Anke Grohmann

Ewigkeit


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       © Anke Grohmann

       Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Printed in Germany Dies ist ein privates Projekt. Kontakt: [email protected] Titelbild: Privatfoto von Andreas Grohmann

      Inhaltsverzeichnis

       Ewigkeit

      Ewigkeit

      Ich erwache! Wieder ist eine Nacht mit seltsamen Träumen vorbei. Der Regen trommelt, wie wild, gegen das Fenster. Meine Familie schläft noch. Ich stehe auf und gehe ins Bad. Im Spiegel sehen mich Augen an, die mich an den Saturn mit all seinen Ringen erinnern. Seltsam, seit dem wir hier sind, habe ich Träume. Ich laufe, ich weine und wenn ich aufwache, schmerzt mein Hals, als ob ich die ganze Nacht geschrien hätte. Ich kann mich aber an nichts erinnern. Meine Füße schmerzen, als würde ich jede Nacht einen Marathonlauf absolvieren. Was nicht möglich ist, da wir uns seit drei Tagen nur im Hotel aufhalten, da der Regen wie eine neuerliche Sintflut niederfällt. Wir sind gereizt, und wenn wir nicht bald aus diesem Hotel herauskommen, dann fällt auch dieser Urlaub, so wie schon viele vor ihm, im wahrsten Sinne des Wortes, ins Wasser. Mein Mann meinte: „Vielleicht soll das so sein, das ist die Ruhe vor dem Sturm!“ Warum er das sagte, konnte er mir nicht erklären. Wir sind auf dem Lande, raus aus der Großstadt. Die Kinder sollten einen Bauernhof einmal live erleben, nicht immer nur aus Büchern oder aus dem Fernsehen. Wie sind wir eigentlich hier hergekommen? Ich kann mich kaum noch daran erinnern. Wie sind wir nur auf diesen Ort gekommen? Bis vor drei Monaten wussten wir noch nicht einmal, dass es ihn gibt. Im Internet unter der Rubrik Urlaub mal anders wurde uns dieser Ort empfohlen. Ein seltsames Kribbeln erfüllte mich, als ich das erste Mal seinen Namen las Ewigkeit.

      Ich hatte vorher nie von diesem Ort gehört, und auch mein Mann kannte ihn nicht. Neugierde packte mich, und so überredete ich meine Familie, hierher zu fahren. Ein kleiner Ort, mit gerade zweitausend Einwohnern. Erstaunlich, dass ein Viersternehotel hier seine Gäste empfängt. Wir fuhren mit unserem Auto erst Autobahn und dann die Landstraße entlang. Obwohl ich noch nie in dieser Gegend war, führte ich uns ohne Umwege hier her. Wir verpassten keine Ausfahrt oder Abfahrt, keine noch so kleine Abzweigung verfehlten wir. „Du warst hier schon einmal. Vielleicht als Kind?“, versuchte mein Mann meine Verwunderung zu erklären. Doch daran kann ich mich nicht erinnern.

      Als ich unsere Zimmer über das Internet buchte war ich erstaunt, dass ich nur meinen vollständigen Namen angeben musste. Doch als wir nach gut drei Stunden Autofahrt in unser Hotel eincheckten, wurden wir alle mit unseren Vornamen angesprochen. „Seltsam, woher sie wohl eure Vornamen kennen?“, fragte ich meinen Mann. „Warum seltsam“, sagte er: „Ist doch nett! Irgendwie familiär und du wirst sie ganz automatisch mit angegeben haben.“ Unsere Kinder, ein Mädchen und ein Junge, äußerten sich dazu nur mit einem kurzen: „Cool! Scheint doch nicht so ein Kaff zu sein!“

      Am Abend unserer Anreise gab es einen kleinen Gästeempfang für insgesamt drei Familien! Sehr wenig, für ein so großes Hotel! Nun ja, es sind nicht alle auf Kleinstädte erpicht, wie wir. Der Clou dieser Veranstaltung war eine kleine Theateraufführung, an deren Ende eine Wahrsagerin auftrat. Sie stellte sich in den Saal und schaute in alle Richtungen, dabei ließ sie sich sehr viel Zeit. Sie sah allen Anwesenden sekundenlang ins Gesicht, als sich unsere Blicke trafen, überzog eine Gänsehaut meinen Körper. Sie lächelte mich an und dann verkündete sie: „Ab heute weinen die Engel für drei Tage!“ Da auch die anderen Hotelgäste diese Einlage als seltsam empfanden, wurden wir durch das Hotelpersonal mit den Worten beruhigt: „Sie ist eine alte Frau, die diese Auftritte liebt. Früher war sie Schauspielerin, jetzt glaubt sie daran, hellseherische Fähigkeiten zu besitzen. Haben sie keine Angst, bisher ist keine ihrer Vorhersagen eingetroffen.“ Dieses mal scheint ihre Vorhersage allerdings ins Schwarze getroffen zu haben, denn wie gesagt, seit drei Tagen regnet es ununterbrochen.

      „Liebling bist du noch da? Ich muss mal! Auch wenn das hier ein Viersternehotel ist, haben wir leider nur ein Klo!“ Ich sehe auf die Uhr und erschrecke. Ich bin seit fast zwei Stunden im Bad? Wie ist das möglich? Ich öffne die Tür, und davor steht mein ach so geliebter Mann und hält beide Hände an seine Blase. „Ich klopfe seit fast einer halben Stunde an die Tür! Was hast du gemacht? Hast du geschlafen?“, fragt er vorwurfsvoll. „Nein“, antworte ich. „Ich musste halt auch mal!“ Er verschwindet, und ich sehe ihn jetzt ebenfalls eine halbe Stunde lang nicht. Zeit genug, um den Kindern guten Morgen zu sagen!

      Ich bin auf dem Weg in ihr Zimmer, da höre ich schon von weitem Gekreische. Vielleicht war es doch keine gute Idee, sie zusammen in einem Zimmer unterzubringen. Mit vierzehn möchte man seine Freiräume haben. Obwohl die Beiden sich bisher immer gut verstanden. Daran wird wohl auch das Regenwetter schuld sein. Auch ihre Laune ist auf dem Nullpunkt! Als ich vor der Tür stehe, geht gerade das Zimmermädchen vorbei und wünscht einen guten Morgen. Dann setzt sie hinzu: „Ist es nicht schön, die Sonne scheint?“

      Ich sehe aus dem Fenster am Ende des Ganges und tatsächlich, es regnet nicht mehr. Endlich! Nun können wir unsere Umgebung erkunden. Ich betrete das Zimmer und kann gerade noch rechtzeitig meinen Kopf zur Seite ziehen, bevor ein nasses Handtuch auf ihm landen kann. Nun beendet es seinen Flug stattdessen auf einem kleinen Tisch, der nur von einigen Gummibärchen belegt ist. Meine Kinder kommen angerannt und jeder gibt dem anderen die Schuld. Ich sehe sie an und sage: „Habt ihr Glück, dass die Sonne scheint! Macht euch fertig, nach dem Frühstück geht es auf Entdeckungstour!“

      Wir gehen durch den Ort. Dabei werden wir gegrüßt und nett angesprochen. Mich beschleicht ein seltsames Gefühl und ich frage mich: Woher kennen sie uns? Unsere Füße tragen uns wie selbstverständlich zum Friedhof. Wir sind eine Familie, die gerne auf alten Friedhöfen spaziert. Die Kinder eher aus Neugierde und immer mit der Hoffnung, eine alte Gruft zu entdecken. Mein Mann liebt die Ruhe und den Frieden, den diese Orte ausstrahlen. Und ich? Ich bin wohl immer auf der Suche, nach mir selbst. Bis auf ein paar Gastauftritten bei Pflegefamilien, wuchs ich im Waisenheim auf. Niemand weiß, wer meine Eltern sind, oder wann mein Geburtstag ist. Ich wurde als Säugling auf den Stufen einer Kirche in unserer Stadt abgelegt.

      Man fand mich in eine alte Decke gehüllt und mit nur einem dünnen Hemdchen bekleidet. Ein kleines Medaillon hing um mein Handgelenk. Es war nur ein Wort eingraviert Erle. Da sonst nichts weiter beilag, wurde ich auf diesen Namen getauft. Mein Geburtstag wurde der Tag, an dem man mich fand. Früher gab mein Name oft Anlass für Hänseleien. Diese verletzten mich und machten mich sehr traurig. Heute allerdings finde ich ihn ganz toll, sicher auch, weil mein Mann mir immer wieder sagt: 'Es ist ein Name für einen ganz besonderen Menschen.' Ich schleiche also auf Friedhöfe herum, in der Hoffnung, irgendwann einmal einen Hinweis dafür zu finden, wo sich meine Wurzeln befinden. Bisher war meine Suche erfolglos.

      „Erle komm schnell! Die Kinder schreien um Hilfe!“ Mit diesen Worten reißt mein Mann mich aus meinen Gedanken. Tatsächlich, die Kinder rufen nach uns. Wir laufen so schnell wir können, in die Richtung, aus der die Rufe zu uns gelangen. Unser Lauf findet vor einem Grab, ein jähes Ende. Der lange Regen hatte die Erde aufgeweicht, und als unsere Kinder dort umherliefen, rutschten sie in einen Hohlraum, der sich unterhalb des Grabes gebildet hatte. Nun lagen sie etwa drei Meter tief, in einem Meer aus Schlamm und Erde. Und es fühlte sich so an, als ob sie noch immer nicht auf dem Grunde der Gruft angekommen waren. Gerade, als mein Mann zu ihnen hinunter will, gibt das Erdreich nochmals nach, und nun rutschen auch wir mit hinein und landen direkt neben unseren Sprösslingen. Nachdem der erste Schreck überwunden ist, und wir uns davon überzeugt haben, dass niemand eine schwere Verletzung davongetragen hat, überkommt uns ein Lachkrampf. Erst viel zu spät erinnern wir uns wieder, wo wir eigentlich gelandet sind. Plötzlich erscheinen über uns mehrere Köpfe und wir werden mit ziemlich dunklen Mienen darauf hingewiesen, dass wir uns auf einem Friedhof befinden. Obwohl es uns sehr peinlich ist, können wir nicht aufhören zu lachen. Jeder Versuch an die Oberfläche zu gelangen, wird sofort zum Scheitern verurteilt, da unsere Kräfte durch die ständigen Lachsalven aufgebraucht werden. Immer, wenn wir fast oben ankommen, rutschen wir wieder hinunter. Dadurch