Wolfgang Endemann

LINKS – Aktualisierung eines politischen Schlüsselbegriffs


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      LINKS – Aktualisierung eines politischen Schlüsselbegriffs

      Ein sozialphilosophischer Essay

      Wolfgang Endemann

      LINKS – Aktualisierung eines politischen Schlüsselbegriffs

      Wolfgang Endemann

      Copyright: © 2013 Wolfgang Endemann

      published by: epubli GmbH, Berlin

      www.epubli.de

      ISBN 978-3-8442-7189-8

      Inhaltsverzeichnis

       Vorwort

       Einleitung: Politik als Handeln und Denken in Alternativen

       A Solidarität

       A1 Gleichheit

       A2 Die Rolle des Staats

       A3 Grundeinkommen

       A4 Solidarität als Egalitarismus

       A5 Warum Linkssein radikal ist

       A6 Altruismus

       A7 Das Gerechte, das Nützliche und das Richtige

       A8 Konsum oder Emanzipation

       B Freiheit als Autonomie oder Freiheit als Ideologie

       B1 Meinungsfreiheit

       B2 Antinomien der bürgerlichen Freiheit

       B3 Der freie Wille

       B4 Anarchie und Ordnung

       C1 Eigentum

       C2 Geistiges Eigentum

       D Das gesellschaftliche Ganze

       D1 Materialismus und Idealismus

       D2 Pazifismus und andere Utopien

       D3 Demokratie

       D4 Komplexität – das Ganze ist das Wahre

       D5 Pluralismus

       Nachwort

      Vorwort

      Wenn man die Geschichte der Menschheit als Emanzipationsgeschichte liest, ist es naheliegend, die „linke“ Perspektive auf die Welt als Radikalisierung der bürgerlichen Revolution zu verstehen. Hier ist der Entstehungsort der linken Idee, die im gesellschaftlichen Gärungsprozeß zu einem treibenden Pol wird. Die Revolution endet auf dem Papier mit dem Geltungsanspruch auf gleiche Rechte und Pflichten für alle Bürger, und spätestens jetzt beginnt sich die Linke zu distanzieren, weil für sie der Anspruch nicht oder nicht hinreichend eingelöst wurde. Das liegt unter anderem daran, daß er aus partikularen Interessen bis zur Wirkungslosigkeit verwässert wurde oder gar nicht so radikal gemeint war. Und mit dem Sieg über das ancien régime tut sich eine immer größere Kluft auf zwischen konsolidierendem, restaurativem Bürgertum und einer radikalen Freiheitsbewegung. Wenn die Linke auf deren unbescheidene Ziele verzichtet, macht sie sich selbst überflüssig. Die Abschaffung der Feudalherrschaft bzw. die Aufwertung des dritten (und später des vierten) Standes hat – gemessen an ihren Ansprüchen - keine zufriedenstellende Gleichheit und Befreiung von Not gebracht, anstelle der Brüderlichkeit finden wir Gruppenegoismen und die Konkurrenz aller gegen alle, jeder kocht sein eigenes Süppchen, individuelle Freiheiten muß man sich dabei leisten können, die sozialen Lebensformen sind im großen und ganzen vorgegeben, unverfügbar. Soweit der Stand von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Allerdings hat sich die bürgerliche Gesellschaft im Laufe der Zeit bemerkenswert verändert, ein Unterschied, der sich auch in ihrer Kritik deutlich niederschlagen muß.

      Es gibt sehr verschiedenartige Typen dieser Kritik, konservative, die eine verbindliche Wertordnung für die Menschen einfordern, individuelle, auch eskapistische, die die Unabhängigkeit, Freiheit einer inneren Spiritualität beanspruchen, sich dem System entziehende Subkulturen. Am kompromißlosesten widerspricht die Linke mit ihrer sozialistischen Utopie, die an der ökonomischen Basisstruktur ansetzt, dem Kapitalismus, der die gesellschaftlichen Charakteristiken durchdringend bestimmt. So hat sie sowohl tiefgreifende Veränderungen der Gesellschaftsstrukturen, als auch die psychosoziale Erneuerung der Individualität und ein anderes Verhältnis von Individuum und Gesellschaft im Sinn. Für die Differenz von früh- und spätkapitalistischer Systemkritik der Linken werden hier die Begriffe Notsozialismus und ästhetischer Sozialismus vorgeschlagen, da im Manchester-Kapitalismus der alles andere in den Schatten stellende Skandal die menschenverachtende und -vernichtende Ausbeutung war, heute aber der Schwerpunkt des linken Einspruchs sich von der ethischen auf die ästhetische Ebene verlagern muß. Denn die Formen des Zusammenlebens unterschreiten weniger unsere Moralmaßstäbe, als daß sie dem widersprechen, was wir schon heute mehrheitlich als würdevoll und wohlgestaltet oder einfach als angemessen empfinden. Immer noch sind die materiellen Lebensbedingungen vieler Menschen demütigend defizitär, der widerwärtigste Makel liegt aber in der unverschämten Diskrepanz zwischen den das Allgemeinwohl und die immateriellen Bedürfnisse fördernden produktiven Möglichkeiten der Gesellschaft und der tatsächlichen, mit einem minimalen, oft mit überhaupt keinem Nutzen für Einzelne verbundenen Zerstörung, Schädigung, Verunstaltung, Verschwendung des natürlichen Reichtums und der menschlichen Kräfte und Fähigkeiten. Dieser Kapitalismus ist trotz der Zustimmung, die ihm noch entgegengebracht wird, trotz aller Fortschritte eine Beleidigung der Vernunft.

      Man kann „links“ als kategorischen oder als Relativbegriff benutzen. Es gibt viele Individuen, Kollektive und Organisationen weltweit, denen man die Selbstzuschreibung, im absoluten Sinne links zu sein, aus begrifflichen Gründen verweigern muß, weil sonst die wesentlichen Distinktionsmerkmale des Begriffs verloren gingen. Mit gutem Grund unterscheidet man demnach z.B. Sozialismus und Sozialdemokratie, denn obwohl letztere die Lage der Schwachen in der Gesellschaft verbessern möchte, stellt sie den Kapitalismus nicht infrage. Auch ökologische Bewegungen zielen meist nur auf ein radikales Umdenken in Bezug auf unsere natürliche Umwelt, ohne ihre Ideen auf die Gesamtgesellschaft, auf das Soziale zu verallgemeinern. Und selbst das wäre keine genuin linke Position, die erfordert nämlich, daß das Soziale das Ökologische impliziert, nicht umgekehrt. Die Linke ist antikapitalistisch (und – weniger strikt - ökologisch), damit ist sie aber völlig unzureichend bestimmt. Sie ist antikapitalistisch