Sven Röhr

Geschichten von Jar


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machten, was Tom mit Vorliebe tat, wenn er und Katja zusammen waren.

      Ihn brauchte Ricarda jetzt, denn sie merkte, dass sie kurz davor war ihren Verstand zu verlieren.

      „Es ist alles etwas viel auf einmal, nicht wahr? Komm lass uns etwas spazieren gehen. Die Ruhe wird dir gut tun.

      Toms Stimme riss Ricarda aus ihren nicht enden wollenden Gedanken.

      „Ich denke, ich bin dir wohl Einiges an Erklärungen schuldig.

      Er schaute sie schuldbewusst an. Als sie seinen Blick sah, musste sie ihm innerlich zustimmen und sagte:

      „Schau mich nicht immer so an. Du weißt genau, dass ich dann immer weich werde. Eigentlich hatte ich beschlossen noch eine Weile sauer auf dich zu sein. Aber irgendwie habe ich da wohl keine Zeit für. Ja, lass uns ein wenig gehen.

      Sie hakte sich bei Tom unter und er ging mit ihr am Brunnen vorbei in Richtung Schloss.

      Jetzt erst sah sie, dass das Schloss ziemlich weit entfernt war. Der Park dorthin war wunderschön. Gepflegte Wege wurden umsäumt von halbhohen Bäumen und das Ganze wurde unterbrochen von wunderschön angelegten Beeten. An den Schnittpunkten der Wege waren Brunnen mit Bänken, so dass man immer wieder die Möglichkeit hatte sich auszuruhen, wenn einem danach war.

      Ricarda war überwältigt.

      „Du musst dich in unserer Welt ja sehr nach diesem Platz gesehnt haben. So etwas Schönes habe ich ja nur ansatzweise in Versailles gesehen. Aber dies hier ist ja um einiges größer und schöner.

      Tom lächelte.

      „Ich bin heute auch zum ersten Mal hier. Wenn du etwas länger hier bist, wirst du sehen, dass man uns und mir im Besonderen misstraut. Wir sind den Menschen hier unheimlich. Zwar sind die Menschen hier freie Bürger. So etwas wie bei euch damals - die Lehensverhältnisse - gibt es hier nicht, aber mich kann niemand hier einordnen.

      Vor allem, weil ich kaum im Reich bin. Wir haben keine Grenzen und auch keine Herren. Wir dienen nur uns selbst. Du hast bestimmt schon gehört, dass mir ewiges Leben nachgesagt wird?

      Er musste lachen.

      Ricarda schaute ihn an.

      „Aber, wenn ihr niemandem dient, warum bist du denn hier? Und, wer ist denn „Wir“?

      „Wir? Nun, wir sind nur noch wenige. Man nennt uns hier die Wanderer oder auch die Freien. Das ist nicht unbedingt ein Lob, sondern eher etwas, vor dem sehr viele Angst haben.

      Kel-Nors Stimme klang ein wenig bitter.

      „Aber daran haben wir uns schon gewöhnt. Wir lieben es unabhängig zu sein, so wie wir es schon immer waren. Wir haben keinen Führer oder einen König. Wir sind eher wie Brüder und Schwestern im Geiste. Warum wir hier sind? Nun, dieser Krieg betrifft auch uns.

      Wir haben uns auch schon früher in die Geschichten dieses Landes eingeschaltet. Nur hat es nie jemand mitbekommen. Lediglich ein paar wenige wussten davon. Wir sind zwar frei, aber, wenn Malos diesen Krieg für sich entscheidet, dann dürfte auch unsere Zeit zu Ende sein.

      „Du hilfst Johanna also nur deshalb, weil du Angst um deine Zukunft hast?

      Ricarda schaute Kel-Nor verwundert an.

      „Ich gebe zu, es war der Grund, warum ich in eure Welt gekommen bin. Für meine Freunde kann ich da nicht sprechen. Aber jetzt würde ich mein Leben für euch geben.

       Ob Krieg oder nicht. Ich weiß, worüber du mit mir beim Einkaufen sprechen wolltest. Ricarda, glaube mir, ich hätte ja gesagt. Auch, wenn es nur zwei Jahre gewesen wären, die wir als Familie gehabt hätten, sie wären die schönsten gewesen.

      Was meinst du wie ich die Zeit mit euch genossen habe. Mit Johanna, meiner kleinen Katja und mit dir. Ich möchte sie um nichts mehr missen.

      Ricarda schaute Kel-Nor mit großen Augen an.

      „Ja, und was ist denn mit jetzt? Warum willst du denn jetzt nicht mehr? Du kennst unsere Gefühle dir gegenüber. Warum bleibst du denn nicht bei uns? Zwei Jahre, du was wäre dann? Wären wir dann abgeschrieben? Meinst du, du wärst da so einfach herausgekommen?

      Kel-Nor musste lachen.

      „Nein, so wie ich euch drei kenne, bestimmt nicht. Aber ihr seid von königlichem Blut. Ihr habt auf euer Volk zu achten und es zu respektieren. Ich werde immer für euch da sein, aber euer Volk würde einen wie mich nie in eurer Mitte akzeptieren. Dafür hat es zu viel Angst vor uns.

      „Aber ihr kämpft für Johanna und damit auch für das Volk. Das können die doch nicht übersehen. Tom, ich möchte dich nicht wieder verlieren. Ich denke, dass ich da auch für meine beiden Mädchen spreche.

      In diesem Moment hörten Ricarda und Tom ein lautes Gejohle. Ein riesenhafter Mann mit rotem Haar und einen rotem Vollbart stürmte auf sie zu. Ricarda erschrak und klammerte sich fest an Kel-Nor. Doch der lachte nur laut, zog sie hinter sich hervor und drehte sie zu dem anstürmenden Mann hin.

      „Meine Liebe, mit dem da lässt du mich nicht alleine.

      Dabei lachte er wieder.

      „Darf ich dir vorstellen, das, was da kommt, schimpft sich Einar. Er ist ebenfalls ein Wanderer. Ein wenig verrückt, aber ein herzensguter Mensch, wenn er jemanden mag. Vor allem ist er eine treue Seele, wenn er erst einmal jemanden in sein Herz geschlossen hat. Oder sollte ich besser sagen, in seinen Magen?

      Kel-Nor war schon recht groß, aber Einar war noch fast einen Kopf größer als er. Er verbeugte sich vor Ricarda.

      „Herzlich willkommen, wunderschöne Dame. Wie ich sehe müssen sie die Frau sein, die es geschafft hat aus unserem Brummbären einen Menschen zu formen.

      Dann nahm er seinen Freund in den Arm und sie schlugen sich auf die Schultern. Sie wandten sich wieder Ricarda zu und Einar sah sie mit fragendem Blick an.

      „Man hat viel von Ihnen gehört, meine Dame, aber ich muss sagen, keiner dieser Berichte ist dem gerecht geworden, was ich nun vor mir sehe.

      Ricarda merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Sie hörte Kel-Nor laut lachen.

      „Diesen Kerl Ricarda, darfst du nicht allzu ernst nehmen. Auch wenn er diesmal mehr als Recht hat. Gebt euch die Hand. Ricarda, Einar ist einer der wenigen, der mir nahe steht. Wir Wanderer sind auch untereinander nicht verbunden, aber mit diesem Stück Mensch habe ich einen Teil meines Leben verbracht. Wir sind irgendwie wie Brüder.

      Ricarda gab Einar die Hand. Er nahm sie vorsichtig und drückte sie ebenso behutsam zur Begrüßung.

      „Nun kann ich verstehen, warum sich Kel so wohl fühlte auf Terra. Nun werde mal nicht verlegen, Kleiner. Was hat er von Ihnen geschwärmt. So wie ich es sehe, gibt es wohl bald einen Wanderer weniger.

      Ricarda errötete wieder.

      „Nun Einar, ich denke, dass es unmöglich ist, weil ihr hier so etwas wie Außenseiter seid. So toll bin ich nun auch wieder nicht. Zumindest im Moment fühle ich mich irgendwie ganz schön benommen und durcheinander. Aber, nenne mich Ricarda. Ich kann mit der Dame im Moment echt nicht viel anfangen. Ich mache mir zu viele Gedanken um meine Kinder. Was den ehemaligen Wanderer angeht, der möchte es wohl auch noch gerne länger bleiben.

      Kel-Nor sah gequält auf Ricarda.

      Im selben Moment taten ihr die Worte auch schon wieder Leid.

      „Ach was.