ist sein Erfolgsrezept. Sein Ziel verfolgen und sich nicht beirren lassen. Lieber auf etwas Luxus verzichten, dafür frei sein und nicht in den ewig gleichen Kreislauf getrieben werden. Naja, nur für die Boot-Messe ist er nach Düsseldorf geflogen.
Die Stewardess serviert Getränke, er wählt Wein, ich wähle Tomatensaft. Ich befolge den Tipp meines Bruders, in der Luft immer diese rote dickflüssige Masse zu trinken, da die Geschmacksnerven einem einen Streich spielen. Ich trinke einen Schluck meiner kalten Suppe aus dem ultraleichten Plastikbecher und lausche weiter meinem Gesprächspartner.
Einen wichtigen Aspekt hat der gebürtige Düsseldorfer auf seinen Reisen herausgefunden: „Die lateinamerikanische Kultur ist anders als die der Nordamerikaner. Sie passt besser zu mir und meiner Mentalität. Mit der afrikanischen konnte ich mich aber noch nie so recht anfreunden.“
Er versichert mir, dass ich für immer dort bleiben möchte. Dass ich das Land, die Menschen und die Kultur lieben lernen werde. Dass ich mich aber auch vor der Eifersucht und dem Machogehabe der Latinos in Acht nehmen soll.
Mal sehen… Für mich steht fest, dass ich nach den sechs Monaten wieder zurück fliege. Ich wende mich wieder ab und beobachte die Menschen im Flugzeug. Julius hat inzwischen ein Malprogramm auf dem Touchscreen der Sitzlehne vor sich entdeckt und koloriert eifrig einen Esel. Irgendwie muss man die Zeit ja rum bekommen.
13:00 Uhr - Schlafen konnte ich nicht, aber ein paar Vokabeln habe ich wiederholt und in weniger als einer Stunde landen wir.
Wir haben beide noch nicht realisiert, dass wir bald für sechs Monate, Julius sogar ein ganzes Jahr, nicht in Deutschland sein werden. Das dies kein Urlaub ist, sondern eine längere Reise, die uns fordern wird.
„Welcome to Miami“, rufen wir uns zu, als wir den Flieger verlassen. Zunächst geht es zur Passkontrolle und durch den Zoll - Finger scannen - Foto machen - ein paar Fragen beantworten - einen Stempel bekommen - die Koffer abholen. Die erste Hürde ist geschafft! Scheinbar haben wir alles richtig ausgefüllt beim Visum für die Staaten.
Sieben Stunden Aufenthalt stehen uns bevor. Wir geben unsere Koffer sofort neu auf und setzen uns vor den Airport in eine kleine Grünanlage in die Sonne.
Schnell wird es uns zu warm. Hitze und pralle Sonne sind unangenehmen. Wir pellen unseren Winterjacken-Zwiebellook und suchen wieder Zuflucht im Flughafengebäude. Für uns ist es später Abend, da wirkt die brennende Sonne noch penetranter.
Miami - San José - 20:20 Uhr (+6 Stunden)
Boarding time! Endlich! Wir sind müde und wollen eigentlich nur schlafen. Das Zähneputzen frischt ein wenig auf, dann besteigen wir den Flieger und ich versinke sofort im Sessel. Erst das abrupte Aufsetzen des Fliegers schreckt mich aus dem Halbschlaf. Mit dem Kopf auf dem Tisch schlafen ist übrigens eindeutig die bequemste Schlafvariante, nur die Schwimmflügel haben gefehlt. Keine Zeit für Müdigkeit, Powernapping muss reichen, weiter geht es.
San José - 22:30 Uhr (+7 Stunden)
Bevor es durch den Zoll geht, müssen wir noch Zettel für die Behörden ausfüllen, einen Stempel kassieren, die Koffer einsammeln. Dann geht es raus.
Wir sind da! Tausende Männer fragen uns, ob wir nicht ein Taxi bräuchten. Julius findet schnell seinen Betreuer, nur leider steht da niemand für mich.
„Julius, wartest du? Ich weiß noch nicht, wie ich hier weg komm’“, bitte ich meinen Mitreisenden. Er nickt. Um uns herrscht ein Gewühl aus Taxifahrern, Flughafenmitarbeitern und -gästen. Ich bin erstaunlich entspannt. So weit habe ich es geschafft, jetzt kann nichts mehr schief gehen.
Samt Koffer, Rucksack und Tasche laufe ich zurück ins Flughafengebäude und komme mir vor wie ein reicher Packesel. Ich wende mich an die Autovermietungsfirma, die mir von den Hotelbesitzern als Ansprechpartner bei Problemen genannt worden war. Für die erste Nacht habe ich in Flughafennähe ein Hotel gebucht. Am nächsten Tag würde ich dann per Taxi in das fünfundzwanzig Kilometer entfernte Hostel Urbano nahe der Universidad de Costa Rica fahren. So eine weite Strecke wollte ich in einem fremden Land mit fremder Sprache, fremden Taxifahrern und zu allem Überfluss noch mitten in der Nacht nicht alleine als Frau zurücklegen müssen.
Der Mitarbeiter der Autovermietungsfirma ruft direkt im Hotel an und es stellt sich heraus, dass durch meinen neuen Flug Unklarheiten über meine Ankunft bestanden. Schließlich macht sich ein Hotelmitarbeiter auf den Weg.
Ich habe noch ein wenig Zeit, um mich von Julius zu verabschieden, dann trennen sich unsere Wege, es bleibt nur das Internet als Verbindung. Zehn Minuten Autofahrt, auf der ich mit dem Fahrer spreche, der erstaunlich gut Englisch spricht.
Dann sind wir da, im Hotel. Alleine in Costa Rica. Draußen raschelt es in den hohen Bäumen, in der Ferne leuchtet der Himmel. Bevor ich in meinem kleinen Zimmer in einen komatösen Schlaf verfalle, schreibe ich schnell noch eine SMS an meine Familie: „Angekommen!“
3. Kapitel
Ich betrete das lichtdurchflutete Verwaltungsgebäude auf dem Campus der Uni, in dem auch das International Office sein Büro hat. Verni ist der für Austauschstudenten zuständige Mitarbeiter der Universidad de Costa Rica, der UCR. Er gibt sich große Mühe und erklärt mir alles mehrmals, wenn ich ihm nicht folgen kann.
„Hier ist eine Zusammenfassung. Also, zuerst müssen Sie…“, setzt er erneut an. Die Liste, die zwischen uns auf dem Tisch liegt, umfasst fünf Seiten, die in einer sehr kleinen Schriftgröße bedruckt sind und Anweisungen für die Beantragung des Visums enthalten.
„… dann müssen Sie zum Notar und die Übersetzungen beglaubigen lassen …“, demonstrativ umkreist er einen Absatz und notiert daneben die Telefonnummer von einem Notar, den er mir empfehlen würde.
Als Tourist hat man zwar die Möglichkeit, nach neunzig Tagen das Land zu verlassen und wieder neu einzureisen, aber das gilt nicht für Studenten: Die Universität darf keine Noten eintragen, wenn man nicht über ein Studentenvisum verfügt. Es führt also kein Weg am Visum vorbei.
Mit den neuen Informationen im Gepäck, laufe ich zurück ins Hostel, in dem ich mittlerweile seit drei Tagen wohne. In dem Hotel am Flughafen hatte ich ausgeschlafen, war gegen sechs Uhr morgens nach neuer Zeitrechnung wach geworden und hatte gefrühstückt, bevor ich mich ins Stadtzentrum zum Hostel, in welchem ich ein Bett für zwei Wochen reserviert hatte, fahren ließ.
Das helle Gebäude mit seinem großen Gittertor befindet sich direkt gegenüber von einem kleinen Park und im Zentrum San Pedros, des Studentenviertels. Wenn man die Klingel drückt, öffnet ein Mitarbeiter das graue Eingangstor und man kann den geräumigen Flur betreten. Die Haustür steht Tag und Nacht weit offen, sodass drinnen permanent ein frischer Luftzug herrscht. Mir kommt es so vor, als ob die Ticos die anderen nicht aus-, sondern sich selbst zum Schutz einsperren würden.
„Hola! Todo bien?“, grüße ich Juan, der an der Rezeption mit einer Backpackerin ins Gespräch vertieft ist und gehe ins Wohnzimmer. An der einen Wand hängt eine riesige Landkarte mit Informationen über die Region, gegenüber steht ein Fernseher und durch das riesige Fenster der dritten Wand kann ich in den Garten schauen. An den mit Stacheldraht bekrönten Mauern wachsen große saftiggrüne Gewächse empor und scheinen eine Wahrheit zu verdecken. Ich würde fast sagen, dass dieser Garten durch seine Kompaktheit an deutsche Gemütlichkeit erinnert, wie ein geheimer Rückzugsort. Dann sind da noch die beiden Haustiere, die nicht ins Haus dürfen, aber immer wieder einen Weg finden. Gerade hat sich der kleine Hund an den Füßen der Gäste vorbei durch die Gartentür gemogelt und sich dann schnell drinnen versteckt. Manchmal klettert die Katze die Regenrinne hinauf und lässt ihren kleinen kläffenden Freund zurück im Pflanzenparadies. Jemand spielt Gitarre.
Ich breite meine Zettel auf dem flachen Couchtisch aus und erstelle mehrere Häufchen, fülle Formulare aus und bin überrascht, dass ich mittlerweile meine Reisepassnummer fast auswendig weiß. Bei der Anmeldung zum Sprachkurs, bei der Aktivierung der Handynummer, bei der UCR, ja, sogar im Hostel beim Check-in muss sie eingetragen werden. Ob der Pass anhand