Nicole Beisel

Ich wünsch dir alles Gute


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      Sarah war verwundert über sich selbst und ihre offenen Worte. Till schämte sich immer mehr. »Ich weiß. Ich wusste mir nicht anders zu helfen.« Verwundert sah Sarah ihn an. Was meinte er nur damit? Währenddessen rang Till nach einer plausiblen Erklärung.

      »Unsere Interessen haben einfach verschiedene Wege eingeschlagen. Dann hatte ich eine Freundin und ich wollte nicht, dass sie eifersüchtig wird, wenn ich so viel Zeit mit dir verbringe. Ich weiß, es war falsch, aber damals wusste ich es nicht besser.«

      Sarah konnte das nicht so recht verstehen. Ihre Freundschaft war so tief und innig gewesen und Till war eigentlich immer ein vernünftiger Mensch gewesen. Niemals, so war sie sich sicher, hätte er ihre Freundschaft für ein Mädchen oder eine Frau aufgegeben. Aber was sonst konnte dahinter stecken?

      Till sprach weiter. »Es hat sich irgendwie so ergeben. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich dachte, es wäre ok für dich, und dass auch du dir einen neuen Freundeskreis suchen würdest. Ich dachte, es würde nun jeder seinen eigenen Weg gehen.«

      Till zuckte mit den Schultern. Mehr konnte er dazu nicht sagen, obwohl es so viel mehr zu sagen gegeben hätte. Für Sarah klang das alles eher nach einer Ausrede, auch wenn sie selbst keine Antwort hatte, worin das wahre Problem gelegen zu haben schien. »So wie es aussieht, hat das nicht so ganz geklappt.«

      Energisch wischte sie sich eine der vielen Tränen weg und schaute auf die Straße. Auch Till schaute kurz weg, bevor er sie erneut ansah. »Ja, ich weiß. Ich hatte mir das alles anscheinend einfacher vorgestellt. Jedenfalls, wenn du magst, ich meine…« Till druckste herum, während Sarah gespannt darauf wartete, was er ihr nun versuchte, zu sagen.

      »Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast, aber ich werde nach den Ferien hier weiter auf die Schule gehen und werde auf dem Gymnasium mein Abitur machen.« Die Realschule, das Gymnasium und die dazugehörige Hauptschule bildeten gemeinsam ein Schulzentrum am Rande der Stadt. »Das heißt also, ich bleibe erst einmal noch ein paar Jahre hier im Ort. Ich weiß zwar nicht, was du nun nach der Schule machst, ich nehme an, etwas im Handwerk, dann würde ich mich freuen, wenn wir uns ab und an vielleicht doch mal sehen könnten. Katja wird sicher nichts dagegen haben.«

      Es hatte ihn sehr viel Überwindung gekostet, aber es musste sein. Er wollte Sarah wieder öfter sehen, ganz gleich, was Katja dazu sagen würde. In all den Jahren hatte Sarah ihm so sehr gefehlt, dass er ständig an sie dachte und sich wünschte, sie wären zumindest noch befreundet. Es war sehr dumm von ihm gewesen, ihre Freundschaft zu beenden, weil er tiefere Gefühle für sie hegte und dachte, er würde nicht damit zurechtkommen, wenn er weiterhin mit ihr befreundet blieb. Aber ganz ohne Sarah ging es ihm so schlecht, dass er sich gar nicht vorstellen konnte, dass es schlimmer wäre, wenn er wieder mit Sarah befreundet blieb und sie regelmäßig traf.

      Er wollte ihre Freundschaft wieder aufleben lassen. Auch wenn ihm klar war, dass es sicher nie wieder so werden würde, wie früher, so war das immerhin besser, als sich ständig nach Sarah zu sehnen und sich zu fragen, was sie wohl gerade macht. Vielleicht konnte er seine wahren Gefühle für sie doch irgendwie im Zaum halten und sich an ihrer Freundschaft erfreuen.

      Sarah musste einen Moment nachdenken. Alles war so verworren gewesen. Erst hatte er den Kontakt abgebrochen, als Erklärung schiebt er »die geteilten Interessen« und seine Freundin vor, dann steht er plötzlich mit Tränen in den Augen vor ihr und bittet sie um Verzeihung und um ihre Freundschaft?

      Sarah wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie war so wütend auf ihn gewesen. Er hatte sie so sehr verletzt. Selbst wenn er von ihren wahren Gefühlen nichts wissen konnte, so hatte er doch trotzdem ihre Freundschaft zerstört, ein Band, das in der Regel viel stärker ist als die Liebe zwischen zwei Menschen. Sie dachte darüber nach, was sie nun wirklich wollte. Einerseits freute sie sich riesig auf die Ausbildung, die sie recht gut ablenken würde. Andererseits fehlte ihr die Freundschaft zu Till. Aber konnte sie ihre Gefühle unterdrücken und vor ihm verheimlichen? Würde sie damit umgehen können, wenn seine Freundin doch eifersüchtig auf sie werden würde? Aber was am wichtigsten war: Konnte sie Till verzeihen? Ihre Tränen waren in der Zwischenzeit getrocknet und auch Till schien gefasster und irgendwie auch erleichtert, nachdem er sie gefragt hatte, ob sie bereit war, ihre Freundschaft wieder aufzunehmen.

      »Ja, ich weiß, dass du dein Abitur machst und dann studieren willst. Meine Mutter hat es mir erzählt, sie weiß es von deiner Mutter. Du hast Recht, ich habe mir einen handwerklichen Beruf ausgesucht. Ich möchte gerne Friseuse werden und später vielleicht mal meinen eigenen Salon eröffnen, wenn ich es schaffen sollte, Friseurmeisterin zu werden. Mal sehen, was die Zukunft für mich bereit hält. Meinen Ausbildungsplatz habe ich übrigens im Salon »Haarscharf« in der Stadtmitte, also werde ich auch noch zumindest für die nächsten drei Jahre bei meinen Eltern wohnen bleiben und hier im Ort sein.«

      Ein leichtes Lächeln zierte Tills Gesicht. Immerhin etwas. Er hatte schon befürchtet, sie könnte wegziehen und er würde sie vielleicht nie wieder sehen. Doch wie stand es nun um ihre Freundschaft? Hatte er eine Chance, wieder eine Verbindung zu Sarah aufzubauen? Er konnte nur ahnen, wie sehr er sie verletzt haben musste und er konnte sich vorstellen, dass es für sie schier unmöglich sein musste, ihm zu verzeihen und sich ihm wieder ein Stück weit zu öffnen.

      »Allerdings werde ich dann auch wenig Zeit haben. Aber sicher spricht nichts dagegen, wenn wir ab und an mal telefonieren oder uns sehen.«

      Sarah wollte es erst einmal langsam angehen lassen und sehen, was die Zeit mit sich bringt und wie es bis dahin um ihre Gefühle für Till stand, obwohl sie sich sicher war, dass eine Freundschaft mit ihm nicht leicht für sie werden würde, zumal sie ihn sicher auch oft zusammen mit Katja sehen würde, was nicht gerade angenehm für sie war. Aber schließlich hatte sie sich in den letzten Jahren immer wieder gewünscht, sie hätten ihre Freundschaft aufrecht erhalten können. Vielleicht wäre ein Neustart gar nicht so schlecht.

      Till freute sich sehr darüber, auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein war. Er wollte sich darum bemühen, wieder ein engeres Band zu Sarah knüpfen zu können.

      »In Ordnung. Schön. Dann werde ich dich in den Ferien vielleicht mal anrufen oder so?« Sarah willigte ein und überließ es ihm, den ersten Schritt zu tun. Das war er ihr schuldig gewesen.

      »Dann wünsch ich dir trotzdem für deine Ausbildung alles Gute.«

      Wieder waren es die gleichen Worte, die vor einigen Jahren den Abschied bedeutet hatten.

      »Danke. Ich wünsch dir für deine Jahre auf dem Gymnasium und dein Abitur auch alles Gute. Ich nehme an, wir sehen uns oder hören voneinander.«

      Sie lächelten sich gegenseitig an, mit einer Erleichterung in den Augen. Noch unbeholfen standen sie sich nun gegenüber mit der Zuversicht, dass sie eines Tages vielleicht doch wieder enge Freunde werden könnten. Da kam Till auf sie zu und nahm sie fest in die Arme. Erleichtert erwiderte sie seine Umarmung. Es fühlte sich an, als hätte sich nach langer Zeit ein Knoten in ihrem Herzen gelöst.

      Gott, wie sehr hatte sie das vermisst und sich all die Jahre nach seiner Umarmung gesehnt! Sie wünschte, sie könnte ihn ewig festhalten.

      Ihm ging es ebenso. Er hatte nun das Gefühl, etwas Verlorengegangenes endlich wiedergefunden zu haben. Während er Sarah umarmte, sah sie etwas weiter hinten Katja vor der Tür zur Halle stehen. Katja hatte die beiden wohl beobachtet, aber Sarah wusste nicht, wie lange sie schon dort gestanden hatte. Immerhin konnte sie unmöglich gehört haben, was Sarah und Till miteinander besprochen hatten, dazu stand sie zu weit weg. Sarah hoffte, dass Till nun keinen Ärger bekommen würde. Aber selbst wenn, dann war es sein Problem, schließlich war er von sich aus auf Sarah zugekommen.

      Sarah löste sich aus seiner Umarmung und schon kamen auch schon Sarahs Eltern zur Tür heraus. Es war soweit, sie machten sich auf den Heimweg. Sarah verabschiedete sich von Till und lief mit ihren Eltern davon. Sarahs Eltern hatten die Umarmung gesehen und hatten auch nicht weiter nachgefragt, sondern waren lediglich froh, dass Sarah und Till sich ausgesprochen zu haben schienen. Dadurch, dass Sarah nicht mehr zurückblickte, konnte sie die nachfolgende Szene nicht mitbekommen und wurde vorerst in dem Glauben gelassen, Till wäre weiterhin in festen