Karl Olsberg

Das Dorf Band 15: Der rätselhafte Fall


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blickt Paul zu Golina auf. Primo fragt sich, wie sie es hinbekommt, dass der Wolf immer tut, was sie sagt, während er sich kein bisschen um Primos Anweisungen schert. Andererseits schafft sie es ja auch irgendwie, dass Primo immer macht, was sie will.

      „Danke, Asimov“, sagt er.

      „Keine Ursache. Für sinnlose, überflüssige und nervenraubende Tätigkeiten stehe ich jederzeit zur Verfügung.“ Damit stapft der Golem davon.

      „Du könntest mir mal helfen, Nanos Sachen wegzuräumen“, sagt Golina.

      „Du, das ist gerade schlecht“, sagt Primo. „Ich ... ich muss dringend noch einen Kontrollgang durchs Dorf machen. Immerhin bin ich der Dorfbeschützer, und ...“

      „Primo!“, sagt Golina und wirft ihm einen Blick zu, der jede weitere Widerrede im Keim erstickt.

      Seufzend geht er ins Haus, packt Primos Spielsachen und Kleidung und stopft sie in die große Truhe.

      Kaum ist er damit fertig, ist vor dem Haus Geschrei zu hören: „Lass mich los! Du tust mir weh!“

      Primo und Golina treten aus dem Haus und begegnen Birta, die den jammernden Nano am Kragen gepackt hält und hinter sich herzerrt. Sie sieht ziemlich zornig aus.

      „Was ist denn los, Birta?“, fragt Golina.

      „Euer Sohn kommt nicht nur zu spät zum Unterricht, er stört ihn auch und meint, statt aufzupassen müsse er lustige Streiche spielen!“, ruft Magolus’ Assistentin. „Und jetzt hat er auch noch ein Huhn in meiner Bücherkiste versteckt! Ich habe einen Riesenschreck bekommen, als ich sie aufklappte, um das Buch mit den Rechenaufgaben herauszuholen, und mir dieses gackernde Federvieh entgegensprang!“

      Primo kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er erinnert sich noch zu gut daran, wie er selbst einmal ein Huhn in Magolus’ Kiste versteckte, in der dieser das Heilige Buch aufbewahrte.

      „Findest du das etwa lustig, Primo?“, keift Birta.

      „Äh, nein, nein, überhaupt nicht!“

      „Schön! Dann wirst du Nano ja wohl hoffentlich angemessen bestrafen!“

      „Aber ich habe überhaupt nichts gemacht!“, protestiert Nano.

      „Jetzt lügt er auch noch, der freche Bengel!“, schimpft Birta.

      „Nun mal langsam, Birta“, sagt Primo. „Bloß, weil ein Huhn in deiner Kiste war, heißt das noch lange nicht, dass Nano es da reingetan haben muss.“

      „Hab ich auch nicht“, beteuert Nano.

      „Wie soll es denn sonst da reingekommen sein?“, fragt Birta. „Denkst du etwa, ich habe es in die Kiste gesteckt?“

      „Nein, äh, aber vielleicht ist es ja selber reingehüpft, als die Kiste gerade offen war und du nicht hingeguckt hast, und ...“

      „Das ist ja wohl die Höhe!“, ruft Birta. „Dein Sohn stört andauernd den Unterricht und spielt mir Streiche, und du verteidigst ihn auch noch! Kein Wunder, dass der Junge so ein Flegel ist, wenn er so ein schlechtes Vorbild hat.“

      „He, Moment mal! Was willst du damit sagen?“

      „Glaubst du, ich weiß nicht mehr, wie du selber mal ein Huhn in der Kiste unseres Obersten Hohepriesters von Allen versteckt hast? Und dann diese ganzen unsinnigen Abenteuer, die du ständig anzettelst. Kein Wunder, dass der Junge nichts als Flausen im Kopf hat. Und ich muss sie ihm dann wieder austreiben!“

      „Ich will aber nicht, dass du mir meine Flausen austreibst!“, ruft Nano. „Ich will sie behalten!“

      „Es reicht jetzt, Birta!“, mischt sich Golina ein. „Primo ist unser Dorfbeschützer. Er hat mehr als einmal sein Leben riskiert, um uns vor Gefahren zu retten – auch dich. Du solltest ihm dankbar sein!“

      „Pah! Wenn Primo nicht dauernd auf Abenteuer aus wäre, würden wir gar nicht in solche Gefahren geraten! Wer war es denn, der in den Wald gestapft ist und dafür gesorgt hat, dass der arme Kolle von einem Nachtwandler gebissen wurde? Wer ist in den Nether gegangen und hat das vermaledeite Drachenei mitgebracht? Wer musste sich unbedingt mit dem Enderman Artrax anlegen und dessen Zorn über unser Dorf bringen, so dass es komplett zerstört wurde? Wer hat eine Hexe hier angeschleppt, die nichts als Unsinn macht und ein riesiges Schleimmonster auf uns loslässt? An allem ist bloß unser großartiger Dorfbeschützer schuld!“

      „Verschwinde jetzt, Birta!“, sagt Golina in einem Tonfall, der Pauls Knurren beim Anblick eines Nachtwandlers ähnelt.

      Birta klappt den Mund auf und zu, als wisse sie nicht, was sie darauf antworten soll.

      „Das ... das wird ein Nachspiel haben!“, sagt sie, dreht sich um und stakst mit steifen Schritten davon.

      „Und jetzt zu dir, mein lieber Freund!“, sagt Golina, packt Nano und zerrt ihn ins Haus. „Du hast eine Woche lang Hausarrest! Und glaub bloß nicht, dass du in nächster Zeit Kuchen bekommst!“

      „Aber ... aber das ist total ungerecht! Ich habe gar nichts gemacht!“, hört Primo seinen Sohn heulen, während er immer noch vor dem Haus steht und Birta nachschaut, die erhobenen Hauptes die Straße entlang schreitet.

      Die Gehilfin des Priesters ist ohne Zweifel eine anstrengende Person und man darf sie nicht allzu ernst nehmen. Doch ihre Worte nagen an Primo. Denn tief in seinem Inneren weiß er, dass sie recht hat: Der meiste Ärger, den er als Dorfbeschützer oft nur in letzter Sekunde vom Dorf abwenden konnte, wäre ohne ihn gar nicht erst entstanden.

      3. Das verschwundene Buch

      Der Rest des Tages verläuft ereignislos, wenn man davon absieht, dass Nano die ganze Zeit jammert, weil er nicht draußen spielen darf und sich ungerecht behandelt fühlt. Doch schon am nächsten Tag bahnt sich neuer Ärger an. Während Primo, Golina und Nano noch beim Frühstück sitzen, klopft es an der Tür. Als Primo öffnet, blickt er überrascht in die finsteren Mienen von Magolus und Birta.

      „Wo ist das Buch?“, fragt die Gehilfin des Priesters.

      „Welches Buch?“, fragt Primo.

      „Welches Buch wohl? Das Heilige Buch natürlich!“

      „Woher soll ich das wissen?“

      „Jemand hat es entwendet!“, sagt Magolus. „Gestern Abend hatte ich es noch, doch heute Morgen ist es spurlos verschwunden.“

      „Und was habe ich damit zu tun?“

      „Wir haben Grund zu der Annahme, dass dein ungezogener Sohn das Buch gestohlen hat, um sich an mir zu rächen“, behauptet Birta.

      „Was? Das ist doch Unsinn! Nano war gestern den ganzen Tag zu Hause.“

      „Vielleicht hat er sich ja heute Nacht aus dem Haus geschlichen.“

      „Hab ich gar nicht“, widerspricht Nano. „Und außerdem, was soll ich denn mit einem Buch? Bücher sind langweilig, erst recht, wenn sie heilig sind!“

      „Bevor du hier irgendwelche grundlosen Beschuldigungen aussprichst, Birta, solltest du vielleicht mal gründlich in der Kirche suchen“, mischt sich Golina ein. „Nano mag ja manchmal ungehorsam sein, aber das Heilige Buch hat er ganz bestimmt nicht gestohlen!“

      „Ach nein? Wer denn dann?“

      „Das werden wir schon noch rausfinden“, sagt Primo. „Falls es nicht doch in der Kirche ist, wie Golina sagt.“

      „Magolus und ich haben alles abgesucht. Aber schön, wenn ihr glaubt, dass ihr es besser könnt, dann könnt ihr ja selber suchen.“

      „Das machen wir auch“, sagt Primo.

      Gemeinsam mit Golina und Nano, den sie lieber nicht alleine zu Hause lassen wollen, marschiert er hinter Magolus und Birta her zur Kirche. Paul begleitet ihn ebenfalls.

      Doch als sie die Kirche betreten, sagt Magolus: „Der Wolf bleibt draußen!“

      „Aber