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Stefan Lansky
ABWÄRTS
Vom Redakteur zum Lkw-Fahrer
Tatsachenroman
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die Spedition I
1 Der Sekundenschlaf
2 18-Stunden-Schicht
3 Mein Kollege, der Ex-Zuhälter
4 Auszeit zu Hause
5 Nachts auf der Autobahn
6 Warenannahme
7 Rückladung
8 Kündigung
Baustellenverkehr
1 Mein erster Tag
2 Die Autobahnbaustelle
3 Noch mehr üble Typen
4 Weihnachtsfeier im Juli
5 Dr. Oberschlau
Die Spedition II
1 Zurück auf Los
2 Geregeltes Leben
3 Die Schlagersängerin
4 Der Anfang vom Ende
Vorwort
Stefan Lansky, Redakteur eines angesehenen Luxusmagazins, verliert durch die Finanzkrise seinen Job. Eine neue Stelle als Journalist ist trotz bester Zeugnisse nicht in Sicht: Mit 45 ist er zu alt, sprich zu teuer. Hartz-IV droht. Um seiner Familie den sozialen Untergang zu ersparen, macht Lansky den Lkw-Führerschein und fährt für verschiedene Transportunternehmen 40-Tonnen-Sattelzüge.
Ob Stahl, Autoteile, Seecontainer, Ziegel oder Bauschutt, es gibt kaum etwas, was er nicht über die Straßen transportiert. Lansky begegnet skurrilen Typen, erlebt eine harte Welt, in der Sklaverei und Ausbeutung im Wohlstandsland Deutschland noch immer an der Tagesordnung sind. Vom König der Landstraße ist nichts übriggeblieben, nicht einmal sein Mythos.
Unter seinem Pseudonym Stefan Lansky schildert der Autor seine Erlebnisse. Alle handelnden Personen gibt oder gab es wirklich, sind dem Autor begegnet. Auch sie bekommen zum Schutz ihrer Identität einen anderen Namen. Die Namen der Firmen sind ebenfalls nicht die wirklichen. Aus erzähltechnischen Gründen sind die Ereignisse nicht chronologisch. Doch wahr sind sie alle.
Impressum
Abwärts - Vom Redakteur zum Lkw-Fahrer
Stefan Lansky
Copyright: © 2015 Stefan Lansky
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN: 978-3-7375-5982-9
Die Spedition
1
Der Sekundenschlaf
Ein ziemlich fies klingendes Geräusch weckt mich: Ein Knirschen und Schleifen – ekelhaft, so etwas habe ich zuvor noch nie gehört. Ich wache auf. Ich liege jedoch nicht zu Hause in meinem wohlig warmen Bett, sondern sitze am Steuer eines fahrenden Sattelzuges, eines Mercedes Actros 1844 mit einem 40-Fuß-Container im Schlepp. Ich schramme mit der rechten Seite in voller Länge an der Leitplanke entlang. Sofort reagiere ich und es gelingt mir, auf die Fahrbahn zurückzusteuern. Nur gut, dass ich nicht schnell unterwegs war.
Der Schreck sitzt mir in den Gliedern. Himmel herrje, es ist passiert, was passieren musste: Der gefürchtete Sekundenschaf hat mich gepackt! ICH BIN WÄHREND DER FAHRT EINGENICKT! Ich habe es immer geahnt. Diese ewige Müdigkeit durch zuwenig Schlaf. Und das 500 Meter vor dem Ziel. Das erste, was mir einfällt, ist: KÜNDIGUNG!
Ich stoppe und wähle die Nummer des Büros. Océane Michaelis ist am Apparat. Sie ist die Assistenz der Geschäftsleitung und Tochter meines Chefs sowie Firmeninhabers Bernd Michaelis. Na, dann Mahlzeit.
„Hallo Frau Michaelis, leider eine schlechte Nachricht. Ich bin am Steuer eingeschlafen und habe die Leitplanke touchiert.“
Ich gebrauchte absichtlich das Wort „touchiert“, um nicht unnötig zu dramatisieren – um zu entschärfen, um genau zu sein.
Kurzes Schweigen.
„ ... Sie sind was?“
„ ... eingenickt. Ja, eingenickt!“
„Wie groß ist der Schaden?“
Danke, mir ist nichts passiert, es geht mir gut.
„Nun ja, ein paar Schleifspuren rechts und die Blinkergläser ...“
Nach der Leitplanke fragt sie schon gar nicht.
„Rufen Sie die Polizei, damit wir auf der sicheren Seite sind.“
„Soll ich dann in die Firma kommen?“ Ich denke an sofortigen Rausschmiss.
„Nein, liefern Sie den Container ab und rufen bei der Dispo von BTX an, was noch zu tun ist.“
„O.k.“
Jetzt wird sie zu ihrem Papa rennen und von meinem Versagen berichten. Wenn der Chef nur „Schaden“ hört, ist seine Tageslaune empfindlich gestört.
Was mache ich überhaupt hier? Warum bin ich in solch einer Situation? Bis vor knapp drei Jahren sah mein Leben noch anders aus. Ich war Redakteur eines renommierten Luxus-Magazins, nächtigte in Fünf-Sterne-Hotels, verkehrte mit Prominenten aus Sport und Politik, besuchte Luxusmessen in der Schweiz, erhielt Einladungen zu aufwendigen Produktpräsentationen. Champagner und Kaviar gehörten quasi zu den Grundnahrungsmitteln.
Und nun? Die triste Kabine eines Lkw ist mein Arbeitsplatz und selbstgeschmierte Stullen meine Verpflegung. Nach dem mein Verlag mich und viele andere schreibende Kollegen betriebsbedingt entsorgt hat, fiel mir nichts Besseres ein als den Lkw-Führerschein zu machen. Freunde warnten mich: „Das ist doch nichts für dich ... das hältst du nicht durch ... dafür hast du nicht studiert ...“ Klar, aber meine Miete zahlen sie nicht. Und einen Job haben sie auch nicht parat. Und ich halte bis heute durch – nur wie lange noch? Langsam geht es an die Substanz. Respekt vor den Kollegen, die diesen Knochenjob seit dreißig Jahren erledigen.
Die Alternative hieß und heißt immer noch ALG-II. Mit Familie ist das der Todesstoß, zumal zwei Töchter in der Ausbildung sind. Das Studium des älteren Kindes? Wäre passé. Die Musikschule der Kleinen: Nicht zu finanzieren. Meine Frau Susanne arbeitet als freie Redakteurin. Mehr schlecht als recht verdient sie. Nebenbei putzt sie oder verkauft in der Sommersaison Erdbeeren. Plus mein Gehalt reicht es gerade, oft auch nicht. Jedenfalls ist unser Kontostand trotz enormen Arbeitsaufwandes und einem Lebensstil wie Mahatma Ghandis im freien Fall.
Sie rufe ich auch gleich an und berichte. „Liebste, es kann sein, dass ich heute die Kündigung bekomme.“
„Und wenn“, beruhigt sie mich, „DIE sind es nicht wert, für sie zu arbeiten. DIE beuten einen aus und wundern sich, wenn etwas passiert. Wir haben schon anderes durchgestanden, Liebster!“
Welch eine Frau! Steht immer hinter mir.
Ich rufe die Polizei. Nach kurzer Wartezeit kommt der Streifenwagen. Eine junge Beamtin, klein und zierlich, sowie ein Beamter, ein Hüne von Mann und ganz offensichtlich der Dienstältere, steigen aus.
„Guten Tag, was ist passiert?“
„Ich bin am Steuer eingeschlafen und habe die Leitplanke touchiert“, erkläre ich ohne zu zögern.
Die Kinnlade des Polizisten klappt runter, seine junge Kollegin zeigt jedoch keine Regung und lässt ihren Blick ins Leere laufen.
„Sie sind bitte was!!!“
Meine Ehrlichkeit war wohl