Manuela Dörr

Sprachlos studieren - Mein Auslandssemester in Lateinamerika, Costa Rica


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weit wir wohl bis zum Gipfel laufen müssen? Als wir den Bus verlassen, ist es angenehm kühl, aber längst nicht kalt, wie uns eine Hostelmitarbeiterin gestern angekündigt hatte.

      Mit Wanderschuhen ausgestattet, spazieren wir den breiten Asphaltweg hinauf zum Vulkan, werfen einen Blick in den Krater, wollen dann endlich wandern und betreten den Wald, der uns höher führen soll.

      Aber es geht nicht viel höher, insgesamt wandern wir eine Stunde durch einen dunklen Wald, dann sind wir wieder am Ausgangsort. Ein relativ unspektakulärer Rundweg, aber mein erstes Mal Natur in Lateinamerika.

      Wir setzen uns vor den Vulkan auf die dicken Steine der Aussichtsplattform, wickeln uns in Schals und Jacken ein, um Nieselregen und Wind zu trotzen und warten, dass der Bus wieder abfährt. Nebelschwaden sind aufgezogen und verschmelzen mit der Rauchwolke, die vor uns aufsteigt. Zwischendurch zeigt sich der Krater kurz, dann verschwindet er in der Leere.

      Bruce blättert in seinem Notizbuch und präsentiert eine mit schwarzem Filzstift skizzierte Karte, ‚nicht maßstabsgetreu‘ hat er schräg darunter gekritzelt.

      „Das wichtigste, was ich jemals verloren habe, war mein kleiner Kompass am Motorrad. Ich habe jemanden gestreift und dann muss er wohl herunter gefallen sein. Ich habe es erst später am Tag bemerkt“, berichtet er, während sein Blick dort verharrt, wo vorhin noch der Abgrund zu sehen gewesen war.

      „Und einmal hätte ich fast mein Motorrad verloren“, nun schaut er uns eindringlich an, „ich habe es in Mexiko City abgestellt und mir den Parkplatz nicht richtig gemerkt. Die Stadt ist so riesig, als ich im Dunkeln weiter fahren wollte, erkannte ich nichts wieder. Jede Straßenecke sah gleich aus. Das war wirklich unheimlich!“

      „This is so L.A.!“, stöhnt Carly aus Kalifornien und beäugt eine Gruppe von Selfie schießenden Landsleuten. Noch ein Foto, mit Daumen oben, mit Nebelvulkan im Hintergrund, mit Grimassen, alleine, zu zweit, seitlich…

      „Amerikaner sind immer so peinlich!“

      Im Bus auf der Rückfahrt unterhalte ich mich kurz mit meiner Sitznachbarin aus Venezuela auf Spanisch. Als ich aussteigen muss, lobt sie mich tatsächlich für meine guten Sprachkenntnisse. Das macht mich stolz, meine Anstrengungen sind nicht umsonst.

      Erst gegen Nachmittag erreichen wir das Hostel, meine Eltern werden schon tief und fest schlafen, Telefonieren kommt erst morgen wieder in Frage. Ich bin erschöpft und mein Kopf brummt. Zum Glück sind wir heute bei einer Sprache geblieben, fast kein Spanisch, kein Französisch. Von Franzosen halte ich mich nach wie vor fern, sonst vermischen sich die Sprachen weiter. Mit Amerikanern spreche ich schon jetzt Sprançais und die Ticos müssen Denglisch ertragen.

      „Was machst du da? Ich versteh dich nicht! Kannst du nicht EINE Sprache sprechen?“, bemerkt Juan genervt beim Abendessen.

      „Ich merk’s ja nicht mal, verstehe ja alles“, antworte ich, diesmal komplett auf Spanisch.

      Hier funktioniert das Bankensystem anders. Ich stehe vor einem kleinen verrosteten Transporter, der direkt vor dem Verwaltungsgebäude der UCR geparkt ist und auf dessen Seiten das Logo der Banco de Costa Rica prangt. Eine fahrende Bankfiliale. Ich trete vor den Schalter und schräg hinter mir steht plötzlich ein komplett ausgerüsteter Polizist, mit Schlagstock und Pistole, bereit den kleinen Transporter und dessen Inhalt zu beschützen. Er lächelt gelassen, wirklich kein Grund zur Aufregung. Lediglich ein paar UCR Mitarbeiter schlendern am Wagen vorbei, wir befinden uns mitten auf dem Campus, was soll hier schon passieren?

      Eine Plexiglasscheibe trennt den korrekt gekleideten Bankmitarbeiter von mir, den ich durch Lautsprecher und Mikrofon hören kann. Hierfür wurde ein Loch in die Metallwand gebohrt.

      „Ja?“, murmelt er viel zu leise ins Mikro, sein Spanisch dadurch schlecht verständlich. Ich wünschte, er würde sich zumindest mehr Mühe zu einer deutlicheren Aussprache geben, ich sehe doch wirklich europäisch aus.

      „Ich möchte… Geld auf Konto… legen!“, ich reiche ihm den Zettel mit Name und Kontonummer des Notars und hoffe, dass der in Hemd und Schlips steckende Mitarbeiter das Geld auf das richtige Konto einzahlt, mich nicht betrügt und ich mich bei der richtigen Bank befinde.

      „Wie viel?“, besonders freundlich ist er ja nicht.

      „50 Dollar.“ Er zückt seinen Taschenrechner und ermittelt den tagesaktuellen Wechselkurs zu Colones. Von oben herab schauend, nimmt er mein Geld durch eine kleine Luke in Empfang und beginnt dann in aller Ruhe damit, auf seinen Computer einzutippen.

      Wie ich in Costa Rica Geld bekomme, diese Frage hat mich in Deutschland lange beschäftigt. Das ganze Geldsystem ist eine Wissenschaft für sich.

      Dollarscheine: Die Landeswährung ist Colones, die man in fast allen Banken wechseln lassen kann. Trotzdem kann man in Costa Rica, wie auch im Kongo, mit Amerikanischen Dollars bezahlen. Deshalb habe ich bereits in Deutschland ein paar Euros in Dollar gewechselt. Besonders sollte man darauf achten, um welche Dollarscheine es sich handelt. In Kinshasa in Afrika wurden zum Beispiel nur Scheine angenommen, die höchstens fünf Jahre alt waren. Außerdem werden keine Scheine angenommen, die größer als fünfzig Dollar sind. Bei manchen Banken muss man für das Geldwechseln eine Gebühr entrichten. Zudem werden zum Umrechnen von Euro in Dollar unterschiedliche Kurse verwendet. Der Kurs für die Travellerschecks war zum Beispiel deutlich günstiger als der für Dollarscheine.

      Travellerschecks: Diese antiquierten Papierfetzen hatte ich bisher noch nie benutzt und genau das war auch der Grund, warum ich die Damen in der Sparkasse mit meinem Anliegen ins Schwitzen brachte. Ich wollte noch einmal mit richtigen Travellerschecks zahlen, bevor sie komplett von Kreditkarten ersetzt werden.

      „Jetzt muss ich mich erst einmal wieder an mein Passwort erinnern… aber das haben wir gleich…“, bemerkte die Mitarbeiterin, die sich im Team mit einer Kollegin um mein Anliegen kümmerte. Vor ihrem Schreibtisch Platz genommen, musste ich Formulare ausfüllen und jeden Scheck einzeln mit meiner Unterschrift versehen. Die Schecks sind durchnummeriert, werden samt Namen und Nummer des Personalausweises in eine Liste eingetragen und können dann in jedem Land unter Vorlage des Personalausweises und einer Unterschrift in Dollars zurück getauscht werden.

      „Die Nummern schreiben Sie am besten auf und haken immer ab, welche Sie ausgegeben haben“, raten die beiden mir noch. Falls man die Schecks verlieren sollte, kann man sie unter Angabe dieser Nummer sperren lassen.

      Geld überweisen: Im nächsten Schritt habe ich mein TAN Verfahren zum Überweisen umgestellt, sodass ich nun keine SMS mehr mit einer TAN vor jeder Überweisung auf mein Handy gesendet bekomme, sondern mit einem Gerät meine eigene TAN Nummer generieren kann. Man steckt die Karte in das Lesegerät, scannt einen Code vom Bildschirm ab und erhält seine TAN, ganz GPS- und Funknetz-los. Allerdings ist man immer auf dieses Gerät angewiesen.

      Geld abheben: Nun habe ich erfolgreich Geld getauscht und in anderes Papier umgewechselt. Wie bekomme ich noch mehr Geld vor Ort? Bares kann man zum einen mit der EC Karte bekommen, das kostet aber Gebühren. Zum anderen kann man mit der VISA Karte Geld abheben, manche Automaten spucken sogar kostenlos Geld aus. Na gut, es wird irgendwo auf einem Blatt Papier eine Zahl vermerkt, aber man bekommt Geld aus dem Nichts, hervorragend!

      Ich erhalte einen gelben Kassenbon von dem Mitarbeiter der fahrenden Bank, natürlich mit Stempel und Unterschrift, und es scheint tatsächlich so, als ob ich nun alle nötigen Visumsunterlagen in meiner Mappe hätte. Nein, die Überbeglaubigung vom Liquiditätsnachweis durch den Notar fehlt noch.

      „Ich vermisse dich“, teilt mir mein Handy mit, während ich im Nebenraum der Hostelküche auf der weiß lackierten Holzbank sitze und ein Stück Pfannkuchen mit Ahornsirup in mich hinein schaufele. Jeden Morgen lese ich beim Frühstück meine Nachrichten, die mir meine Freunde aus Deutschland in den letzten Stunden geschickt haben. Durch die Zeitverschiebung sind das manchmal Romane.

      Zu einer kurzen Message hat mir Hannah ein Foto ihrer Lasagne geschickt, die wir immer gemeinsam gekocht haben. Vielleicht hat sie die alleine gegessen, hoffentlich hat sie sich aber Freunde eingeladen… Ich seufze. Mir