Wulf Mämpel

Mein Name ist DRAKE. Francis Drake


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schandmäuligen Angriffen anderer, die über den Spitznamen „Virgin Queen“ insgeheim lachen. Meine Frau nennt Elisabeth eine Ikone, die eigenwillig und brutal auf der einen, behutsam auf der anderen Seite ihren Weg geht. Sie sei ein sakrosankter, protestantischer Gegenpart der Jungfrau Maria, meinte unser Freund Shakespeare vor kurzem, als wir über die Königin sprachen, was wir oft tun. Aber sie ist auch von einer Härte erfasst, wenn es darum geht, Verräter zu bestrafen. In allen wichtigen Fragen bespricht sich Elisabeth mit William Lord Cecil. Er ist ihr Berater von frühester Jugend an. 1571 erhält er von Elisabeth den Titel Earl of Exeter. 1572 wurde er zum Lord Schatzmeister befördert. Seinen alten Posten als Chefsekretär erhielt danach Sir Francis Walsingham, der seine Stellung umgehend nutzte, um den englischen Geheimdienst weiter auszubauen. Er gilt als der Erfinder der modernen Spionage. Ein fähiger Mann, gewiss, doch ewig mürrisch, ein Rattengesicht und mir wenig sympathisch. Er war es, der als erster die Informationen über die unmenschliche Aktion des französischen Königs besaß, als dieser gnadenlos die Protestanten in seinem Land abschlachten ließ, als in der Bartholomäus-Nacht im Jahre 1572 etwa 6000 Protestanten diesem religiösen Wahn zum Opfer fielen. Der Massenmord in Paris und in anderen Teilen Frankreichs belastete natürlich das Verhältnis zwischen England und Frankreich sehr. Dieses Zerwürfnis nutzte der spanische König, um gegen England vorzugehen, zumal unsere Kaperfahrten und die Hinrichtung der schottischen Königin Maria Stewart den Zorn des despotischen Spaniers steigerten.

      Ich weiß es genau:1586 wurde Maria Stuart wegen mehrerer Verschwörungen angeklagt, die das Ziel hatten, Königin Elisabeth zu ermorden und sich selbst auf den englischen Thron zu bringen. Maria Stuarts Beteiligung konnte einwandfrei durch verschiedene von ihr verfasste Briefe nachgewiesen werden. Im Oktober beschlossen daher das Ober- und Unterhaus gemeinsam ihren Tod durch das Beil. Königin Elisabeth ließ im Parlament nachfragen, ob es keine andere Möglichkeit gebe, als Maria zu töten. Ihr Unbehagen vor diesem letzten Schritt und ihr jahrelanges Zögern erklären sich durch ihren tiefen Glauben an das göttliche Recht eines Monarchen und dementsprechend durch die Auffassung des Königsmords als Verstoß gegen die göttliche Ordnung. Das Parlament überzeugte sie jedoch davon, dass die ständige Bedrohung, die Maria Stuart als Galionsfigur der katholischen Opposition darstellte, nur mit ihrem Tode zu beenden war: Am 8. Februar 1587 wurde Maria enthauptet (darüber werde ich noch im Detail berichten).

      Ich erkläre meiner Frau die aktuellen Hintergründe immer gerne, weil ich das Gefühl habe, dass sie mich und mein Handeln dann besser versteht: „Die Raubzüge der englischen Freibeuter und die Hinrichtung Maria Stuarts gaben dem spanischen König Philipp II. natürlich den Anlass, eine Invasion in England zu planen. Doch während Philipp eine große Seestreitmacht ausrüstet, habe ich der Königin ein Unternehmen vorgeschlagen, mit meiner kleinen Flotte in den Heimathafen der spanischen Schiffe einzulaufen, um sie dort zu zerstören. Also noch bevor die Armada auslaufen wird. Ich denke, dieser Plan wird ein großer Erfolg und verschafft uns Zeit, unsere eigene Marine zu verstärken.“

      „Wie findet Elisabeth Deine Idee?“

      „Aus mehreren Gründen willigte sie ein. Die Schwächung der Spanier, wenn wir zwanzig bis fünfzig Schiffe zerstören und damit zusätzlich auch noch die Häfen durch die Wracks blockieren, ist eine Sache. Der zweite Vorteil: Unser Einsatz lenkt von den innenpolitischen Schwierigkeiten ab und soll das Volk zusammenhalten. Der unsinnige Glaube an die Magie des Bösen, verbreitet sich zurzeit wie eine Feuersbrunst in unserem Reich. Es ist der Wahn der Gewalt und Verfolgung. Tausende sterben für ihren Glauben auf beiden Seiten. Die Obrigkeit lässt die grausame Folter zu: Hilflosen Menschen werden Gliedmaßen und Geschlechtsteile abgehackt, Köpfe rollen in großer Zahl. Die Folter mit Feuer und Klingen ist nicht abgeschafft worden, weil die Königin diese Methode für notwendig hält, um ihre Herrschaft von Beginn an zu sichern. Und doch hat sie inzwischen ihre Regentschaft fest im Griff, ihre Macht ist unangefochten. Trotz der vielen brutalen Angriffe auf ihre Person und die Attentatsversuche.“

      Ich ergänze gut gelaunt: „Ja, Liebling, sie hat unser Reich verändert zu einer inzwischen unabhängigen Nation, sie ging dabei sehr professionell, eigenwillig und auch rücksichtslos vor, was viele überrascht hat. Doch sie verfolgt unbeirrt aller negativen Meinungen über sie - auch aus den Königshöfen Europas - ihr Ziel und darf doch nicht ihrem Herzen folgen: Eine Seemacht auf dem Weg zu Weltmacht. Ihre Politik der Stärke wie der Diplomatie und Klugheit haben ihr Weltgeltung verschafft. Das war nicht leicht, denn die vielen Demütigungen innerhalb der Familie und die zunächst herablassende Meinung des Adels, das „Kind“ sei nicht in der Lage, das Königreich zu regieren, schienen oft ihr Ziel in weite Ferne zu rücken. Sie erlitt Niederlagen, Enttäuschungen und erlebte den Verrat in unmittelbarer Nähe.“

      „Nun, mein lieber Francis, Du bist ja auch sehr gefährdet: Der spanische König hat, so seine letzte Offerte, für Deine Ergreifung die doch recht stolze Summe von 20 000 Golddukaten ausgesetzt. Das macht manchen ehrbaren Mann zu einem Verräter.“

      „Vielleicht habe ich ja Glück, dass dies nie geschieht. Der spanische König ist ein finsterer Geselle, doch er verkörpert das spanische Ideal. Nur ist bei ihm alles übertrieben: Er pflegt seine Unnahbarkeit, seine Einsamkeit, den religiösen spanischen Absolutismus, der sich auch im normalen Leben ausbreitete, in der Mode, im Baustil, in der Arroganz des ständigen Siegers. Doch das wird sich ändern. Wir werden dafür sorgen, dass der neue Kontinent Amerika im Norden nicht ausgebeutet wird, wie es die Spanier im Süden veranstaltet haben, wir werden den Norden Amerikas zu einem abendländischen Kontinent machen. Mit all den Errungenschaften, die wir schätzen. Das unterscheidet unsere Königin von diesem hartherzigen Regenten, der den puren Katholizismus über die Menschen der bekannten Welt ausgießen will – mit Feuer und Schwert, mit Folter und Scheiterhaufen. Er bezeichnet sich selbst als der bedeutende Gegenreformator, der von Gott ausgewählte Anti-Luther. Die Spanier sind für ihre Härte bekannt, gerade gegenüber der Bevölkerung eroberter Länder. Sie haben Südamerika ausgeplündert und die Menschen abgeschlachtet. Sie werden eines Tages eine verbrannte Erde hinterlassen, wenn ihr unbestritten riesiges Reich und ihre Macht untergegangen sind. Die Menschen dieser geschundenen Länder werden die Spanier verfluchen, ihren Glauben und ihre Weltanschauung. Südamerika wird ein ständiger Unruheherd, davon bin ich überzeugt. Ich hoffe nur, wir machen nie die gleichen Fehler. Sie haben auch die Niederlande so behandelt, als wäre es eine Negerkolonie. Der verhasste Herzog Alba hinterließ eine Blutspur, die schließlich zur Revolte führte. Eines Tages stehen die unterdrückten Menschen auf, um ihre Ketten abzulegen. Das zeigt uns der Blick in die Geschichte. Jede Kette bricht, wenn das Maß voll ist. Ich weiß, dass mich die Spanier am liebsten vierteilen würden. Aber unsere Wachen sind fit und ich bin, wie Du weißt, an Land immer sehr vorsichtig.“

      Ich genieße diese Gespräche mit meiner Frau, weil sie früher selten waren. Doch heute ist es Vergnügen, mit ihr die Probleme unseres Alltags zu besprechen: „Besonders in London ist es zurzeit gefährlich. Viele Fremde sind in der wachsenden Stadt, deren Handel sich immer mehr ausdehnt. London explodiert, der Handel verändert die Stadt, sie wächst zu einem Zentrum heran, neue Häuser werden gebaut, Gaststätten und Herbergen schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Kaufleute werden reicher, es soll sogar an guten Seeleuten fehlen. Manch ein Posten an Bord kann nicht besetzt werden. Und was viel schlimmer ist, die Laster beherrschen die Menschen: Habgier, Wollust, Zorn und Völlerei – den Menschen ist keine Todsünde fremd.“

      „Und dennoch schleicht ein Gerücht durch die Straßen, durch die Villen und Paläste wie ein saugender, gieriger Wurm: Wird es Krieg geben, Francis?“

      Ich staune über die Frage, denn bisher konnte ich die Gerüchte über eine drohende Kriegsgefahr in unseren Gesprächen ausklammern. Doch Elisabeth war vor einer Woche in unserer Londoner Stadtwohnung gewesen und an einem Nachmittag zum Tee bei der Königin eingeladen. Ihre Frage ist wohl das Ergebnis dieses Ausflugs.

      „Ja, es wird Krieg geben! Auch weil wir den Aufstand der besetzten Niederlande unterstützen und dem Statthalter Herzog Alba viele Sorgen bereiten. Spanien will England erobern und zu einer katholischen Kolonie herabstufen. Das wird niemals geschehen!“

      Ich gieße unsere beiden Gläser erneut voll und gehe nervös auf und ab: „Der Krieg ist nur noch eine Frage der Zeit. Unsere Spione haben definitiv erfahren, dass der spanische König die Eroberung unseres Reiches plant. Elisabeth,