Hans Detlef Junker

Der sympathische Mörder von nebenan


Скачать книгу

weiß ich doch", meinte Amanda. "Du hast deine Bilder sündhaft teuer verkauft. Ich weiß noch genau, wie du mal einen Regenbogen gemalt hast. Am einen Ende hatte er einen weißen und am anderen Ende einen schwarzen Punkt. Als ich dich gefragt hatte, was das sein soll, hast du gesagt: Keine Ahnung, aber die Kunstexperten werden sich schon was einfallen lassen. Und das taten sie dann auch. Einer sah darin die unerschöpfliche Energie des Universums, ein anderer den Untergang des Kapitalismus. Und dann hat es einer gekauft, der darin die Hoffnung gesehen hat. Wir hatten uns köstlich amüsiert.“

      „Ganz so einfach verhält es sich nicht. Die Bilder kamen erst später in mein Leben. Genau genommen habe ich meine Karriere einem Diebstahl und einer ganzen Reihe von Lügen zu verdanken. - Na ja, Lügen ist vielleicht etwas zu hart ausgedrückt, nennen wir es Verschweigen von Tatsachen. Also nicht, dass ich jemanden etwas abgenommen hätte, was er noch gebraucht hätte. Diebstahl ist vielleicht in dem Zusammenhang nicht das richtige Wort. Ich habe nur vielleicht das eine oder andere Mal einen Sachverhalt etwas in meinem Sinne beeinflusst.“

      „Du redest wirres Zeug. Du hast also geklaut, ohne zu klauen und gelogen ohne zu lügen und dabei manipuliert. Sehr verwirrend, wirklich sehr verwirrend“, sagte Amanda.

      „Okay", antwortete er, "Ich werde wohl von vorne anfangen müssen.“

      Amanda unterbrach ihn. „Nicht nur mit der Geschichte, du hast dir mittlerweile schon den fünften Löffel Zucker in den Kaffee getan. Gelinde gesagt wirkst du etwas nervös.“

      Hermann war nervös. Er goss seinen Kaffee ins Gebüsch und schüttete sich eine neue Tasse ein. Diesmal machte er den Kaffee erst fertig, bevor er den nächsten Versuch startete.

      „Also gut", setze Hermann erneut an. „Die Sache mit dem Maskenbildner ist schon richtig.

      Ich habe eine Ausbildung als Maskenbildner und ich war auch in diesem Tourneetheater als Maskenbildner beschäftigt. Soweit stimmt das, was du über mich weißt. Nur meine Bilder haben mich nicht reich gemacht, jedenfalls nicht sofort.

      Genau genommen habe ich erst zu malen angefangen, als ich schon reich war. Sehr reich sogar.“

      Minka kam und sprang auf seinen Schoss. Sie war wohl der Meinung, dass nun die richtige Zeit zum Schmusen gekommen war. Minka war eine rot getigerte ziemlich große Katze. Wenn sie sich auf die Hinterpfoten stellte und etwas reckte, konnte sie sehen, was auf dem Tisch stand. Sie machte es sich bequem und fing an zu schnurren. Minka wusste, dass sie jetzt gestreichelt wurde. Wann Zeit zum Schmusen war und wie lange diese dauerte, bestimmte einzig und allein sie.

      „Du willst mir aber jetzt nicht sagen, dass du als Maskenbildner ein Vermögen verdient hast und dann aus Langeweile angefangen hast zu malen oder?“, warf Amanda ein.

      „Nein so kann man das nicht sagen“, antwortete er. „Ich habe angefangen zu malen, um mein Geld zu waschen. Das mache ich auch nach wie vor so. Wie das genau funktioniert, erzähle ich dir später. Zuerst sollst du erfahren, wie ich zu dem Geld kam.“

      Hermann machte eine kurze Pause, trank einen Schluck Kaffee und nahm den Faden dann wieder auf.

      „Du weißt, dass dein Großvater mit seiner Firma in Konkurs gegangen ist. Leider war ich kurz vor der Pleite in die Firma eingestiegen. Wir stellten Maschinenteile her. Damals gab es viele kleine Firmen hier in der Gegend, die Werkzeugmaschinen herstellten. Und wir waren nicht die einzige Firma, die damals die Segel streichen musste. Gerade in unserer Branche gingen viele Firmen in Konkurs. Ich mache Großvater keinen Vorwurf. Er konnte schließlich nichts dafür, dass unser Hauptabnehmer zahlungsunfähig wurde. Wir hatten kein Geld mehr um Ware zu kaufen. Wir waren auch mit Lohnzahlungen im Rückstand. Sicher, unsere Arbeiter hatten ein Überbrückungsgeld vom Arbeitsamt erhalten, doch das war natürlich weniger als sie sonst hatten. Für Großvater war dies das Schlimmste überhaupt. Er war ein Patriarch der alten Schule. Seine Angestellten waren für ihn wie Kinder, um die er sich kümmern musste. Und jetzt musste er sie zum Amt schicken. Uns ging es auch nicht besser. Wir hafteten mit unserem Privatvermögen. Wir waren so pleite, wie man nur sein kann. Unsere Schulden waren sechsstellig. Alles, was wir damals besaßen, wurde gepfändet. Unser Haus wurde Teil der Konkursmasse und wir mussten in eine Mietwohnung ziehen. Dein Großvater und ich waren ruiniert. Den Job beim Tourneetheater hatte ich gekündigt und in dieser Saison würde es keine neue Anstellung mehr geben.

      Damals bekam ich Kontakt zu, nun ja sagen wir einmal, etwas zwielichtigen Gestalten.“

      „Du hast dich mit Gangstern eingelassen?“, platzte es aus Amanda raus.

      „Was heißt schon Gangster? Ja sicher es waren Gangster", sagte Hermann. „Nur am Anfang sah ich das nicht so. Das waren damals Leute, für die ich nebenbei den einen oder anderen Job erledigen konnte. Zuerst waren es nur kleine Botengänge, die aber außergewöhnlich gut bezahlt wurden. Gezahlt wurde immer in bar und niemand wollte etwas pfänden.“

      Minka hatte die Milch auf dem Tisch entdeckt und forderte ihren Anteil. Aus einem kurzen, eher zögerlichem Mau - Maauu wurde, als keiner reagierte, ein lang gezogenes Maaauuu, das so jämmerlich klang, als hätte Hermann die ärmste Katze der Welt auf dem Schoss. Wenn Minka so jammerte, konnte er ihr nichts abschlagen und das wusste Minka genau. Sie sollte ihren Willen haben. Hermann goss etwas Milch in seine Hand. Minka fing sofort wieder an zu schnurren und schlecke dabei die Milch aus seiner Hand.

      „Sie weiß genau, wie sie ihren Willen durchsetzt", sagte Hermann, während er wieder anfing, Minka zu kraulen.

      Unglaublich dachte Amanda, mein Vater hat sich mit Gangstern eingelassen. Um einen sechsstelligen Schuldenbetrag los zu werden, reichten kleine Botengänge sicher nicht aus. Da wird noch was Dickeres kommen. Einerseits wollte sie von der offensichtlich vorhandenen dunklen Seite ihres Vaters gar nichts wissen, andererseits wollte sie jetzt auch alles wissen. Gleichzeitig hoffte sie, dass ihr Vater sich nicht als völlig skrupelloser Gangster outen würde. Womöglich wollte er ihr klarmachen, dass sie ihn demnächst im Knast besuchen müsste. Amanda ging im Geiste eine Liste von Anwälten durch, die bei ihr schon gekauft hatten. Wer war der beste Anwalt und könnte ihn verteidigen? Ihr Vater war in dem Alter doch sicher nicht mehr hafttauglich. Dafür muss der Anwalt sorgen. Es ratterte nur so in ihrem Kopf. Amanda musste sich zusammenreißen, um sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.

      „Mit diesen Botengängen bist du sicherlich nicht reich geworden“, sagte sie, um ihrem Vater wieder zum Thema zurückzubringen.

      „Nein, damit nicht, das war nur der Anfang.“ Hermann hatte beschlossen, Amanda direkt mit der vollen Wahrheit zu konfrontieren. „So oder so ähnlich fängt es wahrscheinlich immer an.

      Die Botengänge waren keine Besorgungen, ich hatte Schutzgelder kassiert. Ich war in einen Erpresser-Ring geraten und als Kassierer sicher nicht der Unschuldigste. Doch das war wie gesagt, nur der Anfang. Je mehr ich bei den ehrenwerten Herren verdiente, umso mehr hatten sie mich in der Hand. Das ging sogar so weit, dass sie mich mit meinem ersten - na ja“, er druckste herum, bis es schließlich aus ihm herausplatzte, „- Mord beauftragten.“

      Der Kuchen wäre Amanda beinahe im Hals stecken geblieben. Amanda verschluckte sich und musste husten.

      "Mord", krächzte sie, immer noch um Atem ringend. Amanda nahm einen Schluck Kaffee, ehe sie weitersprach. „Du warst Erpresser und Auftragskiller? - Sag, dass das nicht wahr ist. Du hast nicht wirklich jemanden umgebracht.“

      Amanda war völlig aufgelöst. Sie hatte nach den ersten Andeutungen ja schon einiges erwartet, aber das war zu viel. Ihr Vater ein Erpresser und Auftragskiller, und er hatte gesagt, mein erster Mord. Es gab also mehrere Morde?

      Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein. Sie hatte immer geglaubt, ihr Vater könne keiner Fliege etwas zuleide tun. Sie nahm einen Schluck Kaffee. Am liebsten hätte sie jetzt einen Whisky getrunken. Aber er hatte auch gesagt, dass er sein Vermögen mit Diebstahl und Lügen, oder auch keinen Lügen gemacht hatte. Amanda war verwirrt.

      Mit einem hatte er jedenfalls recht gehabt. Da kamen ein paar dicke Brocken auf sie zu. Ein paar verschwiegene Geschwister wären ihr lieber gewesen.

      „Nun ja, wie man es nimmt. Meine Auftraggeber glauben bis heute, dass