mich zu antworten: „Ja, Fernando, es wird Krieg geben müssen. Spanien will tatsächlich unser Inselreich erobern. Wir werden Arbeit bekommen, Fernando. Ja, es stimmt, was John Dir erzählt hat. Wir sind bereits mitten in den Vorbereitungen für einen großen Seekrieg mit den Spaniern. Wann das sein wird, steht noch in den Sternen.“
Fernando zeichnet mit seinem linken Hakenarm ein Symbol in den Sand: einen Totenkopf mit zwei Knochen. „Sind sie stark genug . . . die Spanier, um England gefährlich zu werden? Stärker als wir?“
„Sie sind sehr stark, Fernando. Es wird schwer . . .“
„Aber wir haben Kapitän, pardon, Admiral Drake. Sie haben keinen Dragon. Ihre stolzen Nasen werden bluten.“
Ich muss lachen, denn Fernandos Formulierungen sind eigenwillig. „Sie werden sich ihre Hintern verbrennen. Das weiß ich.“
Ich muss wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich bemerke ich, wie mich jemand an den Schultern schüttelt. Fernando flüstert leise: „Wir werden beobachtet. Zwei Männer, dort drüben in den Dünen.“
Langsam ziehe ich meine Toledo-Klinge aus der Scheide. Fernando hat bereits zwei seiner gefürchteten Wurfmesser neben sich in den Sand gesteckt und seine Pistole bereit gelegt. Dann höre ich Stimmen, verstehe aber nichts. „Sie liegen jetzt dort hinter den Felsen, die Brandung übertönt alle Geräusche . . . gut für uns.“ Ich gebe Fernando ein Zeichen. Der treue Mestize nickt grinsend. Er will links, ich rechts um den Felsen herum unseren Angriff starten. Leise sage ich: „Klar zum Entern . . .“
Fernando nickt mir zu. Dann stürmen wir beide los. Unsere Überraschung gelingt, die Wegelagerer blicken entsetzt auf. Etwa zehn Meter vom Felsen entfernt stellen wir die beiden etwa 30 Jahre alten Banditen. Einer von ihnen hebt seine Pistole, bevor er aber abdrücken kann, trifft ihn der Wurfdolch Fernandos in den Hals. Stark blutend bricht der Angreifer zusammen. Der zweite Mann stürmt mit einem großen Säbel auf mich zu, doch nach einem kurzen Gefecht trifft ihn die Spitze meiner Klinge in sein linkes Auge: Sie fährt in seinen Schädel und ragt am Hinterkopf heraus. Seine letzten Worte verstehe ich: „Madre mia!“ Fernando sagt gelassen: „Keine Gegner für uns, Kapitän.“
Ich untersuche die beiden Leichen und stelle fest, dass dies keine armen Schlucker waren – ihre Kleidung ist aus wertvollem Material und die zwei Geldbeutel der beiden sind prall gefüllt. Sie müssen es auf uns abgesehen haben! Dies war also ein gezielter Auftragsüberfall, denke ich. Fernando säubert seinen Dolch und meint: „Wurden sie geschickt?“ Ich zucke mit der Schulter: „Sehr gut möglich. Einer der beiden sprach sicher Spanisch. Es wird schwer sein, die Hintermänner zu entlarven und ihre Identität festzustellen. Lass sie uns begraben.“
Später, als wir in dem Zweisitzer den Heimweg antreten, meint Fernando: „Es waren die verhassten Spanier!“
Ich antworte: „Es waren Spanier, mein Freund. Doch kein Wort zu meiner Frau. John McFinn unterrichte ich selbst.“
Noch am gleichen Tag organisiere ich den Wachdienst auf meinem Landsitz neu. Außerdem heuere ich vier neue Wachsoldaten an, was meiner Frau natürlich sofort auffällt: „Gibt es einen Anlass, dass Du die Wachen verstärkst?“
„Sicher“, antworte ich, „die Überfälle in England nehmen zu. Also müssen auch wir auf der Hut sein. Ich möchte nichts unterlassen, um unsere Sicherheit möglichst perfekt zu machen. Ich habe heute eine Depesche erhalten, die vor weiteren Überfällen auf die Güter und Wohnsitze der britischen Elite hinweisen. Die Lage wird langsam ernst.“
„Was bedeutet das für uns, Francis?“
Ich sehe die Angst im Gesicht meiner Frau. Ich antworte: „Es wird ernst Liebling. Die Lage mit Spanien entwickelt sich zu einer kaum noch zu überbrückenden Lage: Es wird Krieg geben. Nun bin auch ich davon überzeugt.“
Wir hatten mehrfach diese Möglichkeit diskutiert, doch noch nie sind die Anzeichen so klar zu erkennen wie jetzt. Einen Tag später erhalte ich Order, mich unverzüglich in den Palast zur Königin zu begeben, wo in vier Tagen eine Konferenz des Kriegsrates stattfinden soll. Meine Gedanken rasen. Zum Schreiben komme ich in dieser Zeit nicht. Königin Elisabeth will von mir ein Konzept, sie will genau wissen, was wir planen und unternehmen können, wenn es zum Krieg kommt. Noch, so erfahren wir sehr bald, gibt es keine konkreten Hinweise auf eine zeitnahe Invasion. Doch es gibt viele Gerüchte, die uns die Spione von Sir Walsingham bestätigen. Der Spionagechef gibt sich bei unseren Konferenzen stets sehr geheimnisvoll, vielleicht will er sich auch nur wichtigmachen! Niemand erfährt in diesen Tagen meine geheimen Pläne, weder meine Frau, weil ich sie nicht unnötig beunruhigen will, noch John Hawkins, noch meine Königin. Ihre mir bekannte Ungeduld könnte mein Vorhaben eventuell gefährden. Der Zustand und die Stärke der britischen Flotte lassen noch nicht zu, dass ich meine Pläne durchführe. Klar ist aber: Wir müssen Zeit gewinnen, müssen die Spanier hinhalten oder mit Diplomatie besänftigen. Das wird Aufgabe der Königin sein. Würde mein aktueller Plan bekannt, wäre der kalkulierte Effekt nicht zu erreichen. Nur ein Mann erfährt, was ich vorhabe: Mein langjähriger Vertrauter, Butler, Pirat und Freund John McFinn, mit dem ich seit Jahren alle erfolgreichen Fahrten, Korsarenstücke und Seegefechte Seite an Seite erfolgreich durchgeführt habe. Es dauert eine Weile, ich bin inzwischen aus London zurück, bis ich eine passende Gelegenheit finde, John einzuweihen: Auf einem gemeinsamen Jagdausflug erzähle ich dem treuen Schotten meine Vision. Wir haben bereits zwei Wildschweine erlegt, John in alter Tradition mit einer Saufeder, deren Handhabe er perfekt beherrscht, ich mit einem glatten Blattschuss meiner Flinte. Wir legen eine Pause auf einer kleinen Lichtung ein, in der wir uns mit Bier und Wurst stärken. Als ich meinen Plan John erzählt habe, schweigt er lange, er trinkt und isst, rülpst dann laut und murmelt in seinen prächtigen roten Bart: „Kapitän, Du bist ein Genie. So werden wir es machen. Ich warte auf Deine Befehle, Kapitän . . . äh, Admiral!“
Der Plan: Ich habe vor, der Zeitpunkt ist noch nicht festgelegt, mit fünf bis sieben Schiffen und meinen besten Kapitänen, die bereits in Calais versammelten Kriegsschiffe der Spanier, ein Teil der gefürchteten Armada, in einer Blitzaktion anzugreifen, eine große Anzahl der Schiffe zu zerstören und damit den Hafen für eine lange Zeit durch die Wracks zu blockieren. Dadurch gewinnen wir viele Monate, um uns selbst noch besser zu rüsten. Dabei will ich „Brander“-Schiffe einsetzen, mit denen ich bereits in der Karibik erfolgreich gewesen bin. (Ich werde darüber noch zu berichten haben.)
John lächelt, trinkt einen kräftigen Schluck Bier auf mein Wohl und meint vergnügt: „Wer weiß noch von Deinem Plan?“
„Niemand außer Dir, John.“
Der Schotte wird ernst: „Es ist ein gefährliches Spiel, was Du da planst, Kapitän. Wir können ja nicht so tun, als würden wir zu einer gemütlichen Segelfahrt auslaufen. Irgendwann wird die Aktion bekannt.“
„Irgendwann werde ich den Plan einem kleinen Kreis verkünden. Der Königin, meiner Frau und den Kapitänen der Seefalken-Flotte, die ich für diesen speziellen Einsatz auswähle. Je weniger davon wissen, desto besser.“
ZWEI
ZWEI.
Gold durch das Leid der Sklaven
Das Ereignis, das mein Leben radikal veränderte, geschah vor einem Vierteljahrhundert im April des Jahres 1565: Ich bin gerade im Dezember 25 Jahre alt geworden, ich besitze ein Schiff, bin Händler und Seefahrer und mein Kopf steckt voller Pläne. Daher habe ich beschlossen, meine Arbeit als erfolgreicher Sklavenhändler zu beenden. Wie anmaßend das klingt! Ich hasse mich dafür, diese unwürdige Arbeit nun fünf Jahre lang geleistet zu haben. Damals war ich 20 Jahre alt und hungrig nach Erfolg. Gold und Gier und Hass auf die Spanier haben mich geleitet, haben mich meine strenge christliche Erziehung über Bord werfen lassen. Ich kenne mich nicht mehr, fühle nichts, schweige darüber lieber: Ich tue meine Arbeit und erledige mein brutales Handwerk. Meinen Eltern habe ich erzählt, ich handele mit Gewürzen und Getreide, ich sei ein ehrlicher Kaufmann!
Gewürze – seit der venezianische Kaufmann Marco Polo in seinem „Buch der Wunder“ die östlichen Länder beschrien und von den Gewürzen berichtete, entwickelte sich eine enorme Nachfrage unter in den gehobenen