auf das Ableben meiner Opfer. Jedenfalls nicht so direkt.“
Hermanns Nervosität ging langsam zurück. Das Schwerste war gesagt und Amanda saß ihm immer noch gegenüber. Wenn auch etwas bleicher als eben. Er hatte befürchtet, Amanda wäre einfach aufgestanden und gegangen.
Minka sprang von seinem Schoss. Sie hatte wohl genug geschmust. Sie strich noch einmal kurz um Amandas Beine und ging dann ihrer eigenen Wege.
„Wie soll ich das denn jetzt verstehen? Du hast dein Geld als Auftragskiller verdient und dabei niemanden umgebracht. Deine Opfer sind einfach so gestorben, weil sie nett zu dir sein wollten und deine Auftraggeber glauben, du wärst der perfekte Killer?“, fragte Amanda. „Das musst du mir schon etwas näher erklären.“
Hermann nahm noch einen Schluck Kaffee und wollte gerade mit seiner Erklärung fortfahren, als er je unterbrochen wurde.
„Huhu!“ - Amandas Freundin Maria kam um die Hausecke gestürmt und fuchtelte wie immer mit den Armen in der Luft herum. Maria sprach immer mit Händen und Füßen. Sie konnte wahrscheinlich nicht anders. Sie war wohl das verrückteste Mädchen, das Hermann je gesehen hatte. Eigentlich war Sie schon lange kein Mädchen mehr, sondern eine sehr attraktive Frau. Jedoch für Hermann war sie immer noch ein kleines Mädchen. Schließlich kannte er sie schon, seitdem sie neun Jahre alt gewesen war. Maria war mit Amanda in die Schule gegangen.
„Hier seid ihr also. Ich hatte geschellt, aber es hatte keiner aufgemacht. Wie denn auch, die Schelle könnt ihr hier ja nicht hören. Ich hatte dein Auto in der Einfahrt gesehen, Amanda. Du musst mir unbedingt helfen. Ich weiß einfach nicht, in welcher Farbe ich mein Haus streichen soll. Oh - ihr habt Kuchen gebacken? Da komm ich ja genau richtig. Eigentlich darf ich ja keinen Kuchen essen, wegen meiner Figur, aber bei Apfelkuchen kann ich einfach nicht widerstehen. Mein Gott Amanda wie siehst du denn aus? Du bist ja weiß wie eine Wand. Ist dir ein Geist begegnet? Ich will gar nicht lange bleiben, aber das müsst ihr euch eben angucken."
Maria hatte Farbtafeln mitgebracht, die sie den beiden auch sofort präsentierte. Bei Maria zu Wort zu kommen, war so gut wie aussichtslos. Vor allem, wenn sie von einem Thema besessen war. Und im Moment war es die Farbe ihres Hauses, die ihr keine Ruhe lassen wollte. Hermann und Amanda kannten das nicht anders bei ihr. Und so bot Hermann ihr einen Stuhl an.
„Ich hole dir eben einen Teller und eine Tasse", sagte er und verschwand im Haus.
Ausgerechnet jetzt musste Maria hier einfallen, dachte er. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte es kaum geben können und unter > nicht lange bleiben < verstand Hermann eigentlich etwas Anderes. Er kannte Maria zu gut und wusste, was jetzt kommen würde.
Dem ersten Stück Kuchen folgte auch noch ein weiteres. „Jetzt muss ich aber aufhören, sonst trete ich mir heute Abend noch selbst auf den Bauch", sagte Maria und schob den Teller von sich weg.
„Dazu müsstest du erst einmal einen Bauch haben", erwiderte Amanda. „Du kannst doch essen so viel du willst und bist trotzdem dünn wie eine Bohnenstange.“
Maria schaute Amanda empört an. „Das wäre ich mal besser, bin ich aber nicht. Ich habe im letzten halben Jahr zwei Kilo zugenommen. Möchtest du mal sehen, wie fett ich geworden bin?“ Maria stand auf und streckte ihren Bauch raus.
Ein lächerlich kleines Bäuchlein, wie Hermann fand. Amanda war froh, dass Maria darauf verzichtet hatte, ihr Kleid auszuziehen, um ihren Bauch zu präsentieren. Nicht, dass Maria dazu neigte, sich vor anderen auszuziehen, doch ihr fehlte einfach jegliches Schamgefühl. Sie hatte einmal mitten in der Stadt ihre Bluse aufgeknöpft, um Amanda ihren neuen knallroten Spitzen-BH zu zeigen. Viel verdeckt hatte der nicht. Maria war damals total begeistert von dem Ding. Die männlichen Passanten auch. Was sie da tat, wurde ihr erst bewusst, als einer der Beobachter einen Pfiff ausstieß. Maria dachte sich einfach nichts bei solchen Aktionen. Im Nachhinein war ihr so etwas dann peinlich, zumindest für ein paar Minuten. Und dann war es auch schon wieder vergessen.
Im Laufe des Nachmittags wurden fünf mögliche, aus mindesten einhundert Farbtönen, in die engere Auswahl genommen. Währenddessen landete ein weiteres Stück Apfeltorte und zwei Tassen Kaffee in Marias Bauch.
Der Redefluss von Maria war nicht einmal während der Nahrungsaufnahme sonderlich eingeschränkt. Sie textete beide gnadenlos zu.
So durften Amanda und Hermann erfahren, welche unterschiedlichen Farben es gab und welche Vorzüge die einzelnen Farben hatten. Maria war ganz begeistert von einer Farbe mit Lotuseffekt. Angeblich sollte dabei der Schmutz allein durch das Regenwasser abgewaschen werden. Sehr praktisch, wenn es denn funktionieren sollte.
Maria blieb, bis es dunkel wurde. Eine Entscheidung wurde natürlich nicht gefällt. Das hatte auch niemand wirklich erwartet. Sicher schien nur, das Gelb ausgeschieden war, jedenfalls im Moment. Das könnte sich aber morgen auch schon wieder ändern, wenn Maria sich Rat bei dem nächsten Nachbarn holen würde, vorausgesetzt der käme zu Wort. Was Hermann jedoch schwer bezweifelte.
„Rot, ich wette, das Haus wird rot“, sagte Amanda, als Maria endlich gegangen war.
„Ich werde nicht dagegen halten", sagte Hermann. „Aber wer weiß, vielleicht überrascht sie uns ja doch einmal.“
Die Ablenkung hatte Amanda gutgetan. Sie hatte sich durch Marias Auftritt tatsächlich wieder beruhigt. Hermann und Amanda gingen ins Haus. Es war spät geworden und sie bestellten sich eine Pizza bei ihrem Lieblingsitaliener. Francesco war der beste Pizzabäcker der Stadt. Bei ihm bestellten beide schon seit Jahren.
Jetzt, wo Maria wieder weg war, wollte Hermann wieder auf den Grund ihres Zusammenseins zurückkommen.
„Wo war ich noch stehen geblieben?", begann Hermann. In diesem Moment klingelte der Pizzabote an der Haustür.
Das Gespräch verläuft nicht gerade so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Etwas weniger Unterbrechungen wären besser gewesen, dachte Hermann und ging zur Tür. Er hatte nicht vor, den Abend so ausklingen zu lassen. Ein bisschen sollte Amanda noch erfahren, ob sie wollte oder nicht. Er kam mit den Pizzen zurück. Amanda hatte in der Zwischenzeit Teller und Besteck aus der Küche geholt. Sie gingen ins Esszimmer.
Eigentlich war es nicht wirklich ein Esszimmer. Hermann liebte offene Wohnlandschaften und so bildeten Wohnzimmer, Esszimmer und Küche einen großen Raum. Der Raum war groß insgesamt hatte er gut 60 qm. Der Küchenbereich war durch eine Theke optisch vom Rest des Raumes getrennt. Daran schloss sich, seitlich versetzt, der Essbereich an.
Amanda und Hermann teilten sich die Pizzen. Jeder bekam eine halbe Pizza Thunfisch und eine halbe Pizza Hawaii.
Einen Moment saßen sie sich schweigend gegenüber und aßen ihre Pizzen. Dann holte Hermann eine Flasche Rotwein und goss beiden ein Glas ein. Sie nahm das Glas Wein schweigend entgegen und trank einen großen Schluck.
„Du kannst hier schlafen, wenn du willst“, sagte er. Es wäre nicht das erste Mal, dass Amanda in ihrem alten Zimmer übernachtete, wenn sie bei ihrem Vater etwas getrunken hatte.
Eigentlich wollte sie an diesem Abend nach Hause fahren und sich Gedanken zu ihrer nächsten Ausstellung machen. Doch nach dem, was sie heute erfahren hatte, war an Arbeiten nicht mehr zu denken. Zudem kannte Amanda ihren Vater. Sie wusste, dass er nicht aufhören würde, bis er erzählt hatte, was er erzählen wollte. Und sie musste sich eingestehen, dass sie gar nicht
wirklich wollte, dass er zu erzählen aufhörte. Genau genommen wollte sie jetzt hören, dass ihr Vater kein Monster war, doch die Hoffnung darauf war nicht mehr sehr groß.
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