ein Kreuzverhör?“
Sie zog lachend eine Schublade auf, holte ein Manuskript heraus und warf es auf meinen Schreibtisch.
Hier, bis heute Abend muss das drehfertig sein“, befahl sie mir in einem Ton, als hätte sie mich gerade auf einem Sklavenmarkt im Sonderangebot gekauft. “Gehen Sie es Seite für Seite sorgfältig durch. Wenn Sie fertig sind, muss es hoch zu Jansen. Viel Spaß!“
Ich drehte ihr den Rücken zu, steckte die Hände in die Hosentaschen und schaute hinaus. Es war ein stürmischer grauer Apriltag. Ellen hatte mir am Morgen geraten, den Schirm mitzunehmen. Beim Aussteigen hatte ich ihn im Zug liegengelassen. Was würde Ellen dazu sagen, dass Timos Herrchen eine Sekretärin hatte, die ihn wie einen Hund behandelte? Diese Frau war unmöglich! Wo hatte sie ihre Ausbildung gemacht? Im Vorzimmer von Saddam Hussein?
“Werden Sie hier dafür bezahlt, dass Sie die Aussicht genießen?“
Ich ballte die Fäuste in den Taschen und drehte mich langsam um. Sie saß zurückgelehnt mit verschränkten Armen da und grinste mich herausfordernd an. Sogar im Sitzen sah sie groß aus. Ich musste ihr schnellstens klarmachen, wer von uns beiden die Sekretärin war.
“Ich brauch‘ einen Kaffee“, sagte ich barsch und ließ mich betont lässig auf meinem Sessel nieder.
“Den Flur entlang, eine Treppe runter, drei Meter links, und schon stehen Sie vor einem großen schwarzen Kasten mit der Aufschrift KAFFEEAUTOMAT. Wissen Sie, wie man einen Becher unter den Strahl hält? Es funktioniert ungefähr so wie bei einer Urinprobe. Übrigens schmeckt der Kaffee auch so ähnlich.“
Ich sah sie kurz an. Dann stand ich auf, ging zur Tür, die immer noch offenstand, und knallte sie zu. Das heißt, ich wollte sie zuknallen, aber im letzten Moment wurde mir bewusst, wie albern das aussehen würde. So leise hatte ich noch nie eine Tür geschlossen.
Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch und schob das Manuskript, das sie mir rübergeworfen hatte, ganz weit von mir weg.
“Verbinden Sie mich bitte mit meiner Frau.“
So hatten die Chefs in meinen Serien immer mit ihren Sekretärinnen gesprochen. Ich wunderte mich, wie fest meine Stimme klang. Ich gab ihr unsere Nummer und sah sie dabei entschlossen an. Das wirkte. Ohne zu zögern griff sie zum Hörer und wählte. Ich nickte zufrieden.
“Heise am Apparat.“
Ich streckte die Hand nach dem Hörer aus.
“Kommen Sie bitte mal runter? Danke.“
Und schon legte sie wieder auf, lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und zielte mit ihren blauen Pfeilen auf mich.
“Was soll das?“ fragte ich sie unsicher. Meine Hand schwebte immer noch in der Luft. In Zeitlupe ließ ich sie unter meinem Schreibtisch verschwinden.
Kurz darauf erschien Jansen in unserem Büro.
“Was gibt‘s denn?“ fragte er Frau Heise.
“Könnten Sie bitte Herrn Timo fragen, wofür er mich eigentlich hält?“
Jansen sah mich gereizt an.
“Ist sie denn nicht meine Sekretärin?“ erkundigte ich mich bei ihm.
Jansen stöhnte auf und eilte zur Tür. “Leute, ich ersticke da oben in Arbeit. Verschont mich bloß mit so einem Quatsch!“
Der Blick, den er mir beim Hinausgehen zuwarf, war so eisig, dass man damit ein Kilo Möhren hätte einfrieren können.
“Ich muss ihn irgendwie falsch verstanden haben“, versuchte ich Frau Heise zu erklären. “Er hat mir nämlich gesagt . . .“
Sie stand auf.
“Ich brauch‘ jetzt einen Kaffee. Soll ich Ihnen auch einen mitbringen?“
Ich nickte.
“Milch? Zucker? Süßstoff? Schwarz?“
Ich nickte wieder. Sie war so unheimlich groß. Und ich war so wahnsinnig blöd.
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