Gras und gar keine Blümchen. Nur ein paar alte rote Ziegelsteine liegen an dem zerbrochenen Zaun. Die haben die Arbeiter liegen gelassen, als sie neulich etwas an dem Hause ausbesserten. Aber man darf in das Gärtchen hinein – und das ist die Hauptsache. Man kann dort auch toben, soviel man will. Wenn nicht etwa die alte nervöse Dame auf der Galerie sitzt. Die »Lehmfrau« nennt Bubi sie. Sie heißt zwar Lehmann. Aber da sie gar keinen Mann mehr hat, muß sie doch die Lehmfrau sein. Meistens sitzt die alte Dame aber vorn auf dem Balkon. Weil da die Sonne wärmer scheint.
Das Gärtchen hinter dem Hause hat auch noch andere Vorzüge. Niedliche Putthühnerchen gibt es da. Freilich laufen sie nicht dort umher. Sonst würden sie durch den zerbrochenen Zaun bald Reißaus nehmen. Sie wohnen hinter einem Drahtgitter und haben immer eine große Freude, wenn Bubi und Mädi ihnen ein bißchen die Zeit vertreiben. Denn bloß immer Eier legen, das ist schließlich langweilig.
Bubi und Mädi sorgen für Abwechslung. Sie füttern die Hühner mit Brotstückchen. Manchmal führen sie sie auch an und werfen ihnen kleine Steinchen hinein. Dann werden die Hühner böse und hacken mit den Schnäbeln nach ihren Fingerchen. Der Hahn aber wird ganz rot im Gesicht und schreit wütend: »Kikeriki!« Das heißt in der Hühnersprache: »So 'ne Frechheit!«
Zeck spielt Bubi ganz besonders gern mit den Hühnern. Allerdings ist er immer derjenige, der dran ist und sie jagt. Er wirft ein großes Stück Holz gegen das Drahtgitter, da bekommen die Hühner einen Schreck und flattern ängstlich auf. Nein, wie freut sich Bubi dann. Mädi aber tun die armen Hühnerchen leid.
Der Herr Verwalter, dem die Hühner gehören, und der beinahe soviel ist wie der Wirt, freut sich auch nicht, wenn Bubi seine Hühner jagt. Er nimmt Bubi bei den Ohren und sagt, wenn er seine Hühner nicht in Ruhe läßt, hänge er ihn mit den Ohren oben an dem Wetterhahn auf.
Der Wetterhahn wohnt hoch oben auf dem Dache. Er kann nicht »Kikeriki« machen, und er hat auch nicht so schöne Federn wie der Hahn unten im Gärtchen. Er ist aus Eisen. Aber er ist viel klüger. Er weiß stets ganz genau, woher der Wind weht. Bubi hat große Angst davor, daß der Herr Verwalter ihn mit den Ohren an den eisernen Wetterhahn hängt. Er jagt die Hühner jetzt nie mehr – wenn der Herr Verwalter zu Hause ist.
Noch etwas Schönes gibt es in dem Gärtchen hinter dem Hause, was das Vordergärtchen trotz all seiner Rosen nicht besitzt. Das ist die große Pumpe. Die quiekt wunderschön, wenn man den Brunnenschwengel in Bewegung setzt. Bubi und Mädi nennen ihn »Anhänger«. Denn sie müssen sich immer alle beide daran anhängen, weil er so schwer zu bewegen ist. Die Pumpe ist die allerbeste Freundin der Kinder im Gärtchen. Sie kann aus ihrem eisernen langen Schnabel so schön mundspülen, wie Bubi und Mädi des Morgens. Und dabei macht sie noch Musik.
Natürlich ist es verboten, am Brunnen zu panschen. Komisch, daß alles, was einem Spaß macht, meistens verboten ist. Darüber wundert sich Bubi oft.
Die beiden Kinder sind auch gehorsam und panschen nicht. Wenigstens vorläufig nicht. Vorläufig bauen sie aus den Ziegelsteinen, die da herumliegen, eine Straße mit einem Haus, in dem ihre kleine Omama wohnen soll. Und weil die kleine Omama kein Gärtchen hat, pflanzt Mädi geschwind aus Gras eins um das Ziegelsteinhäuschen herum. In der Mitte ist ein Weg; da kann die kleine Omama spazierengehen.
Elschen, die kleiner ist als Puppe Lilli, wird als kleine Omama mitten auf den Weg vor das neue Haus gesetzt. Sie ist zwar immer noch ein ganzes Ende größer als ihr neues Häuschen. Aber das macht nichts. Sie kann ja durch den Eingang hineinkriechen. Sie denkt aber gar nicht daran. Sie ist froh, daß sie im warmen Sonnenschein sitzen kann. Denn ihre Sachen sind noch von gestern feucht. Sie hat auch die ganze Nacht gehustet. Hätte Mädi nicht so fest geschlafen, würde sie es bestimmt gehört haben.
Herrn Nauke mit der Pauke ernennt Bubi zum Verwalter des neuen Hauses. Darauf ist Nauke sehr stolz. Natürlich muß das Haus nun auch einen Wetterhahn bekommen. Damit der Herr Verwalter kleine Jungs, welche die Hühner jagen, mit den Ohren daran aufhängen kann. Ein alter verrosteter Nagel, der so freundlich ist, irgendwo herumzuliegen, gibt einen prächtigen Wetterhahn ab.
So – nun ist alles fertig.
»Wir müssen unser Gärtchen begieschen, Bubi. Sieh bloß mal, was für'n groschen Durst das arme Gras hat.« Mädi sieht betrübt auf das ausgeraufte Gras, das in der Tat ziemlich welk aussieht. »Aber wir dürfen ja nicht panschen.«
»Begießt is nich gepanst«, überlegt Bubi. Und dann läuft er auch schon zur Pumpe und hängt sich an den Schwengel. Aber seine Ärmchen sind zu schwach, trotzdem er schon puterrot im Gesicht vor Anstrengung ist.
»Mädi, bitte ßön, komm ßnell mit angehängt. Der olle Anhänger wartet bloß auf dir.«
Die Pumpe möchte Bubi gern sagen, daß es »wartet nur auf dich«, und nicht »auf dir« heißt. Aber da muß sie auch schon Wasser spucken, anstatt zu sprechen. Denn Mädi hängt bereits ebenfalls an ihrem »Anhänger«. Den vereinten Kräften der beiden kleinen Zwillinge kann sie nicht mehr widerstehen.
Plansch – ein silberner Wasserstrahl braust hernieder, zersprüht in viele kleine Tröpfchen und spritzt Bubi und Mädi naß. Das ist die Strafe, weil sie etwas Unerlaubtes tun. Aber die kleinen Zwillinge lachen und jauchzen und merken gar nicht, daß ihre Freundin, die Pumpe, ärgerlich auf sie ist.
Hurra – da liegt eine alte Konservenbüchse. Die hat gewiß die Minna oben oder die Mathilde unten aus dem Küchenfenster geworfen.
»Eine feine Gieschkanne, Bubi!« Mädi hält sie bereits der Pumpe an den langen Schnabel. Die spuckt noch viel ärgerlicher ihr Wasser hinein und macht Mädi von Kopf bis Fuß naß.
»Naß« – sagt Mädi und schüttelt sich. Sie weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll.
»Szad' niß, Mädi!« Wenn Bubi meint, daß es nichts schadet, sieht Mädi keinen Grund mehr, zu weinen. Bubi muß es wissen, er ist der ältere.
Über das Gärtchen der kleinen Omama ergießt sich plötzlich ein Sturzbach. Armes Elschen! Eben haben die warmen Sonnenstrahlen es erst ein bißchen getrocknet, und nun sitzt es zitternd da, wie bei einem Wolkenbruch. Hätte ihm Mädi doch bloß das rosa Schirmchen aufgespannt. Na, wenn es sich heute nicht die Lungenentzündung holt, heißt es Mops und nicht Elschen. So denkt die Puppe. Sie schüttelt sich vor Nässe, wie es vorhin Mädi getan.
Bubi ist stets für gründliche Arbeit. Er hat bereits die zweite Gießkanne über das neue Haus herabbrausen lassen.
»Du – die kleine Omama is weggeschwimmt«, ruft Mädi erschreckt.
»Is se ßon versauft?« Bubi betrachtet mit Teilnahme Puppe Elschen, die hilflos auf dem Bauch liegt und alle viere von sich streckt.
Der Herr Verwalter Nauke mit der Pauke macht ein höchst unzufriedenes Gesicht, daß man solche Überschwemmung in dem neuen Hause verursacht. Am liebsten würde er Bubi und Mädi an dem Wetterhahn mit den Ohren anhängen.
In Mädi erwachen jetzt doch Muttergefühle. Sie angelt ihr Kind aus dem Erdschlamm auf. O weh, wie sieht Elschens hübsches rotes Kleid aus. Ganz braunfleckig. Auch die verbeulte Nase ist rabenschwarz von der nassen Erde.
Mädi fängt an zu weinen. Frau Annchen wird gewiß schimpfen.
»Wein' man nich, mein Mädi. Halt se man bloß in die Pumpe rein. Denn wird se ßön sauber!« tröstet Bubi sein Schwesterchen.
»Erlaubt das Frau Annchen?« Mädi kommt die Geschichte doch etwas zweifelhaft vor.
»Die wäßt doch oben«, überredet sie Bubi.
»Und wenn Elschen wieder schön sauber is, denn kann sich Frau Annchen freuen.« Mädi überredet sich jetzt selber.
O Gott, wie zittert die arme Puppe an allen Gliedern. Sie wehrt sich. Sie sträubt sich. Sie strampelt aus Leibeskräften mit Armen und Beinen. Sie ruft Lilli und Fifi, Nauke, Schnuteken und den Hampelmann zu Hilfe.
Vergebens.
»So, mein Elschen, jetscht geht's unter die grosche Brause«, sagt Mädi noch ganz freundlich zu ihr. »Wein man nich – Mutti läscht nich ertrinken.