Tanja Heller

SEELENKRATZER Skin Picking und Trichotillomanie


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Rapunzelsyndrom

       Monsterwissen

       9. Monster zähmen

       Atme den Drang weg

       Entkopplungsmethode

       Gewohnheitsumkehr

       Verhaltensmuster ändern: Mach es anders

       Trich und SP: zwei Nervensägen

       10. Ändere deine Gedanken

       Die Sucht nach reiner Haut

       Haut ist nicht eben und glatt

       Es gibt keine schlechten Haare

       Mimimi

       Lerne loszulassen

       Wir müssen nicht ständig sortiert sein

       Grenze dich ab

       11. Bye, bye, Monster

       Es gibt keine Blaupause

       Tu so, als ob du es schon kannst

       Stellen freigeben

       Nebel macht Angst

       12. Natürlich schön

       Heiß begehrt: Vielduschen schadet der Haut

       Bleib cremig

       Schönheit kannst du nicht kaufen

       Nur für heute

       Camouflage Make-up

       13. Mach mal was anders

       Mach mal alles anders

       Mut zur Wut

       Du bist genug

       Therapien

       John Kender Diät

       Ernährung

       Nachwuchssorgen

       Nickelallergie

       14. Monster Comeback

       15. „Mama, du ruinierst deine Schönheit!“

      Es. Muss. Aufhören.

       Ich schlurfe. Durch die Röntgenabteilung. Es hat laut gekracht. Wie soll ich DAS dem Arzt erklären: Ich liege immer wieder bis zu fünf Stunden am Tag auf meinem Bett mit Spiegel, Pinzette und einer Nadel. Ich operiere mir Haarfabriken am Kinn aus und trance dabei weg. Eine blutige Angelegenheit. Mit den Wunden kann ich tagelang nicht rausgehen. Einmal überraschen mich die Dachdecker samstags. Ich muss die Tür öffnen. Das Blut rinnt an meinem Kinn entlang. Fragende Blicke. Es. Muss. Aufhören.

      Es ist wie rasen auf der Autobahn.

       Ich kann nicht einfach aussteigen.

       1. Haut- und Haarmonster

       Körperfokussierte Verhaltensstörungen

      Body-focused repetitive behaviours (BFRB) sind monotone Verhaltensweisen, mit denen man sich selbst schadet. Wie zwanghaftes Lippenbeißen, Wangen- oder Nägelkauen, Haarereißen oder Hautkratzen, - reiben, - quetschen. Man führt sich keine Substanz zu, sondern hat die Droge - den eigenen Körper - immer dabei. Lebenslang. Oft werden nervöse Verhaltensweisen von Familienmitgliedern durch Modelllernen nachgeahmt. So ist das Verhalten sozial akzeptiert und wird übernommen.

      Skin Picking (im Folgenden SP) bezeichnet zwanghaftes Hautknibbeln: Dermatillomanie. Die Manipulation von Wunden, das Aufreißen alter Blessuren und somit die Verhinderung des Heilungsprozesses. Mit Zuhilfenahme von Nadeln, Pinzetten, Scheren, Messern und Klingen. Auch Härchen werden entfernt. Verwandt mit Haut knabbern und essen: Dermaphagie.

      SP ist eine Impulskontrollstörung. Die episodenhaften Knibbelimpulse an der Haut, stets mit der positiven Absicht sein Hautbild zu verbessern, steigern sich bis in eine Trance, aus der sich Betroffene stundenlang nicht befreien können. Das zwanghafte Knibbeln kommt wahrscheinlich häufiger vor als man vermutet, weil es verheimlicht wird. In neueren Publikationen spricht man von einer Wahrscheinlichkeit von über 5 % der Bevölkerung. 60-90 % sind Frauen. Sie können dem starken Drang nichts entgegensetzen und tun alles, damit Wunden nicht verheilen. Klassischer Beginn ist die Streuselkuchenzeit: Akne in der Pubertät. Eine psychische Störung liegt vor, wenn man die Kontrolle über das Verhalten verloren hat.

      Wovon wollen sich Skin Picker befreien? Was macht uns Druck? Was muss da raus? Für was ist es ein Ventil? Übertriebene Körperpflege ist zutiefst menschlich. Man entfernt sich unbewusst eine Hautschuppe, wenn der Chef Überstunden ankündigt. Das ist Stressabbau im frühen Stadium. Bekannt auch aus dem Tierreich als Übersprungshandlung. Gänse und Hasen zeigen bei Stress ein exzessives Putzverhalten. Gerät es außer Kontrolle, ist es eine psychische Störung. Wie Trichotillomanie.

      Die Sucht, sich die Kopf- oder Körperhaare auszureißen. Ähnlich Haare essen und lutschen: Trichophagie. Haare schneiden aus Wut, Trauer, Selbsthass: Trichotemnomanie.

      Trich (Haar), tillo (rupfen), mania (Leidenschaft, Liebhaberei, Trieb, Sucht). Trichotillomanie (im Folgenden Trich) ist eine Impulskontrollstörung. Eine neurobiologische Verhaltensstörung aus dem Bereich der Zwangsspektrumsstörungen, von der es keine genauen Zahlen gibt aufgrund der hohen Dunkelziffer. Vermutlich sind bis 5 % der Bevölkerung betroffen. Du bist nicht allein! Wir sind viele! Man kann dem intensiven Impuls, sich die Haare auszureißen, bei zunehmender Spannung keinen Widerstand leisten. Man kämpft jeden Tag dagegen an. Du bist nicht willensschwach. Du hast keine Schuld. Ist das nicht wunderbar? Du musst dich nicht dafür schämen! Oft geschieht es unbewusst. Wie eine Tüte Chips essen. „Hab ich gar nicht mitbekommen.“ Es hat etwas Hypnotisches, Meditatives. Ein tranceähnlicher Zustand: „Ich wollte doch nur mal kurz vorm Spiegel ...“ und dann findet man den Boden voll mit Strähnen. Oder du fragst dich: „Wo sind bloß meine Augenbrauen hin?“

      Die Ursachen von Trich sind unerforscht. Mangelndes Selbstwertgefühl, Perfektionismus, ein Trauma, die Anlage zu Zwangserkrankungen sowie emotionale Belastungen bei Pubertätsbeginn sind meist die Eintrittskarte. In Studien wurde ein niedriger Serotoninspiegel als Auslöser oder Folge festgestellt. Bei mir auch im Neurostressprofil. Serotonin wirkt wie ein Antidepressivum. Immunstörungen werden vermutet. Man züchtet Mäuse mit Putzfimmel. Sie haben defekte Immunzellen. Hoxb8-Mutation.

      Menschen mit Trich verletzen und entstellen sich nicht absichtlich. Sie regulieren ihre Emotionsspannung,