K.T.N Len'ssi

Melanie, Deine Haut hat die Farbe der Erde


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kein Glück im Leben gehabt. Ich bin nicht gut geboren, Melanie. Meine Geburt stand nicht unter einem guten Stern. Ich habe meine Mutter kaum kennengelernt. Ich wuchs wie ein Bastard auf. Ich habe nie ein richtiges Zuhause gehabt. Ich habe keine Geschwister, keinen Bruder, keine Schwester. Ich habe zwar hunderte von Menschen um mich gehabt, aber Liebe und Zugehörigkeit habe ich nie gefunden. Ich habe Menschen wegen meiner Frustration, meiner allgemeinen Unzufriedenheit und meinen Komplexen im Stich gelassen. Ich habe Ehen zerstört, habe Frauen geschwängert und bin einfach abgehauen. Wie viele Kinder habe ich wirklich da draußen? Ich weiß es nicht. Ich wollte wehtun. Ich wollte mich dafür revanchieren, dass ich als Kind abgelehnt und nicht geliebt wurde. Nur so fühlte ich mich wertvoll.“

      „

      Aber Wanted, warum machst du dich so fertig? Du bist nicht schuld daran, dass die Sachen so passiert sind, und jetzt hast du doch mich, oder? Reicht das dir nicht, Wanted? Ist meine Liebe für dich nicht genug, nicht ausreichend genug, damit du über all dem stehst?“

      „

      Ja, mon Amour. Das ist das Dramatische daran. Dann kam die Frau, die mein Leben veränderte. Die Frau zeigte mir, was Liebe bedeutet, was Zusammensein bedeutet. Sie zeigte mir, was es heißt, für den anderen da zu sein. Sich für den anderen zu freuen. Diese Frau gab mir das erste Mal einen Sinn im Leben und sie war dabei, mir zu helfen über allem zu stehen. Ich war nun bereit allen Menschen zu verzeihen, meiner Kindheit zu verzeihen, mir selbst zu verzeihen und auch alle, denen ich wehgetan und die ich verletzt hatte, um Verzeihung zu bitten. Jetzt geht es nicht mehr.“

      „

      Das hat sich nicht geändert. Diese Frau ist doch da. Sie ist immer noch da für dich.“

      „

      Sie ist da, doch alles hat sich geändert. Diese Frau ist meine Tochter. Verstehst du nicht, dass unsere Liebe unmöglich ist? Verstehst du nicht, dass ich dich nicht mehr küssen darf, nicht mehr mit dir schlafen kann? Dich nicht mehr streicheln werde? Verstehst du das? Unsere Liebe lässt nicht zu, dass es mir weiter gutgeht. Unsere Liebe ist unmöglich.“

      „

      Unmöglich, Wanted? Warum unmöglich? Warum geht das mit unserer Liebe nicht mehr? Das ist grausam für mich. Das zu hören, aus deinem Mund, ist mehr als grausam für mich. Die Liebe kann doch alles. Gott sagt, Liebe und Gerechtigkeit sind die höchsten Werte. Wir lieben uns, ist es nicht gerecht, wenn wir zusammenbleiben? Kann die Liebe ungerecht sein?“

      „

      Ich habe Angst, Melanie. Ich habe Angst. Unsere Liebe macht mir jetzt Angst. Ich fürchte, dass wir etwas Fürchterliches tun, wenn wir uns weiter lieben.“

      „

      Bitte, Wanted, bitte, mein Geliebter, du brauchst keine Angst zu haben. Im Religionsunterricht habe ich gelernt:

       Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe

      . Ja, so steht es in der Bibel!“

      „

      Liebste Geliebte, wie ich sie nie mehr haben werde – in der gleichen Bibel steht, dass Inzest verboten ist. Im Koran ist er verboten. In meiner Kultur hat die afrikanische Tradition den Inzest auch verboten. Bei uns ist sogar vom Teufel die Rede. In Afrika würde man sagen, dass ich vom Teufel besessen bin. In Deutschland ist es auch verboten. Und moralisch geht es nicht, meine Tochter.“

      „

      Liebster Geliebter, du sprichst von der Bibel, aber ich habe darin von so vielen Fälle gelesen, in denen Familienmitglieder miteinander Sex hatten? Ebenso gibt es in islamischen Gegenden zahlreiche Ehen zwischen Cousins und Cousinen. Wem schaden wir? Wem fügen wir Schaden zu? Sag es mir doch. Ich sehe nicht, warum wir uns nicht lieben können.“

      „

      Wir dürfen uns lieben, meine Tochter. Du musst mich als Papa und ich dich als Tochter lieben, aber kann das jetzt noch möglich sein? Ich glaube nicht, dass es möglich ist, beides zu haben, beides zu sein, liebe Tochter. Geliebte, unsere Liebe darf nicht sein.“

      „

      Und was nun, Papa? Was tun wir, Geliebter?“

      „

      Papa und Geliebter können nicht nebeneinander existieren. Es geht nicht. Weißt du, Melanie, was kommt danach? Wenn dieser Fluch von Lu eingetroffen ist, wird auch der andere Fluch eintreffen. Der meiner Mutter, als ich ablehnte noch weiter Kontakt mit ihr zu haben. Nein, ich habe zu viel Unheil gebracht. Ich habe dein Leben zerstört, und ich muss das einzige tun, was ich noch tun kann, um dem Menschen, den ich am meisten liebe, etwas Gutes zu tun. Ich will noch das Minimum tun, was man tun kann.“

      „

      Was denn, mein Schatz? Was denn, Papa?“

      „

      Dieses Wort ‚Schatz‘ klingt auf einmal so merkwürdig aus deinem Mund. Mein Schatz, hörst du es auch so?“, fragte Wanted.

      „

      Es hört sich noch viel schöner in meinem Ohr an, weil ich dich liebe. Liebst du mich nicht mehr, Wanted? Hast du alles vergessen, unsere Spiele, unser Lachen, hast du alles vergessen?“

      „

      Wie kannst du so etwas sagen, meine Meeresfrucht? Wie kannst du mich fragen, ob ich das vergessen habe? Wie kann ich das vergessen? Wie kann ich die Frau, die mir das Licht gezeigt hat vergessen? Gerade damit ich das nicht vergesse, gerade damit ich dich weiter trage, und immer und ewig liebe, bitte ich dich darum, zuzulassen, dass ich mich befreie. Aus Liebe zu dir, zu uns, gibt es nur einen Ausweg. Du musst mich loslassen. Ich werde dich loslassen.“

      „

      Meinst du, du musst gehen, damit wir noch zusammen hierbleiben als Papa und Tochter? Mein Geliebter, musst du sterben, damit du als mein Papa in meiner Erinnerung bleiben darfst? Ich will aber auch den Geliebten behalten.“

      „

      Meine Geliebte. Ich muss sterben, damit du mich hier auf dieser Welt als Papa behalten kannst. Unsere Liebe hier ist eine Sünde. Liebste aller Liebsten, ‚Geliebter‘? Das geht nicht. In dieser Welt ist das nicht möglich, meine Tochter. Es ist nicht möglich, dein Geliebter zu sein. Ich gehe dahin, wo alles möglich ist. Da, wo die Menschen nicht Gesetzgeber sind. Da, wo du frei bist. Dort werde ich auf dich warten. Hier auf der Erde kann, darf und will ich nur dein Papa, dein Vater sein. Lass mich ziehen, dahin, wo die Liebe keine Sünde ist.“

      Wanted hat es getan

      Erst nach dem vierten Versuch ging Lisa dran.

      „

      Wer ist da?“, fragte sie mit schlafender Stimme.

      „

      Er ist tot, Mama, er ist tot, Mama, er hat sich umgebracht“, weinte Melanie fürchterlich.

      „

      Wer ist tot?“, fragte Lisa und sprang aus dem Bett, schon ahnend, wer tot war.

      „

      Wanted ist tot, Mama, Mama, Wanted ist nicht mehr da, er ist weg. Ich kann nicht mehr, Mama, ich will nicht mehr, ich will auch weg.“

      „

      Melanie, Melanie, warte, warte bitte. Wo bist du, mein Schatz?“, fragte Lisa.

      „

      Mama ich kann nicht mehr, ich kann nicht ohne ihn, Mama, Wanted ist tot.“

      „

      Warte, Liebling. Bleib ruhig. Ich bin gleich da, Liebling. Ich bin gleich da. Hast du verstanden? Warte Melanie, bleib ruhig. Deine Mama ist gleich da.“

      Sie zog sich schnell eine Jeans und ein T-Shirt an und rannte aus dem Haus.

      Im Auto dachte sie an Wanteds Wohnungsschlüssel. Er