Ralph Ardnassak

Die Mutter der Macht. Ein Mensch namens Mao Tse-tung.


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History Bulletin 12/13, S. 262–270; Zitat von S. 264)

      Stattdessen wurde die politische Isolierung Taiwans betrieben, welche am 25. Oktober 1971 gemäß UN-Resolution 2758 der UN-Generalversammlung zum Ausschluss des als Nationalchina bezeichneten Taiwans aus den Vereinten Nationen führte.

      Ein ähnlicher Konflikt entspann sich 1949/50 zwischen China und dem bis dahin offiziell unabhängigen Tibet.

      Mao ließ Tibet besetzen und einfach annektieren.

      Während Mao Tse-tung außenpolitisch die Ein-China-Doktrin umzusetzen versuchte, bemühte sich seine Frau Jiang Qing verstärkt, ins politische Rampenlicht zu treten.

      Sie mischte sich zunächst während der Jahre 1950 und 1951 in die Bodenreform von Ostchina und in die Reformversuche des Eherechts, welche besonders in der Umgebung von Wuhan stattfanden.

      Im Jahre 1954 bemühte sie sich um eine ideologische Diskussion des 1791 erschienen Romans „Der Traum der roten Kammer“ von Cao Xueqin, der den Verfall der Pekinger Aristokratenfamilie Jia thematisiert.

      Jedoch wurde sie von der Kommunistischen Partei Chinas immer wieder dazu genötigt, ihr politisches und kulturelles Engagement geheim zu halten.

      1951 musste sie sogar ihre Stellung als Leiterin des Allgemeinen Büros im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas verlassen, um wieder als Maos Sekretärin zu arbeiten. In der Folge litt sie daher unter diversen psychosomatischen Beschwerden, weswegen sie mehrere Male in der Sowjetunion behandelt werden musste.

      Tatsächlich liegt Maos China jedoch im Jahre 1949 wirtschaftlich de facto am Boden.

      Das Pro-Kopf-Einkommen wird gerade einmal mit etwa 54 US-Dollar ausgewiesen, womit China zu den ärmsten Ländern der Erde zählt.

      Etwa 70 % der chinesischen Bevölkerung sind zu diesem Zeitpunkt einfache Bauern ohne Grundbesitz, Tagelöhner oder arme Wanderarbeiter.

      Nur sehr langsam kann Maos Volkswirtschaft überhaupt auf bescheidene Erfolge erweisen. Es dauert, ehe die Wirtschaft der Volkswirtschaft überhaupt wieder das Vorkriegsniveau erreicht.

      Nach und nach gelingt es, zumindest die galoppierende Inflation im Lande einzudämmen.

      Von 1949 bis 1952 nimmt Mao die Herausforderung an, nach Stalins Vorbild eine sogenannte große Bodenreform in China durchzuführen.

      Diese besteht vor allem in der systematischen Enteignung aller kleinen, mittleren und großen Landbesitzer in den Dörfern.

      Zunächst wird der enteignete Grundbesitz an arme Bauern verteilt.

      Auch die industriellen Großbetriebe Chinas, die sich meist im Privatbesitz sogenannter ausländischer Investoren befinden, werden enteignet.

      Nun werden die Kleinbauern von der Kommunistischen Partei Chinas dazu aufgestachelt, sich gewaltsam das Ackerland anzueignen und an ihren ehemaligen Großgrundbesitzern Rache und Vergeltung zu üben.

      Ackerland zu besitzen oder auch nicht zu besitzen, war für viele chinesische Bauern die existenziellste Frage überhaupt.

      Daher erachteten viele kleine Bauern die Bodenreform als längst überfällig und begrüßten die Tatsache, dass beinahe die Hälfte des Bodens von Rotchina neu verteilt wurde.

      Die Kommunistische Partei Chinas verschaffte damit vor allem den verelendeten Kleinbauern endlich Zugang zum Grundbesitz.

      Allerdings wurde gleichzeitig die gewaltsame Aneignung des Bodens durch die Besitzlosen gefördert. Eine Verfahrensweise, die Gewalttaten und Grausamkeiten, aber auch Akten der Willkür, Tür und Tor öffnete.

      Der jahrhundertelang bei den ärmsten der Bauern aufgestaute Hass über soziale Ungerechtigkeit, fang endlich sein Ventil im sogenannten Ge Ming, dem in Chinas Geschichte besonders tief verwurzelten Umsturz korrupter Verhältnisse und schlechter Herrscher der Kaiserzeit mit Mitteln der physischen und militärischen Gewalt.

      Ge Ming, das heißt gewalttätige Umkehrung der gültigen Verhältnisse, das heißt Anarchie und Auslösung einer ersten Welle ungebremster Gewalt, die sich nun über China ergießt.

      Mao Tse-tung kannte die jahrhundertealte Tradition des Ge Ming mit seinen Gewaltexzessen gut und wollte ihre brachiale Dynamik nun bei der Umsetzung der ersten chinesischen Bodenreform nutzen.

      Der Volkszorn sollte bis zur Weißglut aufgeheizt und angestachelt und dann im Sinne der Kommunistischen Partei Chinas genutzt werden.

      Die verarmten Kleinbauern inszenierten vielerorts improvisierte Schauprozesse gegen die Grundbesitzer. Es kam zu hysterischen Hetzkampagnen, zu Tumulten und gewalttätigen Übergriffen, zur öffentlichen Demütigung von Menschen, zu Folter und Lynchmorden.

      Mao Tse-tung verfolgte in China das Ziel, die alte feudalistische Gesellschaftsordnung mit Gewalt zu zerschlagen.

      Um eine neue Gesellschaft mit lauter neuen Menschen zu schaffen, initiierte er dazu seit Anfang der 1950er Jahre jeweils landesweite Massenkampagnen, die die ganze Bevölkerung im Kampf gegen eine bestimmte Schicht erfassen und vereinen sollten.

      Vor allem sollten jedoch diese exakt organisierten Massenkampagnen auch das Bewusstsein der sie durchführenden Volksmassen verändern und prägen.

      Die Kommunistische Partei Chinas untergliederte eine solche Massenkampagne, für deren Durchführung ein exakter Zeithorizont festgesetzt wurde, in vier Etappen: Vorbereitung, Mobilisierung, Durchführung und Zusammenfassung der Ergebnisse.

      Bezüglich der Bevölkerungsschicht, gegen die sich die Kampagne richten sollte, wurden die möglichen Opfer bereits im Vorfeld zahlenmäßig exakt erfasst.

      Die individuelle Schuld eines Opfers war dabei unwesentlich. Es galt, eine Kollektivschuld zu sühnen, wobei der persönliche Hintergrund des einzelnen Betroffenen zurück trat.

      Jedes individuelle Opfer hatte im Rahmen der Kampagne seine ihm gesellschaftlich zugewiesene Rolle zu spielen. Dazu hatte es Reue und Zerknirschung zu zeigen und sich masochistisch in sein zugedachtes Schicksal zu ergeben. Wollte sich ein Opfer verteidigen, bekam es sofort den ungebremsten sogenannten Zorn der Volksmassen zu spüren.

      Auch das soziale Umfeld eines solchen Opfers sollte dessen Schuld niemals anzweifeln, sondern stattdessen den Zorn der Volksmassen teilen oder ihn sogar noch anstacheln.

      Mitgefühl oder gar Verständnis waren somit fehl am Platze und hätten den Ablauf einer Kampagne gestört.

      Die Anfrage der Volksmassen löste in der Regel die Verurteilung des Opfers aus. Beinahe regelmäßig bestand die Verurteilung im Todesurteil über die betreffende Person. Die Bodenreform war die erste der sechs großen Massenkampagnen, welche Mao Tse-tung von

      1949 bis 1952 über China rollen ließ.

      Die Bodenreform war nicht nur die erste, sondern auch die tiefgreifendste Massenkampagne Maos.

      Im dicht besiedelten China hatte sich durch extremes Bevölkerungswachstum die pro Kopf zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Nutzfläche extrem verringert.

      Hinzu kam die Tatsache, dass das Land ungleich und damit ungerecht verteilt war.

      Einige Grundbesitzer lebten von der Verpachtung ihres Grundes und Bodens, ohne diesen noch selbst bearbeiten zu müssen. Daneben gab es reiche Bauern, die noch selbst auf ihrem Land arbeiteten, arme Bauern und Landlose ohne jeglichen Grundbesitz.

      Arme Bauern und Landlose waren existenziell davon abhängig, Land von den Grundbesitzern pachten zu können, um zu überleben.

      Ein Mittelbauer konnte von seinen Erträgen eher schlecht als recht leben und dies auch nur in Jahren mit guten Ernten.

      Ein armer Bauer vermochte jedoch nicht, vom Ertrag seines Landes zu existieren, er musste sich von reichen Grundbesitzern Land hinzu pachten, um das Existenzminimum zu erreichen.

      Die Pachtgebühr für ein einfaches Reisfeld von nur mittlerer Qualität betrug jedoch bereits

      40 % seines Ertrages.

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