zu trinken und sich zu ärgern, so daß sie nach keiner Abwechslung mehr fragten und mit eifrigem Nachdruck die Dinge wiederholten, die sie in den letzten zwölf Monaten schon bei jeder Gelegenheit gesagt hatten? Gewiß gab es unter diesen dicken und beschränkten Leuten einige, die – Dank ihrer angeborenen Herzensgüte – selbst in der Ausschweifung nicht brutal wurden, einige, die, als ihre Wangen noch jugendfrisch waren, den scharfen Stachel des Schmerzes oder der Reue empfunden, oder unbedachtsam ihre Glieder in Fesseln gelegt hatten; von denen nachher kein Zerren sie lösen konnte, und in diesen traurigen Verhältnissen, die uns allen gemein sind, fanden ihre Gedanken keinen Ruheplatz außerhalb des ausgetretenen Kreises ihrer eigenen kleinlichen Geschichte.
Das wenigstens war die Lage von Gottfried Cass in seinem sechsundzwanzigsten Jahre. Ein Anflug von Reue, zusammen mit der Gefügigkeit einer bestimmbaren Natur gegen alle persönlichen Einflüsse hatte ihn zu einer heimlichen Ehe getrieben, die ihm das Leben verbitterte. Es war eine häßliche Geschichte von gemeiner Leidenschaft, Täuschung und Enttäuschung, die wir nicht aus der Verborgenheit seiner bitteren Erinnerungen ans Licht ziehen wollen. Nicht lange nachher hatte er entdeckt, die Täuschung habe zum Teil daher gerührt, daß Dunstan, welcher in der Mißheirat seines Bruders das Mittel sah, zugleich seinen eifersüchtigen Haß und seine Habgier zu befriedigen, ihm eine Falle gelegt hatte. Indes, hätte Gottfried sich lediglich als ein Opfer ansehen können, so wäre das eiserne Gebiß, welches das Geschick ihm in den Mund gelegt, ihm nicht so unerträglich gewesen. Wenn die Flüche, die er halblaut murmelte, so oft er allein war, nur gegen Dunstans teuflische Hinterlist gegangen wären, so hätte er sich vielleicht vor den Folgen eines Geständnisses weniger gefürchtet. Aber er mußte noch etwas anderem fluchen – seiner eigenen sündhaften Torheit, die ihm jetzt so toll und unverantwortlich schien, wie fast alle unsere Torheiten und Laster, wenn sie hinter uns liegen. Vier Jahre hatte er auf Nancy Lammeter gehofft und mit stiller geduldiger Verehrung um sie geworben; der Gedanke an sie erheiterte und verschönte ihm die Zukunft; er hoffte, sie solle seine Frau werden und es ihm daheim so reizend machen, wie seines Vaters Haus nie gewesen, und in ihrer steten Nähe würde es ihm leicht werden, die Narrheiten abzuschütteln, die keine Freuden waren, sondern nur eine fieberhafte Art, die leere Zeit auszufüllen. Gottfried war ein überwiegend häuslicher Mensch; in einem Hause aufgewachsen, wo der Herd kein Lächeln bot und das tägliche Leben nicht durch Ordnung geweiht war, verfiel er bei seinem leichten Temperament widerstandslos der Art dieses väterlichen Hauses, aber das Bedürfnis einer dauernden zärtlichen Neigung, das Verlangen nach einer fremden Einwirkung, die ihm das Streben nach dem Guten erleichtere, ließ ihm die Nettigkeit, Reinheit und behagliche Ordnung des Lammeterschen Hauses, welches sich in Nancys Lächeln sonnte, so schön erscheinen, wie die frischen herrlichen Morgenstunden, wo die Versuchungen schlafen gehen und das Ohr ganz der Stimme des guten Engels überlassen, die zum Fleiß, zur Besonnenheit und zum Frieden einladet. Und doch hatte selbst die Hoffnung auf dies Paradies ihn nicht von einem Schritte abzuhalten vermocht, der ihn für immer davon ausschloß. Statt sich fest an das starke seidene Tau zu halten, woran ihn Nancy gewiß auf das grüne sichere Ufer gezogen hätte, hatte er sich hinabreißen lassen in Schlamm und Schmutz, aus dem er nicht wieder empor kommen konnte. Er hatte sich in ein Verhältnis gegeben, welches ihm jeden guten Trieb entzog und ihn immer mehr erbitterte.
Indes eine Lage gab es, die war noch schlimmer als die gegenwärtige; das war die, wenn das häßliche Geheimnis an den Tag käme, und über jede andere Empfindung siegte fortwährend das Verlangen, den Unglückstag hinauszuschieben, wo ihn die schwere Entrüstung seines Vaters treffen würde für die Wunde, die er dem Stolze der Familie versetzt, – wo er vielleicht der Hoffnung auf die reiche Erbschaft an Vermögen und Ehren den Rücken wenden müßte, um die es sich doch noch der Mühe verlohnte zu leben, und mit sich nehmen müßte die Gewißheit, aus Nancys Augen und aus Nancys Achtung für immer verbannt zu sein. Je länger die Frist, desto mehr Aussicht hatte er, wenigstens von einer der schrecklichsten Folgen bewahrt zu bleiben, denen er sich selbst preisgegeben hatte, desto häufiger durfte er auf die Freude hoffen, Nancy zu sehen und ihr wieder einige Zeichen ihrer Achtung abzugewinnen. Nach dieser Freude trieb es ihn ab und zu, wenn er sie wochenlang vermieden hatte als den fernen, fernen glänzenden Preis, nach dem er jetzt nur noch die Hände ausstreckte, um desto schmerzhafter die Kette zu fühlen, die ihn zurückhielt. Ein solcher Anfall von Sehnsucht hatte ihn heute gepackt, und das wäre allein hinreichend gewesen, lieber sein Pferd dem Bruder anzuvertrauen, als auf die Freuden des kommenden Tages zu verzichten; aber er hatte noch einen andern Grund zur Abneigung, die Jagd am andern Tage mitzumachen. Sie sollte nämlich nahe bei Batherley stattfinden, dem Marktflecken, wo das unglückliche Weib lebte, dessen Bild ihm täglich verhaßter wurde, und der bloße Gedanke an sie verleidete ihm die ganze Gegend. Wenn ein Mensch sich durch eigenes Unrecht ins Joch bringt, so erzeugt das Haß auch in der liebevollsten Natur, und der gutmütige, herzliche Gottfried Cass wurde immer verbitterter, und grausame Wünsche suchten ihn heim, die zu kommen, zu gehen und wiederzukommen schienen, gleich Dämonen, die in seinem Innern eine bereite Stätte gefunden.
Wie sollte er heute Abend seine Zeit verbringen? Am besten ging er wohl ins Wirtshaus und hörte vom Hahnenkampf sprechen; alle Leute waren da versammelt und was sollte er sonst vornehmen, obschon er sich aus dem Hahnenkampf nicht viel machte. Der braune Wachtelhund, der sich vor ihn hingesetzt und ihn einige Zeit beobachtet hatte, sprang jetzt ungeduldig an ihm auf, um die lang erwartete Liebkosung zu erhalten, aber Gottfried wehrte ihn von sich ab, ohne ihn anzusehen, und verließ das Zimmer – das Hündchen ruhig hinter ihm her; es trug ihm nichts nach.
Vierter Abschnitt
Am andern Morgen ritt Dunstan früh aus. Sein Weg führte ihn an dem Steinbruch vorbei, wo die Hütte stand, welche früher das Obdach eines Steinhauers, jetzt seit fünfzehn Jahren von Silas Marner bewohnt wurde. Die Stelle sah um diese Zeit recht trübselig aus; ringsum lag nasser zertretener Lehm und in dem verlassenen Steinbruch stand hoch das rote schmutzige Wasser. Das war Dunstans erster Gedanke, als er nahe herankäm; sein zweiter war, der alte Narr von einem Weber, den er schon an der Arbeit klappern hörte, müsse irgendwo ein hübsch Stück Geld versteckt haben. Wie kam es, daß er, Dunstan Cass, so oft er auch von Marners Sparsamkeit hatte reden hören, nie daran gedacht hatte, Gottfried zu überreden, er solle doch – auf die ausgezeichnete Sicherheit seiner Aussichten für die Zukunft – von dem alten Kerl durch Drohung oder Überredung Geld zu borgen suchen? Da überdies Marners Schatz wahrscheinlich groß genug war, daß Gottfried noch eine hübsche Summe mehr bekäme, als er unmittelbar gebrauchte, und auch seinem treuen Bruder etwas abgeben könne, so erschien ihm dieser Ausweg so leicht und bequem, daß er schon daran dachte, wieder nach Haus zurückzukehren; denn Gottfried ginge sicher gern auf einen Plan ein, bei dem er Feuerbrand behalten könnte. Aber als Dunstan mit seiner Überlegung soweit gekommen war, wurde die Neigung, auf die Jagd zu reiten, wieder mächtig und überwog endlich. Die Freude sollte sein Bruder nicht haben; Musjö Gottfried sollte sich ärgern. Zudem freute sich Dunstan der Wichtigkeit, die ihm der Verkauf eines Pferdes gab, und der Gelegenheit, einen Handel zu machen, zu renommieren und möglicherweise jemand zu übervorteilen. Auch konnte er ja sowohl die Genugtuung haben, seines Bruders Pferd zu verkaufen, als auch die andere, daß er Gottfried dahin brächte, von Marner zu borgen. So ritt er denn weiter nach der verabredeten Stelle, wo die Jagd beginnen sollte.
Bryce und Keating waren richtig da, wie er erwartet hatte; er hatte ja immer Glück.
»Halloh«, rief Bryce, der schon lange ein Auge auf Feuerbrand hatte, »Sie reiten ja Ihres Bruders Pferd; wie geht das zu?«
»O, ich hab’ mit ihm getauscht«, antwortete Dunstan, dem die Freude am Lügen, auch wo es nichts nützte, nicht dadurch verkümmert wurde, daß der andere ihm wahrscheinlich nicht glaubte, – »Feuerbrand gehört jetzt mir.«
»Wie? Hat er mit Ihnen getauscht gegen Ihre alte Kracke?« sagte Bryce, vollständig gefaßt auf eine zweite Lüge.
»O, wir standen ein bißchen in Rechnung«, warf Dunstan leicht hin, »und die glichen wir durch Feuerbrand aus. Ich habe das Pferd bloß ihm zu Gefallen genommen, sehr gegen meinen Wunsch; ich hatte Lust zu ’nem ganz andern Pferde, einem wahren Prachttiere, wie Ihr je eins geritten. Aber nun ich’n mal habe, will ich Feuerbrand auch behalten, obschon mir schon hundertfünfzig Pfund dafür geboten sind, von einem Pferdehändler, der für Lord Cromleck aufkauft; Ihr