George Eliot

Silas Marner


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woran ich dachte, hat mehr Rasse, aber es ist ein bißchen schwach im Kreuz.«

      Natürlich erriet Bryce, Dunstan wolle das Pferd verkaufen, und Dunstan wußte, daß er es erriet (Pferdehandel nämlich ist eins von den vielen Dingen im Menschenleben, die auf diese sinnreiche Weise betrieben werden), und beide erachteten das Geschäft für eröffnet, als Bryce spöttisch antwortete:

      »Das wundert mich, wirklich es wundert mich, daß Sie’n behalten wollen; ich hab’ noch nie von jemanden gehört, der nicht sein Pferd verkaufte, wenn ihm die Hälfte mehr dafür geboten wurde, als es wert war. Mit hundert Pfund wären Sie auch zufrieden.«

      Jetzt ritt auch Keating heran und die Verhandlung wurde lebhaft; sie schloß damit, das Bryce das Pferd für hundertundzwanzig Pfund kaufte, die sofort ausbezahlt werden sollten, wenn Feuerbrand wohlbehalten in Batherley abgeliefert sei. Das verständigste wäre nun gewesen, wenn Dunsey auf die Jagd verzichtet hätte, sofort nach Batherley geritten wäre, dort auf Bryce gewartet und sich ein Pferd gemietet hätte, um mit dem Gelde in der Tasche wieder nach Haus zu reiten; aber die Neigung zu einem tüchtigen Ritt, das Vertrauen auf sein gutes Glück und ein tüchtiger Schluck aus der Jagdtasche beim Abschluß des Handels trieben ihn um so mehr zu einem andern Entschlusse, als er ein Pferd ritt, welches alle Hindernisse zu allgemeiner Bewunderung nehmen würde. Indes, Dunstan nahm ein Hindernis zu viel und sein Pferd rannte sich auf. Er selbst, der leider Unverkäufliche, kam glücklich davon, aber der arme Feuerbrand wälzte sich ohne Bewußtsein von seinem Wert am Boden, wo er jämmerlich verendete. Kurz vorher hatte Dunstan absteigen müssen, um etwas am Sattelzeug in Ordnung zu bringen, und diese Unterbrechung, die ihn grade im Augenblicke der Entscheidung in den Nachtrab brachte, hatte ihn so wütend gemacht, daß er toll auf alle Hindernisse losgeritten war. Bald würde er die Hunde wieder eingeholt haben, als das unglückliche Ereignis eintrat, und so fand er sich ziemlich in der Mitte zwischen den Reitern an der Spitze, die sich nicht darum kümmerten, was hinter ihnen vorging, und zwischen den weit zerstreuten Nachzüglern, die an der Stelle, wo sein Pferd gestürzt war, ebensogut nahe vorbeikommen konnten wie weit ab. Dunstan, der sich überhaupt mehr aus augenblicklichen Unbequemlichkeiten machte als aus den entfernteren Folgen, war nicht sobald wieder auf den Beinen und erkannte, daß es mit Feuerbrand zu Ende sei, als er eine gewisse Befriedigung darüber empfand, daß ihn niemand in dieser Lage sehe, an der kein Renommieren etwas bessern konnte. Nachdem er sich auf den ersten Schreck mit etwas Branntwein und viel Fluchen gestärkt hatte, trat er in ein nahe gelegenes Gebüsch, durch welches er unbemerkt von den Jägern nach Batherley zu kommen dachte. Sein erster Gedanke war, er wolle dort ein Pferd mieten und sofort nach Haus reiten, denn einige Stunden weit, ohne eine Flinte im Arm auf einer offenen Landstraße zu gehen, war für ihn ebenso außer Frage, wie für jeden andern feurigen jungen Mann seines Schlages. Daß er Gottfried eine so schlimme Nachricht bringe, kümmerte ihn nicht sehr, da er ihm ja zu gleicher Zeit den Ausweg eröffnen konnte, von Marner zu borgen, und wenn Gottfried bei dem Gedanken an neues Schuldenmachen wild werden sollte, wie das seine Art war – nun, das ging vorüber; Dunstan war sicher, er könnte Gottfried zu allem bringen. Der Gedanke an Marners Schatz wurde immer mächtiger in ihm, für je dringender er das sofortige Bedürfnis erkannte; die Aussicht, in dem schmutzigen Aufzuge eines Fußgängers in Batherley erscheinen und sich den spöttischen Fragen von Wirt und Stallknechten aussetzen zu müssen, war ein böses Hindernis für sein ungeduldiges Verlangen, so rasch wie möglich wieder in Raveloe zu sein und seinen glücklichen Plan auszuführen, und als er in Gedanken zufällig in der Westentasche herumfühlte, machte er die niederschlagende Entdeckung, die paar kleinen Münzen, die sich da vorfanden, seien von einer zu bleichen Farbe, um den Pferdeverleiher zu befriedigen, der schon längst erklärt hatte, mit Musjö Dunsey handle er nur noch gegen bar. Auch fand er, daß die Jagd ihn ziemlich ebenso nahe bei Haus gebracht habe als bei Batherley, und endlich bestimmte ihn noch ein anderer Grund zu dem unerhörten Entschluß, zu Fuß nach Haus zu gehen. Es war nämlich beinahe vier Uhr und ein starker Nebel zog herauf; je eher er die Straße erreichte, desto besser. Wie er sich erinnerte, war er kurz vor seinem Sturze an dem Wegweiser vorbeigekommen, und so knöpfte er sich den Rock zu, wickelte das Peitschenende fest um den Griff, schlug sich wohlgefällig damit ans Bein, als wolle er sich selbst weiß machen, die Sache sei ihm eigentlich ganz recht, und machte sich mit dem Gefühl auf die Wanderung, er unterziehe sich einer beispiellosen körperlichen Anstrengung, die er bei Gelegenheit mit den nötigen Übertreibungen einem auserlesenen Kreise im Regenbogen zum Besten geben wolle. Wenn ein junger Herr wie Dunsey in eine so außergewöhnliche Lage gebracht ist, zu Fuß gehen zu müssen, so ist eine Reitpeitsche in der Hand ein erwünschtes Mittel, um den bedenklichen Eindruck einer solchen Lage etwas zu mildern, und indem Dunstan durch den immer dichter werdenden Nebel hindurchschritt, schlug er immer mit seiner Peitsche irgendwo gegen. Die Peitsche gehörte Gottfried; er hatte sie sich ohne weitere Erlaubnis genommen, weil sie einen goldenen Griff hatte; natürlich konnte niemand sehen, wenn er sie in der Hand hielt, daß Gottfrieds Name darauf stand; man sah dann nur, es sei eine hübsche Peitsche. Dunsey war nicht ohne Besorgnis, er könne doch einem Bekannten begegnen, in dessen Augen er eine klägliche Figur spielen würde, denn der Nebel schützt nicht, wenn zwei Leute sich nahe begegnen; aber als er sich endlich in den wohlbekannten Wegen der Raveloeer Feldmark befand, ohne einer Menschenseele begegnet zu sein, sagte er sich, das beweise doch wieder, er sei ein rechter Glückskerl. Inzwischen war es bei dem Nebel und der hereinbrechenden Nacht dunkler geworden, als ihm lieb war; der Nebel verdeckte die Geleise, in die seine Füße einsinken konnten, verdeckte alles und jedes, so daß er seinen Weg mit der Peitsche an den Hecken entlang fühlen mußte. Bald, meinte er, müsse er an der Steingrube sein; an der Lücke in den Hecken hoffte er das zu erkennen. Er erkannte es indes an etwas anderem, unerwartetem, nämlich an einem Lichtschein, der, wie er sofort vermutete, aus Silas Marners Hütte kam. Diese Hütte und das Geld, welches er darin verborgen glaubte, hatten ihm auf seinem Gange unaufhörlich im Sinne gelegen, und er hatte sich schon ausgedacht, wie er den Weber durch allerlei Schmeichelkünste verlocken wolle, gegen die Aussicht auf Zinsen sein Geld herzugeben. Es schien ihm, ein bißchen Drohung könne auch nicht schaden, denn seine eigenen arithmetischen Anschauungen waren nicht grade so klar, um ihm einen überzeugenden Beweis für die Vorteile des Zinsnehmens an die Hand zu geben, und was Sicherheit angeht, so hatte er davon den unbestimmten Begriff, es sei ein Mittel, jemanden zu betrügen, indem man ihm einrede, er bekomme sein Geld wieder. Alles in allem war der Kriegsplan gegen den Geizhals der Art, daß ihn Gottfried gewiß seinem kühneren und listigeren Bruder überließ, darauf war Dunsey schon gefaßt, und um die Zeit, wo er den Lichtschein durch die Ritzen von Marners Läden blinken sah, war ihm der Gedanke eines Gesprächs mit dem Weber bereits so geläufig geworden, daß es ihm durchaus in Ordnung schien, die Bekanntschaft sofort zu machen. Das konnte mehr als einen Vorteil haben; der Weber hatte vermutlich eine Laterne, und Dunstan war es müde, seinen Weg im Dunkeln zu fühlen. Er war noch eine Viertelstunde von Haus und der Weg wurde unangenehm schlüpfrig, da der Nebel allmählich in Regen umgeschlagen war. Vorsichtig mit dem Griff seiner Peitsche vor sich herfühlend, stieg er die Anhöhe hinan und gelangte glücklich an die Tür. Er klopfte laut und freute sich bei dem Gedanken, wie der alte Mann bei dem plötzlichen Geräusch erschrecken würde. Keine Antwort, nichts rührte sich, in der Hütte war alles still. War der Weber schon zu Bett? Und wenn das, warum ließ er Licht brennen? Für einen Geizhals eine merkwürdige Vergeßlichkeit. Dunstan klopfte noch einmal und lauter an und steckte, ohne eine Antwort abzuwarten, seine Finger durch das Loch unter der Klinke, um die Tür zu schütteln und mit der Klinke zu klappern, indem er nicht zweifelte, die Tür sei von innen verriegelt. Aber zu seiner Überraschung ging die Tür bei dieser Bewegung auf und er fand sich vor einem hellen Feuer, welches jeden Winkel in der Hütte erleuchtete – das Bett, den Webstuhl, die drei Stühle und den Tisch und – nur den Bewohner selbst nicht, denn Marner war nicht da.

      Einladenderes hätte es in dem Augenblick kaum für Dunsey geben können, als das helle Feuer auf dem Herde; er trat ein und ließ sich sofort dabei nieder. Vor dem Feuer hing etwas, was für seinen Hunger ebenso einladend gewesen wäre, wenn es einen weiteren Grad der Zubereitung erreicht gehabt hätte; es war ein kleines Stück Schweinefleisch, welches von dem Kesselhaken an einer langen Schnur herunterhing, die sich durch eine einfache Vorrichtung hin und her drehte. Aber die Schnur war am äußersten Ende des Hakens befestigt, augenscheinlich, damit das Fleisch während der Abwesenheit des Eigentümers nicht zu rasch briete. Der alte Einfaltspinsel mit den starren Augen