er normalerweise einen Helfer. Lotsenjunge genannt. Auch wenn er schon älter war.
Konzentrieren wir uns nun aber auf ein Schiff allein: Die „Adventure“ natürlich. Welches sonst. Schließlich haben wir ja die ganze Geschichte nur wegen ihr angefangen. Außerdem wäre die Story ja auch einfach zu lang, würden wir uns hier und jetzt verzetteln. Das wollen wir natürlich nicht. Im Interesse des Lesers versteht sich. Das sollten wir an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen, in Ihrem Interesse also.
Die Sandbank lag nur ganz unauffällig im Weg herum. Nur leise kräuselte sich das Wasser darüber. So was muss man sehen können. Auf diesem Wege ereilte das erste Schiff ein kleines Missgeschick, kaum hatten die ersten ihre paar Meter Vorsprung errungen. Gestern war die Sandbank noch ganz anders gewesen. Schade eigentlich. Die „Sagotora“, ein kleines Schiff, brauchte rund dreißig Minuten um wieder frei zu kommen. Das entzerrte das Gesamtbild ein wenig.
Auf der Brücke der „Adventure“ hielten verschiedene Menschen die Köpfe zusammen. Der Ingenieur war da, der Lotse natürlich, ein völlig fremder Mensch, den sie „Mister“ nannten und der Kapitän. Woraus man schließen kann, dass eine ungewöhnliche Besatzung zugegen war. Der „Mister“ war, das stellte sich schnell heraus, ein Mensch, der sich mit dem Fuß, seinen Strömungen und seinem Fließverhalten auskannte und außerdem bisweilen für Zeitungen arbeitete. Zusammen mit dem Lotsen versuchte er genau die „Ideallinie“ zu fahren. So, wie es heute die modernen Rennwagen auf den Pisten versuchen. Leider erwies sich das Vorhaben als schwieriger als erwartet, denn der Lotse musste immer wieder davon abraten bestimmte Kurse zu fahren, weil da nämlich das Wasser zu flach war. Zwar erwies es sich nun als vorteilhaft, dass das Schiff an Gewicht verloren hatte, der Tiefgang war deutlich reduziert, aber den Handbreit Wasser wollte man schon unter dem Kiel haben.
Gefahren wurde noch nicht mit voller Kraft. Noch belauerten sich die Gegner. Misstrauisch wurde jedes Manöver des anderen beobachtet. Die kleinen Geheimnisse und Kniffe hielten die leitenden Ingenieure der Schiffe gerne für sich.
Die Passagiere rechneten mit einer Fahrtdauer von sechs bis sieben Stunden. Aus der Küche kamen nun die erlesensten Speisen, und an den Bars war großes Gedränge. Besonders auf dem freien Oberdeck. Hier ließ sich Vergnügen mit Arbeit verbinden. Sehen, gesehen werden, darüber sprechen und dann noch Gaumenfreuden. Einfach prima. Vorne im Brückenhaus liefen Stoppuhren, wurden Karten gewälzt und Prognosen errechnet. Immer wieder Befehle, durch das Sprachrohr in den Maschinenraum gebrüllt, Geschwindigkeit und Drehzahl der Maschine verändert, und manchmal wurde auch ein bisschen geflucht.
Träge glitt die Landschaft vorbei. Dicht am Ufer sollte gefahren werden, im ruhigeren Teil des Flusses, weiter weg von der starken Strömung. Dann wieder blitzschnell hinüber auf die andere Seite, immer dem kürzesten Weg nach. Hakenschlagen. Belauern. Vorteile erkunden. Eine strategische Angelegenheit.
Ein lauter Schlag auf der „Prince“ machte die Wettfahrt noch spannender. Irgendeine Dampfleitung war explodiert, das Schiff drehte ab zur Fahrbahnmitte, Qualm kam aus dem Maschinenraum, die Ankerkette rasselte herab, das Rennen war für die Mannschaft zu Ende. Vom Ufer kamen Hochrufe. Irgendwer musste da was falsch verstanden haben. Reiter begleiteten die Flotte. Immer wieder sprengte einer davon, um hinter der nächsten Biegung vom Stand der Entwicklung zu berichten. Dafür gab es dann auch Essen und Trinken. Besonders gern wurde das Trinken genommen.
Großzügig überließ die „Adventure“ ihrem starken Gegner den Vortritt. Vorerst wenigstens. Denn sie wartete auf ihre Gelegenheit, und die lag rund sieben Meilen vor dem Ziel. Dort teilte sich der Fluss nämlich damals in zwei Arme. Dazwischen lag eine weite, lange, dichtbewaldete Insel. Hier hatte der Lotse, zwei Tage vorher, eine eingehende Ortsbesichtigung vorgenommen. Beide Arme unterschieden sich nämlich erheblich. Durch den einen kam der Hauptstrom. Untiefen waren nicht zu erwarten, die Geschwindigkeit des Flusses steigerte sich aber erheblich. Der andere Arm war seicht, Sandbänke lagen quer, die Gegenströmung war minimal. Außerdem war die Strecke ein wenig kürzer.
Kreuz und quer war der Lotse mit einem Kahn herumgerudert. Gar mancher Dollar musste investiert werden, um die weiten Wege zu erkaufen, und natürlich auch das Schweigen des Ruderers. Schließlich sollte der tunlichst das Maul halten.
Kurz vor der Gabelung ließ der Lotse auf einmal kräftig feuchtes Holz ins Feuer werfen. Sofort quollen saftige, schmutzig-graue Dampfwolken aus den Schloten. Das war natürlich das Alarmzeichen für die Gegner. Jetzt also sollte der Angriff erfolgen, nun würde die Führungsrolle zu verteidigen sein. Schiffstelegrafen klingelten. Befehle wurden gebrüllt. Die Gäste rannten wie von Sinnen umher, denn irgendwas musste ja los sein. An den Kesseln hektisches Treiben. Holz, immer mehr Holz musste herbei um den Druck zu erhöhen. Längst waren die Zeiger der Manometer im roten Bereich. Gleichgültig, wie hoch die Gefahr wachsen sollte, die Führung musste verteidigt werden. Um jeden Preis.
Und dann war die „Adventure“ irgendwie weg. Verschwunden. Nicht mehr zu sehen. Jedem war natürlich sofort klar: Sie hatte den falschen Weg genommen. Hinein in den flachen Teil des Flusses. Heraus aus der Fahrrinne. Das würde ihr Ende sein. Ein Fehler des Lotsen auf den letzten paar Metern. Verloren. Das „Aus“.
Auf der rechten Brückenrock steht der Lotse, auf der linken der „Mister“. Unten bei der Maschine lässt der Ingenieur bestes Brennholz verfeuern. Die ganze Zeit hatten sie es aufgespart. Auch hier, der Zeiger des Manometers im roten Bereich. Aber das Schiff ist gut gewartet. Am Ruder - ausnahmsweise - der Kapitän selbst. Hinten, unter der Verkleidung des Hecks, peitscht das Schaufelrad das Wasser. Ruckartig nimmt das Schiff Fahrt auf. Kaum Gegenströmung. Leicht ist das Gefährt zu steuern. Gut der Druck auf dem Steuer. Nur wenig Rauch entweicht den Schloten. Schleichfahrt, aber schnell.
Immer wieder Kommandos von den Brückennocks. Kleine Korrekturen nur, wesentliche Veränderungen würden die Geschwindigkeit bremsen. In langen Schlangenlinien umrundet die „Adventure“ die Ausläufer der Sandbänke. Bald nähert sich das Ende der Insel. Vom Gegner ist nichts zu sehen. Zu dicht ist noch der Wald. Plötzlich ein Ruck. Grundberührung. Maschinentelegraf, Sprachrohr. Kurs halten. Am Heck schäumt das Wasser. Noch härter schlagen die Schaufeln. Irgendwas quietscht haarsträubend. Als führe eine gigantische Eisenbahn zu schnell in die Kurve. Dann ein Ruck. Das Schiff ist frei. Fast torkeln die Passagiere, so hoch ist die Beschleunigung. Getränke schwappen aus den Gläsern, da läuft das Schiff um das Ende der Insel, hinein ins Fahrwasser.
Lang und breit haben natürlich die Zeitungen über diesen genialen Trick berichtet. Ausgiebige Überlegungen wogen Risiko und Gewinnaussichten ab. Aber zu diesem Zeitpunkt war es schon egal. Die „Adventure“ hatte gewonnen, der Gegner war weit abgeschlagen. Kämpfte sich aussichtslos durch die Strömung. „Amerika“ hatte gesiegt, so wurde geschrieben, obwohl dies ja eigentlich Quatsch war. Die Gegner waren schließlich auch Amerikaner. Gemeint war natürlich: Amerikanischer Kampfgeist, Mut und Ideenreichtum hatte den Sieg davongetragen, und wenn ein anderer gewonnen hätte, dann wäre es wohl genauso gewesen.
Das Ereignis hatte somit einen krönenden Abschluss gefunden, aber niemand hatte ernsthaft auch was Anderes erwartet. Es wäre für die Story natürlich viel schöner gewesen, wenn Kessel explodiert wären, irgendwer Schiffbruch erlitten hätte oder wenigstens eine kleine Katastrophe irgendeinen ereilt hätte. Kollision, Pistolenschüsse inklusive. Später, also wesentlich später, soll eine amerikanische Filmfirma den Stoff umgesetzt haben. Da soll natürlich explodiert, kollidiert und geschossen worden sein. Manchmal ist es erlaubt die Geschichte ein wenig aufzumotzen. Oder man erlaubt es sich einfach. Nur wegen des Publikums, versteht sich. Aber das kennen wir ja auch heute noch.
Die Rückfahrt gestaltete sich gemütlich. Nun hatte die „Adventure“ ihren Ruf als komfortables Spielerschiff weg, brauchte sich nicht mehr zu beeilen. Nun war das Schiff bekannt, hatte eine gute Reputation. War in den Zeitungen zu finden. Es ging nämlich gar nicht mehr darum von A nach B zu kommen, sondern allein darum sein Geld beim Spiel loszuwerden. Einige, aber nur wenige, sollen auch mal was gewonnen haben. Auch das fördert das Geschäft. Und das ist auch heute noch so.
Die Werft bekam nun Aufträge und wurde mit diesem Polster alsbald für teures Geld verkauft. Lange hat sie sich dann nicht mehr gehalten und ging in den Dornröschenschlaf über, der heute von Rex Mailman bewacht wird. Das Schiff soll irgendwann