Teller. »Sie werden es mögen.« Er nahm einen Löffel voll und es schien ihm wirklich zu schmecken.

      »Wieso kannst du so gut die Menschen einschätzen?«

      »Ich beobachte«, sagte ich und musste an Jack denken, der genau dasselbe gesagt hatte.

      »Faszinierend«, murmelte er.

      »Wissen Sie, die meisten sind sehr leicht zu durchschauen. Ich wusste, Marie ist lesbisch, noch bevor sie es mir sagte. Und doch übersah ich dieses entscheidende Detail. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, sie würde mich küssen wollen. Nie.«

      »Das ist interessant. Du kannst alle und jeden einschätzen, nur wenn es um dich geht, kannst du es nicht.«

      »Scheint so.« So hab ich das noch nie gesehen. Erneut sahen wir einander in die Augen.

      »Warum willst du dir nicht eingestehen, was du selbst empfindest?«

      »Das geht nicht.« Jacob Traum hakte nach. »Es geht einfach nicht.« Sein Blick ruhte weiterhin auf mir. Schüchtern sah ich weg. Mein Herz raste. Meine Hand lag auf dem Tisch und er berührte sie. Dabei durchströmten eine Million Blitze durch mich hindurch. »Wir sollten langsam aufbrechen«, schlug ich vor. Er nickte und war gerade im Begriff seine Brieftasche zu holen, als ich meine Hand hob. »Ich habe Sie eingeladen, schon vergessen?!« Dieser Ausdruck auf seinen Lippen, in seinem Gesicht war unbeschreiblich. Ich zahlte und gab großzügig Trinkgeld. Wir fuhren gedankenverloren zurück. Als wir in die Wohnung kamen, begrüßte uns eine müde Molly.

      Ich selbst war noch weit entfernt müde zu sein. Und ich glaubte, Jacob ging es ähnlich.

      »Magst du vielleicht noch einen Film sehen?«

      »Klar, warum nicht?! Aber ich würde mich gerne umziehen.«

      »Dito.« Wir schwirrten also in unsere Zimmer und zogen uns um. Wir kamen etwa zeitgleich ins Wohnzimmer. »Willst du einen Film aussuchen?«, schlug er vor. Ich trug bereits mein Nachtzeug, aber es war auch schon nach 22 Uhr. Ich holte eine DVD hinter meinem Rücken hervor und legte sie in den Player.

      »Geliebte Jane«, erklärte ich ihm. Irgendwann mitten im Film drückte er plötzlich Pause.

      »War das ein Date?«, wollte er wissen.

      »Keine Ahnung. Sie haben mehr Erfahrung darin, als ich.«

      »Es fühlte sich so an.«

      »Tut mir leid«, sagte ich verlegen und spürte die Röte in mir aufsteigen.

      »Ist schon okay. Es fühlte sich gut an.«

      »Das geht nicht«, flüsterte ich.

      »Warum nicht?«

      »Sie sind mein Lehrer. Sie sind meine einzige Bezugsperson. Sie sind alles, was ich hier habe.«

      »Vielleicht ist es ein Zeichen?«

      »Lassen Sie uns den Film weiter gucken.« Er nickte und ich spürte, wie er sich bekloppt vorkam. Es war ihm unangenehm. Fast, als glaubte er, mich bedrängt zu haben. »Jacob, Sie brauchen sich nicht schlecht fühlen. Sie haben mich nicht bedrängt.«

      »Bin ich es?«

      »Sind Sie was?« Er schaute mir in die Augen. Sie wirkten plötzlich so verloren. Ich hatte keine Angst vor ihm. Ich wusste, er würde mir nie etwas antun.

      »Sie brauchen keine Bedenken zu haben, ich könnte einen auf Lolita machen. Ich mochte nicht mal ›American Beauty‹.«

      »Tut mir leid. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich hoffe, du hast jetzt keine Angst vor mir.«

      »Ganz und gar nicht. Noch nie habe ich jemandem so vertraut, wie Ihnen. Ich weiß, Sie würden es niemals ausnutzen.«

      »Bin ich es, in den du verliebt bist?«

      »Ja. Und es tut mir unglaublich leid. Ich hoffe, das wissen Sie. Schmeißen Sie mich bitte nicht raus«, es war schon fast ein Flehen. Ein Kloß breitete sich in mir aus und ich musste die Tränen unterdrücken, auch wenn sich welche davon schlichen. Ich wollte ihn nicht verlieren. Niemals. Aber ich wusste auch, dass die Grenze sehr schmal war.

      »Natürlich nicht.« Er zog mich an sich und für einen Augenblick vergasen wir alles.

      »Lassen Sie uns einfach den Film gucken.« Wortlos drückte er auf Play und für die restliche Zeit schwiegen wir.

      »Maja?«