Jürgen Schwarz Blum

Zwischenfall auf Astros


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das ungewöhnliche Symbol, das an der Oberseite dieser inneren Kästen eingraviert war. Das sah nun wirklich nicht wie das Zeichen einer der Forschungsinstitute oder Universitäten aus. Mara erinnerte sich vor allem an einen Kreis, ein paar Linien und noch irgendetwas herum.

      Einer der Wissenschaftler, die an der Expedition beteiligt waren, ein Dr. Rosen, hatte in diesem Moment eilig den Laderaum betreten. Als er Mara erblickte, forderte er sie auf, den Raum zu verlassen. Er wollte allein irgendetwas überprüfen. Er wartete aber Maras Weggehen nicht ab, sondern drehte sich um und ging sofort zu der geöffneten Transportkiste. Deckel und Rückwand waren nach dem Einladen entfernt worden. Dort an der hinteren Seite arbeitete er nun eine Weile seitlich an den innenliegenden Kästen. Da er sich gegenüber von Mara befand, konnte sie nicht sehen, was er da machte. Schließlich schien er fertig zu sein und befestigte die Seitenwand der äußeren Kiste. Mara wollte sich die Symbole auf der oberen Seite näher ansehen. Aber der äußere Deckel war nun auch schnell verschlossen worden, so dass sie keinen genaueren Blick bekommen hatte.

      Was mochte diese zweite Transportkiste in sich verbergen? Die beiden inneren Kästen machten einen wirklich ungewöhnlichen Eindruck. Doch um was handelte es sich dabei? Dokumente oder technische Geräte oder vielleicht alte elektronische Medien zur Datenspeicherung? Antworten ließen sich so jedenfalls nicht finden.

      Im geradezu letzten Moment, bevor sie losfahren wollten, verkündete nun Rosen, dass er tatsächlich selbst mitkommen und die Fahrt im Transporter begleiten wollte. Offenbar vertraute der Grabungsleiter der Expedition Mara und ihren Leuten nicht und befürchtete, dass sie die Fracht während der Fahrt nicht ungestört ließen. Daher sollte also wohl ein Aufpasser mit, dachte Mara, und dem jüngsten Expeditionsmitglied fiel diese undankbare Aufgabe zu.

      Mara war zwar neugierig auf den Inhalt der Kisten, aber sie hätte nie die Siegel und Verschlüsse aufgebrochen. Lim war sowieso nur an seinen Maschinen interessiert, und Ortas hatte nur Sinn für Waffen – die beiden verloren also bestimmt keinen Gedanken an den Inhalt der Fracht. Den beiden genügte die ihnen zugeteilte Aufgabe. Mara war da vielleicht ein wenig von ihren Vorurteilen gegenüber Lim und Ortas geprägt. Sie merkte es selbst, aber das störte sie nicht sehr. Möglicherweise ergab sich eine Gelegenheit, und sie konnte mit Rosen ins Gespräch kommen. Sie hatten da schließlich eine Menge Zeit dafür, während sie unterwegs waren.

      Auf dem Rückweg zur Zentralstadt mussten sie die andere, die alte Route nehmen, hatte Lim Mara erklärt. Das lag daran, dass auf der neuen und sehr viel kürzeren Strecke, auf der sie zum Außenposten gefahren waren, die große Brücke über die Cerberus Fossae genannte Schlucht nun gesperrt worden war. Sie waren gestern gerade noch rechtzeitig darüber gekommen. Die Brücke war an einem Stützpfeiler durch einen Steinschlag vor einigen Wochen beschädigt worden. Doch mittlerweile, gleich nach ihrer Anreise, hatten die Bauarbeiten zur Reparatur begonnen. Denn es war unklar, wie lange die Brücke die Belastungen noch aushalten konnte, bevor sie einstürzte.

      Somit kamen sie auf der Rückfahrt nicht ganz so schnell voran. Sie würden fast 43 Stunden unterwegs sein, was etwa vier Tag- und Nachtwechsel auf Astros entsprach. Denn der Asteroid drehte sich etwas schneller um die eigene Achse als die Erde, so dass ein Astros-Tag kürzer als ein Erdtag war. Dafür brauchte Astros allerdings mehrere Erdjahre für einen Sonnenumlauf.

      Die Straße, die sie nun nahmen, war noch von den Pionieren zum Beginn des Bergbaus angelegt worden. Sie folgte einem Weg der sich in unzähligen Windungen durch das Noctis Labyrinthus, dem Labyrinth der Nacht, schlängelte. Der Name war angemessen, denn dies war ein gebirgiges Gebiet, das aus vielen schmalen Rinnen und scharfen Berggraten bestand. Es war aus der durch Vulkanismus aufgeplatzten äußeren Kruste der Oberfläche in der Frühzeit des Asteroiden entstanden. Erst wenn sie die Melas Chasma erreichten, verlief die Straße wieder etwas geradliniger. Denn dies war ein breiter Canyon mit steilen, zum Teil senkrecht aufragenden Seitenwänden.

      Man hatte diese Gegenden hier nach Orten auf dem Mars benannt, die eine ähnliche geologische Struktur aufwiesen. Das hatten schon vor der ersten Besiedlung die Geologen getan, die die Untersuchungen wegen der Bodenschätze vorgenommen hatten. Denen waren das ganz einfach vertraute Bezeichnungen, die sie von ihrer Arbeit auf dem Mars und dem Mond der Erde kannten.

      Auf dem ganzen Weg zurück gab es keine bewohnte Siedlung. Erst die Zentralstadt war wieder ein Ort mit Menschen. Zusammen mit der geplanten Abschaltung der Satelliten ergab dies zumindest ein Gefühl der Einsamkeit. In Wirklichkeit waren sie aber natürlich nur kurzfristig von dem Rest der Bevölkerung abgeschnitten und standen ansonsten immer in Verbindung mit der Zentralstadt.

      - III -

      Endlich brachen sie auf. Alle Systeme waren in Ordnung, die Batterien voll aufgeladen. Sie saßen zu viert in der klimatisierten vorderen Kabine mit Sitzen, Tischen und den Arbeitsplätzen. Aus den Fenstern konnten sie über Sand und Felsen der Landschaft blicken. Zwei Monitore boten ein Bild der Gegend mit dem Straßenverlauf, das von den Außenkameras des Transporters aufgenommen wurde. Zugehörige Daten und Informationen der elektronischen Karten wurden über diese Aufnahmen eingeblendet. Die automatische Steuerung des Transporters war aktiv und wurde von Lim überwacht.

      Von dieser Kabine führte ein Gang nach hinten zum Frachtraum. Auf beiden Seiten des Gangs befanden sich kleine Schlafquartiere. Zusätzlich gingen eine Küche und Waschräume ab. Gleich am Anfang des Gangs waren die Türen mit den Schleusen nach Außen, die auf diese Weise atembare Luft und Wärme im Inneren des Transporters hielten. Eine Treppe oder vielmehr eine Leiter führte nach unten in einen Bereich mit sehr niedriger Deckenhöhe. Hier lagen die Maschinenräume und Energiespeicher.

      Ortas patrouillierte – wozu das denn, fragte sich Mara – zwischen dem vorderen Raum und der Ladebucht hin und her. Alles, was Ortas dabei entdecken konnte, ließ sich auch auf einem der Monitore in der vorderen Kabine ansehen. Denn es brauchten nur die Kamerabilder von Gang und Laderaum aufgerufen werden. Davon abgesehen waren nur sie selbst zu viert an Bord, und niemand konnte während der Fahrt – von woher auch immer – einfach unbemerkt zusteigen.

      Rosen las in seinen elektronischen Aufzeichnungen und wehrte so alle Versuche seitens Maras ab, in ein Gespräch mit ihr verwickelt zu werden.

      Sie folgten dem Lauf der Straße. Die Fahrbahn wand sich zwischen großen Felsblöcken entlang der immer wieder in die eine oder andere Richtung abknickenden, relativ engen Schlucht. Überall zweigten Seitentäler ab. Ohne die Angaben des Navigationssystems wurde es schnell unmöglich, selbst den Überblick über die generelle Richtung, der sie zur Zentralstadt folgen mussten, zu behalten. Es war wörtlich wie im Labyrinth, dem Noctis Labyrinthus.

      Auch wenn die Straße schon sehr alt war, waren hier wie überall Induktionsspulen gleich mit verbaut worden. Aber in dieser entlegenen Gegend wurden diese nicht mit Strom versorgt, so dass sie hierüber die Speicher des Transportfahrzeug für den Elektroantrieb nicht laden konnten. Das machte aber nichts, da alle Batterien voll aufgeladen waren und genügend Kapazität boten, um diese Strecke sogar mehrfach zu befahren. Die Induktionsspulen dienten dennoch dem automatischen Fahrtsystem zur Einhaltung der Fahrspur.

      Nachdem sie sich noch eine Weile angeschwiegen hatten, zog sich Rosen schließlich in sein Schlafquartier zurück. Etwas wie eine Nachtruhe setzte ein. Mara und Lim verblieben aber in der vorderen Kabine und suchten hier abwechselnd kurzzeitig ein wenig Schlaf, während der oder die Wachgebliebene auf die Systeme des Transporters achtete. Ortas dagegen war unermüdlich in ihrer Wache.

      Ruhig und zuverlässig fuhr der Transporter durch die Nacht und die menschenleere Einsamkeit dahin.

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