Tobias Fischer

Veyron Swift und der Orden der Medusa: Serial Teil 2


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laut: das Knacken und Brechen von Unterholz, Zweigen und kleiner Bäume. Es näherte sich in rasender Geschwindigkeit.

      »Wie viele Fenrisse waren hinter Euch her«, fragte Faeringel die maresische Prinzessin.

      Iulia, am ganzen Körper zitternd vor Angst, brauchte einen Augenblick um zu begreifen, dass sie gemeint war.

      »Acht dieser Monster. Vielleicht auch neun oder zehn. Ich weiß es nicht mehr. Vielleicht waren es auch nur sechs oder sieben«, rief sie mit schriller Stimme.

      »Dann sind es jetzt wahrscheinlich noch sechs und jeder mit drei Schraten besetzt«, schlussfolgerte Veyron gelassen. Sein konzentrierter Gesichtsausdruck verriet den Schlachtplan, den er zu entwickeln begann. Tom hoffte, dass er bald damit herausrückte, denn der Lärm der Fenrisse kam immer näher. Faeringel schüttelte den Kopf.

      »Selbst dann hätten wir kaum eine Chance. Sie holen uns ein und kommen von allen Seiten«, meinte er finster.

      Jane drehte sich um, suchte aufgekratzt Fluss und Ufer ab. Es musste doch irgendein Entkommen geben! Dann entdeckte sie etwas am Himmel, einen silbernen Punkt, der sich langsam vorwärts bewegte.

      »Ein Flugzeug«, rief sie aufgeregt, deutete in die entsprechende Richtung. Alle wandten sich dem kleinen Flugobjekt zu. Es näherte sich von Süden kommend den Himmelmauerbergen, zweifellos auf den Weg nach Fabrillian.

      »Bestimmt jemand vom Inselreich Talassair, der zu Königin Girian will. Schnell, wir müssen uns bemerkbar machen«, rief Tom. Er hüpfte auf der Stelle und winkte mit den Armen.

      Veyron, der sofort realisierte, dass die Maschine viel zu weit entfernt war, um fünf winzige Menschen inmitten eines gigantischen Waldes überhaupt zu bemerken, griff in seine Reisetasche. Er holte eine Signalpistole heraus. Während die anderen dastanden, wie verrückt winkten und dem Flugschiff hilflos zuriefen, es möge umdrehen und hierher kommen, feuerte er einen Schuss hoch in die Luft. Die Rauchpatrone platze über den Baumwipfeln auseinander, rotes Licht und Qualm stiegen auf. Alle wirbelten zu ihm herum. Jane klatschte in die Hände.

      »Sie haben wirklich an alles gedacht! Schnell, noch einen Schuss! Die haben es nicht bemerkt«, rief sie.

      Hinter ihnen brach ein weiterer Fenris aus dem Unterholz, brüllte und galoppierte auf dem Kamm der Uferböschung entlang, einen Weg nach unten suchend. Faeringel schoss einen Pfeil ab, traf das Ungeheuer ins Herz und brachte es zu Fall. Ein armseliges Jaulen, ein Krachen, dann rutschte der Fenris die Böschung hinunter und blieb liegen, seine drei Reiter unter ihm eingequetscht. Die Schrate fluchten, schrien und kreischten vor Wut.

      Veyron lud die Waffe nach und feuerte noch einmal. Das riesige Flugzeug machte jedoch keine Anstalten beizudrehen.

      »Verflucht!« schimpfte Jane voller Verzweiflung, »sehen die das denn nicht?«

      Das Toben der Fenrisse wurde immer lauter, jetzt hörten sie auch schon das Gejohle und Gekreische der Schrate, die ihre Monster durch das Dickicht trieben. Sie kamen von zwei Seiten.

      Tom war sofort klar, dass sie keine Chance hatten, einem solchen Angriff standzuhalten. Er griff an seinen Gürtel, spürte plötzlich einen Gegenstand an seiner Seite. Es war der Griff eines Schwerts. Natürlich! Das Daring-Schwert!

      Er hatte es in der ganzen Aufregung seit der Flucht aus London vergessen. Es war eine Waffe der Simanui, verborgen durch geheime Zauber. Wenn die Not es gebot, erschien es wie aus dem Nichts. Tom packte fest zu und tatsächlich hielt er gleich darauf die lange, mit Saphiren verzierte Klinge in der Hand.

      Jane sprang mit einem Keuchen zur Seite.

      »Was ist das? Wo hast du das her?« rief sie erschrocken aus.

      »Ein Zauberschwert«, sagte Tom, »erfüllt vom Geist eines alten und großen Zauberers, eines Simanui. Lewis Daring.«

      Er spürte, wie das Schwert ihm Wärme und Mut verlieh, wie es ihn stark machte und alle Furcht vertrieb. Jetzt sollten die Schrate nur kommen. Sie würden schon sehen, was sie davon hatten.

      Jane weitete ungläubig die Augen. »Doch nicht etwa der pensionierte Professor, der letztes Jahr ermordet wurde?«

      »Genau der«, gab Tom grimmig zurück. Er erwartete die Schrate, das Daring-Schwert mit beiden Händen fest umklammert.

      »Ich mach jeden fertig, der mir zu nahe kommt«, rief er.

      Plötzlich riss ihm Veyron ihm das Schwert aus den Händen.

      »Mach keine Dummheiten, Tom! Für wen hältst du dich? Für den wiedergeborenen Niaryar, oder für den Erben Mikor Berenions?« schimpfte er ihn aus.

      Wut schoss Tom ins Gesicht, er ballte die Fäuste. Es war unfair, dass ihn Veyron mit den beiden großen – aber gescheiterten – Helden Elderwelts verglich.

      »Wir müssen kämpfen!« protestierte er, doch Veyron schüttelte den Kopf.

      »Diesmal ist das keine Alternative. Sieh zu und lerne«, sagte er, so ruhig und gelassen, als wäre das hier eine Unterrichtsstunde und keine Situation wo es Spitz auf Knopf stand.

      Tom verstand überhaupt nicht, worauf Veyron hinaus wollte. Sie hatten schon einmal gegen diese Strolche gekämpft und gewonnen. Was um alles in der Welt war jetzt falsch daran?

      Veyron nahm das Schwert und beschwor den Geist des Simanui.

      »Zeit ein Zeichen zu senden, Professor. Mit der ganzen Kraft, mit aller Macht. Die Not verlangt es – oder der Tod wird uns holen. Gegen die dunkle Macht, bis zum letzten Mann, für das Licht Elderwelts!« rief er und reckte das Schwert hoch in die Luft. Die blauen Kristalllinien auf der schmalen Klinge begannen mit einem Mal zu leuchten, ein blauer, greller Lichtstrahl schoss hinauf in den Himmel, kilometerhoch. Alle waren gebannt. Im nächsten Moment war das Schauspiel bereits wieder vorbei, das Daring-Schwert hatte sich so geheimnisvoll in Nichts aufgelöst wie es erschienen war.

      »Die Macht der Simanui«, rief Faeringel begeistert aus. »Und seht nur, sie verfehlt ihre Wirkung nicht!«

      Dieses Schauspiel hatte das Flugzeug diesmal nicht übersehen, wie konnte es auch? Endlich drehte es bei, ging tiefer und kam näher. Jetzt erkannten sie, dass es sich um ein Flugschiff mit einem steilen, geraden Bug handelte. Zwölf Propellermotoren saßen in sechs kastenförmigen Gondeln auf dem großen Hauptflügel, der sich über den langen Rumpfspannte.

      »Es ist die Silberschwan, es ist wirklich die Silberschwan«, rief Tom aufgeregt. »Die alte Do X von König Floyd, dem Herrn von Talassair! Mein Gott, ich werd’ irre!«

      Doch auch die Fenrisse und die Schrate näherten sich, brachen von zwei Seiten aus dem Wald. Sie schickten sich an, die steile Uferböschung hinunter zu reiten. Faeringel schoss einen Pfeil mit tödlicher Präzision ab. Der getroffenen Fenriswolf stürzte jaulend in die Tiefe, rollte über den Abhang und walzte seine krummbeinigen Reiter nieder. Die Schrate feuerten nun mit Pfeil und Bogen zurück, doch alle ihre Schüsse gingen fehl, denn das sich nähernde Flugobjekt ließ ihre monströsen Reittiere unruhig werden.

      Die Silberschwan brauste heran, nur wenige Meter über der Wasseroberfläche. Der Lärm ihrer zwölf riesigen Propeller hallte im ganzen Tal wieder, hämmerte in den Ohren der Menschen und ließ den Boden erzittern. Iulia fiel vor Angst auf die Knie, Tom hörte sie zu den Göttern beten.

      Der Auftritt der Silberschwan sorgte aber auch unter den Unholden für Panik und Verwirrung. Heulend brachen die vier übrigen Fenrisse aus, rannten in alle Richtungen davon. Ihre derb fluchenden Reiter hatten alle Hände voll zu tun, die schrecklichen Bestien wieder unter Kontrolle zu bringen.

      Die Silberschwan wasserte und zog einen langen, silbernen Schleier aus Gischt hinter sich her. Die Seitentüren wurden geöffnet. Dunkelblau uniformierte Besatzungsmitglieder erschienen, darunter auch ein kleinwüchsiger, etwas stämmiger Mann mit prächtigem, rotbrauen Bart. Ein Zwerg, wie an den kreisrunden Ohren und der leicht eckigen Form seines Kopfes zu erkennen war.

      Tom erinnerte sich sofort wieder an ihn. Es war Toink, der Bordmechaniker. Er und seine menschlichen Kameraden, hielten fast schon antike