zu organisieren. Zu überlegen, was man erreichen will, was man dafür tun muss, wann welche Aufgaben anstehen und wie man sich selbst motiviert. Dass man nicht immer Lust hat zu arbeiten, ist schließlich ganz normal.“
„To-do-Liste!”, krähte jemand.
„Ja, zum Beispiel. Dann die Fähigkeit, Problemlösungsstrategien zu entwickeln. Logisch zu denken. Naturwissenschaftliche Sachverhalte graphisch darzustellen. Die Verbindungen zwischen Mathematik und Naturwissenschaften zu erkennen. Seine Erkenntnisse in korrekter Fachsprache darzustellen. In verschiedenen Sprachen, wenn möglich, aber mindestens in Deutsch und Englisch. Reicht das fürs Erste?“ Susi nickte ermattet.
„Okay, ich gebe euch für alle Regeln noch ein paar Beispiele, die probiert ihr jetzt mal schnell, und dann machen wir mit Entwicklungsländern weiter.“
Sie schrieb ein paar geeignete Funktionen an die Tafel und lehnte sich ans Fenster, während fast alle eifrig rechneten. Susi schaute, als würde sie am liebsten in der Nase bohren, schrieb dann pro forma zwei Zeilen und schaute wieder in die Luft.
Doro trat neben sie und murmelte: „Susi, bist du sicher, dass du in der Oberstufe richtig bist? Willst du dich nicht mal beraten lassen, bei Frau Zirngiebel zum Beispiel? Oder bei Frau Suttner? Vielleicht würde dir etwas anderes ja viel mehr Freude machen?“
„Weiß nicht“, murrte Susi leise. „Ja, vielleicht.“
Als sich Unruhe breit machte, schrieb Doro schnell die Lösungen neben die Aufgaben. „So, habt ihr´s richtig? Fünf Minuten könnt ihr das noch kontrollieren, dann machen wir mit Geo weiter.“
Von wegen! Erst mussten sie ausführlich vergleichen, dann mussten sie noch ausführlicher Fragen stellen und sich schließlich ganz besonders ausführlich bedanken. In die Danksagungen hinein läutete es. Doro grinste mäßig zufrieden. „Leute, wenn ihr so arg Zeit schindet, helfe ich euch so bald nicht mehr!“
„Och, Frau Fiedler, wir sind doch soo dankbar! Ehrlich, das war keine Absicht!“
„Ja, ja.“ Verlogene Bande! „Aber macht in Zukunft wenigstens eure Mathehausaufgaben – sonst steht ihr gleich wieder vor dem Nichts.“
Sie packte den unbenutzten Geographiekram ein, wünschte einen schönen Tag und kehrte ins Lehrerzimmer zurück.
Die große Pause zeichnete sich wie üblich durch unglaubliches Gewimmel aus – die Kollegen räumten herum, kochten Kaffee, aßen alles Mögliche (Luise hatte Recht, das meiste war Müll, nur Fett, Zucker und künstliche Zusatzstoffe) und versuchten nebenbei, den Schülerandrang an der Tür zu bewältigen, Informationen zu geben, allerlei Krempel allerlei Leuten ins Fach zu legen… Die anderen kopierten, korrigierten, ratschten, sortierten, suchten und fluchten vor sich hin.
Dieses Lehrerzimmer war effektiv zu klein, fand Doro. Das konnte natürlich auch daran liegen, dass die Nebenräume, der Rechnerraum, der Silentiumraum, die beiden kleinen Arbeitsgruppenräume so ungern genutzt wurden. Warum, wusste niemand. Vielleicht sollte man da mal eine Umfrage machen?
Allmählich beruhigte sich das Gewusel, die Pause näherte sich ihrem Ende. Doro kramte ihre Notenlisten heraus – vielleicht kamen ja Eltern?
Wenn nicht, könnte sie das Ex von gestern…
Mist, das lag zu Hause. Die Planung sollte sie wirklich noch optimieren!
Sie kramte in ihrer Tasche herum, in der Hoffnung, irgendetwas zu tun zu finden. Ihr Zeitplaner war aber die einzige magere Ausbeute. Sie amüsierte sich etwa neunzig Sekunden lang damit, das Erledigte mit Textmarker durchzustreichen, dann sah sie wieder auf.
Oh, schon deutlich leerer!
In der Ecke am Fenster saß Herbert Richling (Sport/Physik, wenn Doro die Lehrerliste richtig im Kopf hatte) und las Zeitung. Eine halbe Schlagzeile war sichtbar: ückelt auf Gle, aber Doro hatte keine rechte Lust, sich die dazu denkbaren Ergänzungen zu überlegen.
Der ältliche Querfurth strich durchs Zimmer, wie immer mit würgeengem Kragen, karierter Fliege, khakifarbenem Anzug und goldgefasster Brille eher altmodisch angetan. Offenbar hatte er nichts zu tun und suchte Kontakt.
Am Oberstufenbrett stand Trattner im raschelnden türkisblauen Trainingsanzug und studierte anscheinend den Schulaufgabenplan, in der nächsten Ecke saß Katja Herzberger und kramte in ihrer Tasche.
Einer in jeder Ecke, sozusagen. Zufall oder konnten sie sich alle nicht ausstehen? Über Richling und Querfurth wusste Doro noch nichts – aber dass die Herzberger mit Trattner nichts im Sinn hatte, war ihr schon längst aufgefallen.
Aus der Küche kam jetzt Pütz, dem die dunklen Löckchen heute besonders zerrauft in die Höhe standen, nippte an seinem Kaffeebecher und verzog angeekelt das Gesicht, dann stellte er sich zu Trattner. „Na, was gibt´s hier Neues?“
„Neues, wieso?“
„Na, niemand liest doch altbekannten Kram, oder?“
„Ich kann mir doch mal anschauen, wie die Schulaufgaben in der Oberstufe verteilt sind, oder?“
„Hat Frau Suttner gut gemacht, finde ich“, stellte Pütz fest. Eigentlich ein netter Kerl. „Naja“, meinte Trattner. So eine Pfeife aber auch!
„Wieso? Immer nur zwei pro Woche. Genügend Zeit, um in der Elften erstmal was durchzunehmen. Die Sprachen schön nahe vor den Ferien, damit man ausreichend Korrekturzeit hat – was passt Ihnen denn nicht? Haben Sie außer Sport überhaupt einen Kurs?“
„Meinen Sie, für wissenschaftlichen Unterricht langt´s bei mir nicht oder wie?“
„Bitte? Es hat doch nun mal nicht jeder jedes Jahr einen Kurs!“
Trattner brummelte. „Die Suttner maßt sich ganz schön was an, finde ich. Uns die Termine vorzuschreiben!“
„Also haben Sie doch einen Kurs? Wegen eines Sporttests müssten Sie sich ja nicht so aufregen, oder?“ Trattner schnaubte und wandte sich ab, um sich zu Querfurth vor dem Brett mit den Verlautbarungen der Schulleitung zu gesellen. Alles sehr interessant, fand Doro. Und Eltern ließen sich heute wohl ohnehin nicht blicken, dann konnte sie hier auch wie in einer Theaterloge sitzen.
Pütz zwinkerte ihr zu und kam näher. „Fühlt sich schnell auf den Schlips getreten, was?“, raunte er dann, als er nahe bei Doro stand.
„Wenn er einen umhätte, wäre er sicher auch so ekelhaft knalltürkis“, kommentierte Doro, bei der Trattner ihre bösesten Instinkte weckte.
„Manche Leute sind eben farbenblind. Da muss man Mitgefühl zeigen.“ Pütz schaute fromm und Doro lachte, wenn auch wider Willen.
„Aber warum man ihn nicht fragen darf, ob er überhaupt einen Kurs hat, wenn er schon am Schulaufgabenplan herummeckert, verstehe ich immer noch nicht“, meinte Pütz dann nachdenklich.
„Er hat keinen Kurs, außer Basketball in 11 und 12“, informierte Hilde Suttner, die gerade vorbeikam. „Ihr redet doch vom schönen Trattner, oder?“
Doro drehte sich erschrocken um, aber das Direktoratsbrett war glücklicherweise am anderen Ende des Raumes, eindeutig außer Hörweite.
„Stimmt. Was hat er denn dann zu meckern?“
„In Wahrheit ärgert er sich über seinen Stundenplan. Man hat ihm am Freitag sieben Stunden verpasst, sogar noch mittags einen Sportkurs, und jetzt kann er nicht am Donnerstag schon zum Skifahren abrauschen. Hatte er sich gewünscht.“
Doro prustete. „Ist ja ein dreister Wunsch! Freitags frei?“
Die Suttner nickte. „Und das bei Vollzeit! Manche trauen sich eben echt was.“
„Ab wann gibt es denn überhaupt einen freien Tag?“, wollte Doro wissen.
„Ich glaube, ab sechzehn Stunden oder drunter. Aber nicht so gerne Freitag oder Montag. Du hast Vollzeit, oder?“
Doro nickte. „Natürlich - keine Kinder, keine pflegebedürftigen Eltern -“
„Kein