Nicole Beisel

Ich wünsch dir alles Gute


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ebenso glücklich sein konnte, wie Till es gewesen war. Sie hoffte nur, dass er sie nicht ganz vergaß. Schließlich hatte die beiden einst so unendlich viel verbunden.

      Da Till von sich aus nicht mehr oft auf Sarah zukam, lenkte auch sie ihre eigenen Interessen in eine andere Richtung. So kam es, dass sie ihren Freundeskreis erweiterte und auch andere Jungs kennenlernte. Sie versuchte, nicht mehr allzu oft an Till zu denken, was ihr jedoch nicht gerade leicht fiel nach all den Jahren der engen Freundschaft - erst recht, nachdem sie erkannte, dass er für sie wohl mehr war als nur ein guter Freund. Sarah hatte das Gefühl, dass er sich nur noch für seine anderen Freunde, jedoch nicht mehr für sie interessierte. Was war nur aus ihrer Freundschaft geworden?

      Sie hatte dieses enge Band nicht zerstören wollen, und doch ist es nun allem Anschein nach passiert. Allerdings hatte sie hierfür keine Erklärung. Wahrscheinlich war das einfach der Lauf der Dinge. Dass sich die Interessen während des Erwachsenwerdens einfach veränderten, man lernte neue Leute kennen und alles Gewohnte verlor an Reiz und wurde mit der Zeit langweilig. Sarah war sehr traurig über diese Erkenntnis, aber sie wusste, dass ihr nichts anderes übrig blieb, als das zu akzeptieren.

      Also lenkte sie sich ab und ließ sich letztendlich, wenn auch mit eher ungutem Gefühl, auf einen Klassenkameraden ein, der zwar lange nicht so gut aussah wie Till, aber immerhin zeigte er ehrliches Interesse an Sarah und wollte unbedingt ihr Herz erobern. Sarah gab sich also einen Ruck und ging somit ihre erste feste Beziehung mit diesem Jungen namens Steffen ein, sammelte Erfahrungen, die ein Mädchen in dem Alter nun mal so sammelte und schaffte es, nicht mehr allzu oft an Till zu denken. Auch er hatte in der Zwischenzeit mitbekommen, dass Sarah einen festen Freund hatte. Natürlich machte es ihn traurig, dass ihr Herz nun einem anderen gehörte, und nicht ihm.

      Aber schließlich war er selbst schuld. Hätte er ihr an jenem Abend gesagt, was in ihm vorgegangen war, hätte vielleicht alles anders kommen können. Vielleicht wären sie glücklich miteinander? Zumindest wäre er sicher glücklicher, als er es jetzt war. Er fand seine Freundin zwar toll, allerdings war der Kontakt und somit die Freundschaft zu Sarah sehr zurückgegangen. Sie trafen sich so gut wie gar nicht mehr, und wenn sie einander zufällig begegneten, wechselten sie nur wenige Worte miteinander. Außerdem fühlte er sich schlecht seiner Freundin gegenüber. Auch wenn er sie sehr mochte, fühlte es sich nicht richtig an. Aber er wusste, dass es so am besten war. Er war in einer Beziehung und Sarah nun auch. Sie wirkte glücklich auf ihn, wenn er sie sah und schon alleine das war ein Punkt, der ihm sehr wichtig war. Dass sie glücklich war. Er würde schon irgendwie klar kommen, denn mit der Zeit, so war er sich sicher, würden seine mehr als freundschaftlichen Gefühle für Sarah sicher wieder verschwinden.

      Er fand es allerdings sehr schade, dass sie beide kaum noch Kontakt zueinander hatten. Aber wen wunderte das? Er hatte sich ihr mehr oder weniger entzogen, als er erschreckend festgestellt hatte, dass er sie plötzlich sehr attraktiv fand. Er hatte selbst entschieden, dieses Geheimnis für sich zu behalten, aber er musste auch lernen, damit umzugehen und hatte versucht, sich für andere Dinge und vor allem für andere Menschen zu interessieren. Nur deshalb war er letztendlich mit Katja zusammen gekommen. Aber noch immer dachte er sehr oft an Sarah und musste schmerzlich erkennen, dass es anscheinend nichts gebracht hatte, dass er ihr nichts von seinen Gefühlen erzählt hat. Es ist paradox; hätte er ihr gesagt, was er tatsächlich seit jenem Abend auf dem Spielplatz für sie empfand, hätte er womöglich ihre Freundschaft aufs Spiel gesetzt.

      Und nun? Richtig. Er hatte seine wahren Gefühle verdrängt und damit ebenfalls die Freundschaft zerstört. Er hatte sich für den in seinen Augen »richtigen« Weg entschieden, als er gefühlsmäßig an einer Weggabelung stand, und doch hatten beide Wege zum gleichen Ziel geführt. Wäre es anders gekommen, wenn sie gewusst hätte, was er für sie empfand? Wie stand es um Sarah, war er für sie wirklich nur ein Freund?

      Er dachte noch oft an diesen einen Abend zurück und hatte dabei immer wieder das Gefühl, dass auch sie damals einen ganz bestimmten Blick in ihren Augen hatte, als sie sich lange schweigend ansahen, lediglich umgeben von der Stille und dem Sonnenuntergang. Aber andererseits konnte er sich nicht vorstellen, dass er mehr für Sarah sein könnte, als nur ihr bester Freund. Und nun war er noch nicht einmal mehr das. Sicher hätte sie ihm etwas gesagt, wenn mit ihrer Freundschaft etwas nicht gestimmt hätte. Daher verwarf er diesen Gedanken immer wieder aufs Neue. Nur um zu erkennen, dass er ihn nicht losließ, sondern er sich immer wieder die gleichen Fragen stellte. Was wäre gewesen, wenn…?

      4. Kapitel

      Da Till sich bezüglich seiner Gedanken um Sarah und ihre langjährige Freundschaft im Kreis drehte, entschied er, sich Sarah endgültig aus dem Kopf zu schlagen. Es hatte sowieso keinen Sinn. Sie waren beide eine Beziehung eingegangen mit Menschen, denen sie wirklich viel bedeuteten. Da er sie nicht mehr persönlich gesprochen hatte, seit sie offensichtlich einen Freund hatte, entschied er, ihr zumindest einen Zettel in den Briefkasten zu werfen. Schließlich wohnten sie noch immer nah beieinander. Und trotzdem sahen sie sich so gut wie gar nicht mehr. Seltsam, wie das Leben sich verändern konnte…

      Er schnappte sich einen kleinen Zettel, schrieb fünf Wörter darauf, darunter seinen Namen, faltete ihn zusammen und schrieb ihren Namen auf die Vorderseite. Dann lief er schnell hinüber zum gegenüberliegenden Häuserblock und warf den Zettel mit leicht zitternden Händen ein. Es tat ihm in der Seele weh, ihr diese Worte zukommen zu lassen, denn sie würden mit Sicherheit nicht folgenlos bleiben. Auch war ihm durch den Kopf gegangen, dass sie seine Mitteilung eventuell falsch verstehen könnte, aber er war sich sicher, dass es so am besten war. Schweren Herzens lief er an dem Spielplatz vorbei zurück nach Hause, wo er noch lange über die vergangenen Jahre nachdachte, bevor er irgendwann erschöpft einschlief.

      Als Sarah am Tag darauf von der Schule nach Hause kam, hatte ihr ihre Mutter einen Zettel auf ihren Schreibtisch gelegt.

      Ihr Name stand darauf und sie wusste, wessen Handschrift das Stück Papier zierte. Aufgeregt und ein wenig ängstlich faltete sie das Blatt auseinander, auf dem nur wenige, aber harte Worte standen, auch wenn sie womöglich noch so lieb gemeint waren: »Ich wünsch‘ dir alles Gute. Till.« Ungläubig las sie die Worte wieder und wieder, ehe sie ahnte, was sie zu bedeuten hatten.

      Sie dachte sehr lange über Tills Nachricht nach. Waren seine Worte nur auf ihre neue Beziehung bezogen? Oder war das seine Art, ihr zu sagen, dass er keinen Sinn mehr in ihrer Freundschaft sah und sich nun quasi damit »verabschieden« wollte und ihre Freundschaft aufgab? Sarah verstand die Welt nicht mehr. Tränen liefen ihr übers Gesicht.

      Obwohl sie sich so sicher gewesen war, das Richtige getan zu haben, indem sie ihre wahren Gefühle Till gegenüber verschwieg, war sie vielleicht doch den falschen Weg gegangen. Dabei war er es doch, der sich eine Freundin gesucht hatte? Der sich verliebt hatte und sich nicht mehr für Sarah interessiert hatte? Der ihre Freundschaft hatte schleifen lassen und sie nun anscheinend beendet hatte?

      Es war wohl tatsächlich so, als hätte er sich selbst nun endgültig aus ihrem Leben ausgeschlossen. Aber sie konnte sich nicht erklären, warum. Sie waren doch so gute und enge Freunde gewesen, hatten alles miteinander geteilt und konnten miteinander über Gott und die Welt reden. Welchen Grund hätte er gehabt, die Freundschaft zu beenden und seinen weiteren Lebensweg ohne Sarah zu gehen?

      So sehr sie überlegte, sie fand einfach keine Antwort auf all ihre Fragen, die ihr nun durch den Kopf gingen. Es fühlte sich an, als würde ihre Welt zerbrechen. Sie hatte ihren besten Freund und gleichzeitig den jungen Mann, den sie von Herzen zu lieben schien, verloren. War es vielleicht doch ein Fehler gewesen, ihm ihre wahren Gefühle zu verheimlichen und zu versuchen, diese zu verdrängen? Aber wäre dann nicht ebenfalls ihre Freundschaft zerbrochen?

      Nach langer Zeit des Grübelns kam sie zu dem Schluss, dass es so kommen musste und dass es nichts gab, das sie hätte tun können, um dieses traurige Ende zu verhindern. Sie hatte Steffen sehr gerne und offensichtlich war Katja Till ebenfalls sehr wichtig geworden.

      So beschloss sie noch am gleichen Abend, ihm ebenfalls eine Nachricht zukommen zu lassen. Auch ihre Nachricht an Till enthielt lediglich sechs Worte, ihren Namen und Tills Namen auf dem Umschlag, in dem der