Hans Pürstner

Reich ins Heim


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      Bei ihr hatte er zur Untermiete gewohnt, bis sich daraus eine heftige Beziehung entwickelte, die danach aber etwas abrupt zu Ende gegangen war.

      All dies ging ihm durch den Kopf, während er auf den Bahnhofsvorplatz trat und sich nach einem Taxi umsah.

       Die sind ja alle schwarz, genau wie in London,

      sinnierte er vor sich hin.

      Nur handelte es sich überwiegend um Modelle von Mercedes, die zwar moderner als die typischen Londoner Taxis, aber wohl gewiss nicht so praktisch sein würden.

      Als er zuletzt hier gewesen war, wurde das Transportproblem noch fast ausschließlich von britischen Militärfahrzeugen gelöst, während die Einwohner der Stadt zu Fuß oder per Fahrrad unterwegs waren. Und jetzt war da die Straßenbahn, moderne Triebwagen, nicht mehr diese klapprigen Waggons, die den Krieg überlebt hatten und so aussahen, als wären sie in ihrer Anfangszeit noch von zwei Pferden gezogen worden.

      Worthington verspürte große Lust, statt in ein Taxi in die Trambahn zu steigen, aber da er nicht wusste, wie er ins Parkhotel kommen sollte, in dem er sich ein Zimmer hatte reservieren lassen, stieg er doch lieber in eine der bereitstehenden Droschken. Er nannte dem Fahrer das Ziel Parkhotel, lehnte sich entspannt zurück und schaute durch das Fenster nach draußen, begierig darauf, irgendetwas zu entdecken, was den Hort seiner Erinnerungen noch nicht verlassen hatte. Sooft er ein neues Gebäude erspähte, beugte er sich nach vorne, um den Fahrer danach zu fragen.

      Natürlich probierte er sogleich seine alten Deutschkenntnisse aus, schon um dem Fahrer zu zeigen, dass er sich hier auskannte. Denn die alte Dame im Zug hatte ihm erzählt, dass englisch sprechende Touristen automatisch als Amerikaner und damit als Millionäre eingestuft würden, die es auszunehmen galt.

      “Na, Mister, kumman´s aus England oder Amerika?” antwortete der Taxifahrer nichtsdestotrotz, Worthingtons Akzent ließ sich eben doch nicht so ganz verbergen.

      Leise seufzend stillte er dessen Wissensdurst, worauf der Taxifahrer meinte:

      “Eure Fußballer gefallen mir, besonders der Georgie Best von Manchester United, mei, wenn wir nur auch solche Burschen hätten!”

      Etwas verschämt gestand er ihm, dass er von Fußball nicht allzu viel Ahnung hatte und seine Lieblingssportart Kricket wäre, was wiederum bei dem Fahrer nur ein mitleidiges Kopfschütteln auslöste.

      Bald hatten sie auch das Parkhotel erreicht und nachdem Worthington das Taxi bezahlt hatte, schnappte er sich den Koffer und ging an die Rezeption, während der Taxifahrer, enttäuscht über das ungewohnt magere Trinkgeld missbilligend den Kopf schüttelnd davonfuhr.

      2.Kapitel

      Der erste Tag in Graz begann mit einem ausgiebigen Frühstück in dem kleinen gemütlichen Speisesaal des Hotels. Eine junge Serviererin führte ihn freundlich lächelnd an seinen Tisch, an dem noch ein älteres Ehepaar aus Wien saß.

      Nachdem Worthington sich vorgestellt hatte, begann der Mann sofort, die kümmerlichen Reste seiner Schulenglischkenntnisse hervorzukramen und verwickelte ihn in ein Gespräch. Die Schulzeit des Herrn lag aber offensichtlich schon einige Zeit zurück, demnach war die Unterhaltung naturgemäß etwas anstrengend.

      Doch gutmütig wie er nun mal war wollte er den alten Herrschaften nicht die Freude verderben und so beantwortete er geduldig alle Fragen. Auch wenn er sich stark zusammenreißen musste, um nicht in Gelächter auszubrechen, wenn sein Gegenüber einen Satz wieder mal allzu wörtlich übersetzt hatte.

      Schließlich wurde ihm die Sache zu bunt und er antwortete auf Deutsch.

      Nun erkannte Herr Sedlacek, so hieß der Herr aus Wien, dass Worthington´s Deutsch doch bei weitem besser als sein eigenes Englisch war und schwieg betreten.

      Um die Konversation wieder in Gang zu bringen, fing Worthington an, über das österreichische Frühstück zu schwärmen

      „Schon seit Tagen habe ich mich darauf gefreut, mal wieder eine Semmel und ein Kipferl zu essen“, erzählte er frohgemut, „bestrichen mit Butter und dieser herrlichen Marillenmarmelade“

       Doch die Sedlaceks schauten beleidigt weg und kauten verdrossen an ihren Semmeln herum.

      Was soll´s, dachte er, so kann ich wenigstens ungestört zu Ende essen und die Schlagzeilen der Morgenzeitung zu entziffern versuchen.

      Bald darauf verließ er frisch gestärkt den Frühstückssaal und machte sich daran, nach draußen zu gehen. Kurz vor der Drehtür fiel ihm ein, dass er ja gar nicht wusste, wie er zu seiner Verabredung kommen konnte. So ging er zurück in die kleine Hotelhalle und erkundigte sich an der Rezeption, wie er am besten zur Grazer Messe kommen würde.

      “Da fahren Sie am besten mit der Straßenbahn hin, die Haltestelle ist ja eh gleich gegenüber vom Hotel”, gab der Portier freundlich zur Antwort.

      Endlich bot sich die Gelegenheit, mal die Trambahn benutzen zu können, so ging er schnurstracks zur Haltestelle und saß schon einige Minuten später im Waggon auf dem Weg zur Messe.

      Geduldig, wie Engländer das nun mal gewohnt sind reihte er sich in die Schlange vor dem Kartenhäuschen ein. Ich versteh nicht, dass bei diesem Besucherandrang nicht mehr Kassen geöffnet werden, dachte er und während er so quälend langsam dem Schalter näher rückte, verstärkte sich alsbald das unbestimmte Gefühl, dass er von irgendjemand beobachtet wurde.

      Verstohlen drehte er sich um und musterte die hinter ihm stehenden Menschen. Aber da standen nur ein paar Bauern, unschwer zu erkennen an ihrem Steireranzug mit grünem Kragen, einer trug sogar einen Hut mit Gamsbart, was ihm doch einigermaßen kurios auszusehen schien. Na ja, andererseits, was würde der Mann wohl über unsere Männer in Schottenröcken denken? , sinnierte er und schaute wieder sehnsüchtig auf seinen Vordermann, der nun endlich an der Reihe war.

      Als er dann selbst zur Kasse kam, zeigte er die Einladung seines Geschäftsfreundes vor und bekam eine ermäßigte Eintrittskarte ausgehändigt. „Zwanzig Schilling, bitte“, forderte ihn der Kartenverkäufer auf, „und hier müssen sie noch dieses Formular ausfüllen“ Die hinter ihm stehenden guckten böse ob der unnötigen Verlängerung ihrer Wartezeit, auch sein schüchterner Einwand, ob das wirklich notwendig sei nützte nichts. „Urdnung muass sein!“ war der unmissverständliche Kommentar des Ticketverkäufers.

      Nachdem zu guter Letzt auch noch die Kartenkontrolle am Eingang passiert war, suchte er erst mal nach einer Übersichtstafel um ohne Verzögerung die Halle zu erreichen, die ihn speziell interessierte. Nach einigen Minuten Herumirren hatte er auch den Stand der Motorradfirma KRU gefunden, und fragte nach Herrn Heller, mit dem er verabredet war. Freudestrahlend kam dieser auf ihn zu und begrüßte ihn so herzlich, als ob sie sich schon ewig kennen würden.

      Während er sich von Herrn Heller den Messestand zeigen ließ, war da schon wieder dieses komische Gefühl, beobachtet zu werden. Er blickte vorsichtig aus den Augenwinkeln heraus nach hinten, jetzt fiel ihm doch ein schon etwas älterer Herr auf, der vor ihm in der Schlange beim Eingang gestanden hatte und ihm auch schon in der Straßenbahn etwas merkwürdig vorgekommen war. Der Mann hatte jedes Mal auffällig den Blick abgewandt, sobald ihn Worthington direkt ansah.

      Er ließ sich nichts anmerken, unterhielt sich weiter mit Herrn Heller, der ein ganz ausgezeichnetes Englisch sprach. Auf Worthington´s Kompliment diesbezüglich schwächte dieser bescheiden, aber doch geschmeichelt ab und erzählte, dass er sich schon mehrmals beruflich in England aufgehalten hätte und die Sprache einfach lieben würde.

      Dabei erinnerte sich Worthington an die Zeit als Verbindungsoffizier in Graz, wo es ihn besonders beeindruckt hatte, dass die Engländer, obgleich gerade kurz zuvor noch Kriegsgegner, eigentlich überraschend beliebt bei den Österreichern waren.

      Ob es nur daran lag, dass alle froh waren, nicht die Russen statt der Briten als Besatzer zu haben oder ob es andere Gründe dafür gab, er wusste es nicht. Überhaupt schien es, als ob sowieso alle Grazer auf einmal Freunde der Besatzungsmacht und entschiedene Gegner des Nationalsozialismus