Jessica Giffard

Das Medaillon von Ofon


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bisschen zu spät? Wir können uns doch schon um 10.00 Uhr treffen.«

      »Du hast ja leicht reden, ich muss noch den ganzen Weg in die Stadt radeln. Das hieße, noch eine Stunde früher aufzustehen und das in den Ferien.«

      »Du hast ja recht. 11.00 Uhr ist auch gut. Hast du dir schon überlegt, was wir morgen machen wollen?«

      »Nein, ich überlasse es dir. Zur Wiedergutmachung für heute, weil ich dich versetzt habe. Wir machen einfach das, worauf du Lust hast.«

      »Also gut! Ich überlege mir was. Lass dich überraschen, wir werden morgen viel Spaß haben!«

      »Gut, bis morgen.«

      »Ok, bis dann. Sag deiner Mutter gute Besserung von mir.«

      »Mach ich.«

      Kaum hatte ich aufgelegt, klopfte es an der Tür.

      »Ja?«

      »Schatz, darf ich reinkommen?«

      »Natürlich, Mom!«

      Sie setzte sich zu mir aufs Bett und schaute mich traurig an.

      »Ich weiß, dass du erschöpft bist, aber ich möchte dir das geben. Hier Schatz, dein Geburtstagsgeschenk.«

      »Ich habe doch erst in zwei Wochen Geburtstag!?«

      »Ich weiß, Schatz.«

      Sie reichte mir ein Päckchen, das sehr schön eingepackt war.

      »Nun mach schon auf.«

      Ich muss zugeben, ich war ein bisschen aufgeregt, denn ich hatte nicht mit einem Geschenk gerechnet, da ich wusste, dass Mom im Moment knapp bei Kasse war. Ich wickelte das Päckchen aus und öffnete es.

      »Mom, das ist doch die Kette, die dir Papa geschenkt hat. Das kann ich nicht annehmen!«

      »Ich weiß, dass dir die Kette immer gefallen hat, Schatz. Sie gehört dir. Sie hat immer dir gehört, denn dein Vater gab sie mir, um sie für dich aufzubewahren. Ich musste ihm versprechen, dass ich sie dir genau heute gebe, zwei Wochen vor deinem Geburtstag. Er hat mir nie gesagt warum, aber für ihn war es sehr wichtig, dass du sie heute erhältst.«

      Ich musste mich zusammenreißen, um nicht zu weinen. Erst hörte ich heute, dass mein Vater nicht bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam und jetzt bekomme ich zum Geburtstag von meinem Vater ein Geschenk.

      »Schatz, ich lasse dich mal alleine.«

      Ich war mit meinen Gedanken woanders. Ich hatte nur gehört, dass die Tür ins Schloss fiel. Die Kette sah irgendwie anders aus, als ich sie in Erinnerung hatte. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.

      Auf einmal schrak ich auf. Ich ließ die Kette auf das Bett fallen und trat einen Schritt zurück. Hatte sich das Symbol des Anhängers verändert? Es sah doch eben noch anders aus.

      Ich nahm die Kette vorsichtig in die Hand und schaute sie mir genauer an. Sie hatte die Form eines Vogels. Zwar konnte ich nicht genau erkennen, was das für ein Vogel war, doch er war deutlich zu sehen.

      Ich ging zum Spiegel, legte mir die Kette um den Hals und betrachtete mich. Sie war wunderschön. Mir kam plötzlich in den Sinn, dass ich mich bei meiner Mom noch nicht bedankt hatte. Ich nahm die Kette ab, denn wie hätte ich ihr erklären können, dass es dieselbe Kette ist, die sie mir geschenkt hatte? Ich verstaute sie vorsichtig im Kästchen und ging hinunter. Meine Mutter stand an der Spüle und wusch das Geschirr. Sie bemerkte nicht, dass ich hinter ihr stand.

      »Mom?«

      »Schatz, du hast mich erschreckt.«

      »Tut mir leid, Mom. Ich wollte mich für das wunderschöne Geschenk bedanken und dir sagen, dass ich dich lieb habe.«

      »Es freut mich, dass dir die Kette gefällt, Schatz. Das Geschenk ist aber von deinem Vater.«

      »Nein Mom, es ist von euch beiden. Schließlich hast du es all die Jahre für mich aufbewahrt.«

      »Hast du Lust auf eine Nachspeise? Du hast nichts zum Abendbrot gegessen.«

      »Ok, was gibt es zum Nachtisch?«

      »Eine kleine Torte.«

      Sie gab mir ein Stück, fast schon übertrieben groß, aber ich sagte nichts.

      »Danke, Mom.«

      Als ich die Hälfte geschafft hatte, konnte ich nicht mehr.

      »Mom, ich bin voll. Ich kann nicht mehr.«

      »Ist schon gut, Schatz. Du musst nicht alles essen. Willst du vielleicht noch mit mir Fernsehen?«

      »Ich würde liebend gern, Mom, aber ich treffe mich morgen mit Jane. Vielleicht morgen Abend. Jetzt geh ich lieber ins Bett, denn es fällt mir schwer die Augen offen zu halten. Gute Nacht, Mom.«

      »Gute Nacht, Schatz.«

      Ich ging in mein Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Draußen war es dunkel geworden, dennoch schaltete ich das Licht nicht ein. Ich wollte ein wenig im Dunkeln bleiben und den Tag Revue passieren lassen, also ließ ich mich aufs Bett fallen.

      Auf einmal spürte ich etwas Hartes unter mir. Es tat weh. Ich musste wohl das Päckchen von der Kette auf dem Bett vergessen haben. Ich setzte mich auf und nahm es in die Hand. Was ist das? Es ist ja noch eingepackt?

      Nun schaltete ich doch das Licht ein und sah, dass es nicht das Päckchen von meiner Mom war. Wie ist es nur hier hergekommen? Ich schaute zum Fenster. Es stand offen. Kann es sein, dass jemand dadurch gestiegen war?

      Ich rannte zum Fenster und schaute hinaus in die Dunkelheit. Nichts. Meine Mom kann es nicht gewesen sein. Sie war die ganze Zeit unten mit mir. Ich setzte mich wieder aufs Bett und schaute mir das Päckchen genauer an. Schließlich packte ich es aus. Darin lag eine Karte. Ich nahm sie heraus und sah, dass ein Ring unter der Karte steckte. Er war sehr schön und hatte den Kopf eines Pferdes. Wer kann das nur gewesen sein? Neugierig faltete ich den Zettel auseinander.

      >Hallo Sarah, alles Gute zum Geburtstag.

       Ben<

      Das konnte nicht wahr sein. Wie war er in mein Zimmer gekommen? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

      Wieso sollte er mir ein Geschenk machen? Wir kannten uns doch erst seit ein paar Stunden. Ich nahm den Ring aus der Schachtel, betrachtete ihn und probierte ihn an. Er war zu groß. Was er sich wohl dabei gedacht hatte? Glaubte er, meine Finger seien so dick, dass er mir einen Riesenring schenken müsse?

      Ich steckte den Ring zurück in die Schachtel und legte sie auf meinen Nachttisch, bevor ich mich auf meinem Bett ausstreckte. Warum hatte er mir so ein Geschenk gemacht? Ich setzte mich wieder auf, nahm den Ring erneut aus der Schachtel und schaute ihn mir noch einmal an.

      Als ich ihn nochmal ansteckte, passte er sich plötzlich meinem Finger an und saß perfekt.

      Eilig nahm ich den Ring wieder ab. Was ist heute nur los, verdammt? Erst verändert sich der Anhänger, den ich von meinem Vater bekommen habe und jetzt schmiegte sich der Ring meinem Finger an.

      Entweder fing ich an zu spinnen, oder es passierte wirklich etwas. Es würde mir nur kein Mensch glauben. Ich legte den Ring wieder zurück in die Schachtel und steckte ihn in meine Tasche. Ich würde ihn Ben morgen zurückgeben. Das Geschenk konnte ich einfach nicht annehmen.

      Ich legte mich wieder aufs Bett und dachte an meinen Vater und an all das, was Ben mir erzählt hatte. Was werde ich wohl morgen noch erfahren? Ob Ben wusste, was mit meinem Vater passiert ist?

      Ich musste wohl eine ganze Weile so da gelegen haben, denn ich bemerkte, dass es heller wurde. Wenn ich jetzt einschlafen würde, würde ich den ganzen Tag verschlafen. Also stellte ich mein Handy auf 7.00 Uhr und drehte mich zur Seite.

      Als der schrille Ton des Handys mich aus dem Schlaf riss, sprang ich sofort auf. Hastig zog ich mich an und schaute, ob das Päckchen noch in meiner Tasche war, denn ich war mir nicht sicher, ob ich nur geträumt hatte. Doch es war da, alles