Ute Dombrowski

Unerfreuliche Geheimnisse


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Kannst du nicht aufpassen? Was soll das denn?“

      Der dunkelblonde Sportler überholte sie, drehte sich kurz um und fragte arrogant: „Was willst du denn jetzt? Steh hier nicht im Weg rum, dann passiert das nicht.“

      „Blöder Affe! Hau bloß ab!“

      Nelly rieb sich den Ellbogen, mit dem sie gegen die Tür gestoßen war. Die anderen Mädchen, die sie jetzt eingeholt hatten, schauten sie verwundert an.

      „Ich denke, du interessierst dich nicht für den neuen Schüler, weil du nur Paolo liebst?“, fragte Ina gehässig.

      „Was willst du denn?“, fauchte Nelly sie jetzt an. „Der Typ schubst mich gegen die Tür und entschuldigt sich nicht einmal. So ein arroganter Mistkerl kann mir gestohlen bleiben.“

      „Das war ER!“

      „Wer ER?“

      „Du bist ziemlich dämlich, Nelly“, mischte sich nun Becky ein, die sonst niemals redete.

      Alle Blicke wendeten sich ihr zu.

      „Das war Marius Kopplings, der neue Schüler. Er ist der Sohn vom Direx.“

      Ina baute sich vor dem Mädchen auf.

      „Woher weißt ausgerechnet du das?“

      „Die wohnen neben uns.“

      Vollkommen verdutzt sahen alle die stille Becky an. Niemand hatte gewusst, dass sie neben dem Schulleiter wohnte.

      „Das ist ja furchtbar! Du arme … siehst du den etwa jeden Tag?“

      „Nein … ja … nicht jeden Tag. Aber Nelly hat recht. Der Marius ist ein arroganter Arsch.“

      Jetzt klingelte es erneut und alle rannten zum Englisch-Raum, wo eben die Tür zufiel. Simona gelang es, einen Fuß dazwischen zu stellen. Auch hier wurde Zuspätkommen bestraft, allerdings mit dreißig Vokabeln extra.

      ♥

      „Wir haben einen neuen Schüler“, verkündete Nelly beim Abendessen mit Paolo und Benjamin.

      Die beiden Männer waren erst spät heimgekommen und hatten einen Bärenhunger. Nelly hatte Nudeln mit Tomatensoße gemacht. Paolo hörte kurz auf zu kauen.

      „Aha.“

      „Nichts aha. Ich weiß das nur, weil er mich heute angerempelt und sich nicht einmal entschuldigt hat. Schau, mein Ellbogen ist ganz blau geworden.“

      Nelly raffte den Ärmel hoch und zeigte den blauen Fleck. Paolo kaute weiter. Es schien ihm zu gefallen, dass Nelly nichts Gutes sagen konnte über diesen neuen Schüler. Benjamin hatte die Stirn gerunzelt und zwischen den beiden hin und her geschaut. Paolo sah auf.

      „Sag das doch beim nächsten Mal deinem Lehrer oder dem Direktor.“

      „Haha, mein Schatz. Er ist der Sohn vom Direktor. Der wird nichts unternehmen.“

      „Wo kommt der denn jetzt so kurz vor Schuljahresende her?“, fragte Benjamin.

      „Keine Ahnung, er interessiert mich auch nicht die Bohne. Ich wollte ja nur mal erzählen, dass wir einen neuen Schüler haben, der mir wehgetan hat.“

      „Gut, das hast du jetzt gemacht. Was sollen wir denn nun deiner Meinung nach unternehmen?“

      Paolo war anscheinend wirklich beunruhigt. Er hatte die Gabel weggelegt und sah seine Freundin zornig an.

      „Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?“, fragte Nelly ungläubig.

      „Nein, das bin ich nicht. Ich frage ja nur: Wie können wir dir helfen?“

      „Gar nicht, ihr seid beide doof.“

      Nelly räumte beleidigt den Tisch ab und stellte alles in den Geschirrspüler. Benjamin nickte Paolo zu und verließ die Küche. Der junge Mann stand auf und stellte sich direkt hinter Nelly, die wütend mit der Bürste im längst sauberen Topf herum schrubbte.

      „Süße, es tut mir leid.“

      „Hm.“

      „Lass uns nicht streiten.“

      Paolo begann, Nelly in den Nacken zu küssen. Dazu hatte er ihre langen, braunen Haare zur Seite gestrichen. Er knabberte zärtlich an ihrem Ohr.

      „Kannst du mir verzeihen?“

      Seine Arme legten sich um ihre schlanke Taille und mit der rechten Hand fuhr er nun unter ihr T-Shirt, wo er zärtlich ihre Brust berührte. Nelly hatte Gänsehaut und drehte sich nun zu ihm um. Sie schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn sanft. Paolo presste seinen erregten Körper an ihren. Plötzlich schob Nelly ihn weg.

      „Ich finde das nicht gut, wenn ich gar nichts über die Schule erzählen darf. Das hat heute echt wehgetan. Also hab ein bisschen Mitleid mit mir und sei nicht eifersüchtig. Ich liebe nur dich. Basta.“

      „Ich weiß, mein Engel. Aber ein bisschen Eifersucht gehört doch wohl dazu, oder?“

      Paolo nahm Nelly den Lappen aus der Hand, wischte schnell den Tisch ab und zog sie mit sich ins Zimmer, wo sie noch ein bisschen Fernsehen schauten. Er war so müde und erschöpft von dem anstrengenden Tag, dass er auf der Couch einschlief.

      Am nächsten Tag war „der Neue“ kein Thema mehr. Simona machte ein verbissenes Gesicht, weil Noah verschwunden war, sich nicht gemeldet hatte und auch nicht ans Telefon ging. Sie war sauer und wusste nicht, was sie denken sollte.

      „Nelly, was glaubst du, warum er nicht anruft? Habe ich etwas Falsches gesagt?“

      „Ich weiß nicht“, versuchte Nelly die Freundin zu beruhigen, „vielleicht hat er zu tun?“

      „Meinst du echt? Dann hoffe ich mal, dass du recht hast. Er meldet sich sicher heute Abend.“

      Schon war die Freundin wieder gut gelaunt. Nelly wunderte sich aber nicht darüber, denn sie wusste seit langer Zeit, wie schnell sich Simonas Laune ändern konnte. Lachend gingen sie in den Unterricht.

      Am späten Nachmittag streifte Nelly mit Wuschel durch die Weinberge. Die Luft war schon sehr warm, der Frühling hatte ihnen nach einem kurzen Intermezzo einen frühen Sommer beschert. Wieder am Weingut angekommen, sah sie ein Auto auf dem Parkplatz stehen. Auf der Bank unter der Kastanie saß jemand. Nelly sah von weitem nur die langen, ausgestreckten Beine. Sie brachte Wuschel ins Haus und lief in Richtung Garten.

      Der Besucher hatte die Schritte gehört und stand nun auf. Nelly erschrak, denn es war kein anderer als Marius Kopplings, der neue Schüler. Sie runzelte die Stirn. Er schien sich nicht an sie zu erinnern und grüßte höflich.

      „Hat die Vinothek heute nicht offen?“

      „Die Öffnungszeiten stehen an der Tür und wenn du lesen kannst, siehst du, dass wir in einer halben Stunde aufmachen.“

      „Bist du nicht …?“

      Marius schaute auf Nelly herab, er hatte die Hände in die Seiten gestützt und grinste überheblich.

      „Jetzt weiß ich es! Du bist die kleine Zicke, die sich den Ellbogen gestoßen hat.“

      „Und du bist der arrogante Affe, der sich nicht einmal entschuldigt hat.“

      Marius lachte nur. Er nahm sein Handy aus der Tasche und rief seine Notizliste auf.

      „Ich soll für meinen Vater eine Bestellung abholen. Weingut Lierfeld, das ist doch hier, oder?“

      „Da du anscheinend nicht lesen kannst“, sagte Nelly und zeigte auf das Schild über der Tür, „erkläre ich es dir. Hier ist das Weingut Lierfeld. Es gibt Wein und wir öffnen in fast einer halben Stunde.“

      „Kannst du nicht jetzt schon aufmachen?“

      „Nein, ich bin ja eine Zicke, also geht das nicht.“

      „Du bist